Alles vorhanden für Grund- und Regelversorgung

Dr. Olaf Städtler, Chefarzt und Medizinischer Geschäftsführer, spricht bei den Landfrauen über das Bürgerspital

Einbeck. Zunächst stellte Rolf Hojnatzki, Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt Einbeck, das Angebot der Organisation vor. Die Mitglieder hatten dabei Gelegenheit, viele Fragen zu stellen.

Was wäre Einbeck ohne Krankenhaus?, das sei in der Stadt ein sehr emotionales Thema, stellte Dr. Städtler fest. Das Haus mit 103 Betten sei nicht nur von medizinischer, sondern auch von wirtschaftlicher Bedeutung für die Region. 16 Millionen Euro Umsatz würden von 230 Mitarbeitern pro Jahr erwirtschaftet. Allein bei zehn Millionen Euro liegen die Lohnkosten. Etwa 4.800 stationäre Fälle werden pro Jahr versorgt, die durchschnittliche Verweildauer beträgt sechs Tage. Das Einzugsgebiet von rund 40.000 Einwohnern entspreche dem Durchschnitt eines Krankenhauses in Deutschland. »Wir müssen nicht mehr rechtfertigen, dass es uns gibt«, betonte Städtler. Dabei sei die Wirtschaftlichkeit zwar zuweilen ein Tanz auf Messers Schneide, aber derzeit sei das Haus schuldenfrei, und alle anfallenden Kosten könnten bezahlt werden.

Zu den Stationen des Hauses gehört die Unfallchirurgie und Orthopädie mit Chefarzt Andrej Illenseer. Die Schmerz- und Palliativmedizin wurde fast geschlossen aus dem Charlottenstift in Stadtoldendorf übernommen. Dafür wurde, berichtete Dr. Städtler, die frühere Station D3 inzwischen nach einer Sanierung für rund 250.000 Euro wieder eröffnet. Thomas Rudolph mit seinem Team leiste phantastische Arbeit: ruhig, geduldig, empathisch. Mit Dr. Wolf-Henning Dörner, einem niedergelassenen Radiologen, sind Untersuchungen für ambulante und stationäre Patienten möglich. Schilddrüsen-Untersuchungen werden von Dr. Wolfgang Scharnefsky durchgeführt. Die Innere Medizin leitet Chefarzt Dr. Städtler. Mit dem?Internisten und Pulmologen Matthias Leister sind spezielle Lungenuntersuchungen möglich.

Belegbetten gibt es für den Bereich Hals-Nasen-Ohren von Dr. Gernot Englert; Dr. Martina Rehse wird bei schwierigen Diabetes-Fällen hinzugezogen. Dr. Mario May ist im Bereich Neurologie und Psychiatrie tätig, und Jörg Seraphin versorgt Patienten im Bereich Hämatologie/Onkologie. Für Betriebsmedizin ist Dr. Jens Parpart am Krankenhaus angesiedelt. »Alles praktisch organisiert für die Grund- und Regelversorgung«, bilanziert Dr. Städtler. 

Neben der stationären Versorgung gehören Dienste wie die Sozialstation, die Physiotherapie und die Ernährungsberatung zum Leistungsspektrum des Krankenhauses. Überaus wichtig, und da nickten viele Zuhörerinnen, sei für das Krankenhaus auch die Küche:?In Einbeck werde selbst gekocht, das Krankenhaus-Essen habe einen guten Ruf, und von hier werden auch »Essen auf Rädern« sowie verschiedene Schulen mit Mittagessen versorgt, wobei man auf Kostendeckung achten müsse. Mit der Krankenpflegeschule mit 45 Plätzen ist das Bürgerspital der zweitgrößte Ausbildungsbetrieb in Einbeck. Die Einrichtung habe Zulauf, berichtet er. Es sei ein Vorteil für das Krankenhaus, hier eigenen Nachwuchs auszubilden: Aus dem Abschlussjahrgang 2014 konnten sechs Absolventen direkt übernommen werden. Neben den jungen Kräften seien aber auch erfahrene Mitarbeiter wichtig, betonte er – nicht wenige seien schon über Jahrzehnte im Haus tätig.

Nach einer sogenannten »weißen Liste« der Krankenkassen, einer anonymisierten Befragung von Krankenhauspatienten, empfehlen 91 Prozent das Einbecker Bürgerspital weiter.

Die vergangenen Jahre waren für das frühere Sertürner-Krankenhaus immer wieder turbulent. Mehrmals wechselten Konzepte und Eigentümer, bis im August 2012 nichts mehr ging: Die Insolvenz stand vor der Tür. Mit 16 Millionen Euro im Soll habe man dagestanden, so Dr. Städtler. Inzwischen habe sich die Situation aber deutlich verändert: Auf dem Vier-Hektar-Grundstück liege keine Grundschuld, es gebe keine offenen Kredite, und es seien auch einige kleine Maßnahmen möglich gewesen, immerhin »für ein paar 100.000 Euro«. »Das ist alles so schlecht nicht.«  Die Rettung des Krankenhauses durch Einbecker Familien sei kein okkultes Geschehen gewesen, sondern die neuen Gesellschafter hätten zusammen 600.000 Euro Eigen­kapital eingebracht, um so Zeit zu erkaufen vor der drohenden Schließung. Viele weitere Spender hätten sich beteiligt, allein 400.000 Euro seien im ersten Jahr eingegangen. Die Stadt habe ein verzinstes Darlehen gegeben. Mit 40 Entlassungen hätten aber auch die Mitarbeiter ihren Teil beigetragen. Für die Sanierung sei ein guter Kaufmann nötig gewesen, der betriebswirtschaftliches Know how mitbringen konnte. Dazu musste man die eigenen Grenzen erkennen: Wo liegt der medizinische Bedarf in der Region, was ist vorzuhalten, wo sollte man vernünftige Kooperationen mit der Uni-Klinik Göttingen eingehen? »Sie kommen an die richtige Adresse, wenn es bei uns nicht weitergeht«, versprach Dr. Städtler. Darüber hinaus gelte es künftig, die ambulante Versorgung zu stärken, auch mit Blick auf die Altersstruktur der Hausärzte in der Region.

Ohne Einbecker Krankenhaus, zeichnete er ein Szenario, wäre die wohnortnahe stationäre Behandlung für mehr als 40.000 Einwohner entfallen. 280 Beschäftigte hätte man entlassen müssen, für junge Menschen wären Arbeitsplätze weggefallen. Fachkräfte und Kaufkraft wären abgewandert. Man hätte neue Versorgungsstrukturen aufbauen müssen. Auch die Kassenärztliche Notfallambulanz, Mieter im Krankenhaus, hätte umziehen müssen. Es hätte weniger Anbieter im Gesundheitsbereich und weniger Auswahl für Patienten gegeben. »Das Krankenhaus ist auch ein Standortfaktor, wenn es um Zuzug nach Einbeck geht«, machte er deutlich. Eine Zufallsschrumpfung durch die Insolvenz hätte weder wirtschaftlich noch infrastrukturell Sinn gemacht, sondern eine Verödung der Struktur in Südniedersachsen zur Folge gehabt.

Nach dem kurzweiligen und informativen Vortrag hatten die Landfrauen eine Überraschung für den Gast parat: Aus den Erlösen von Erntedank-Aktion und Weihnachtsmarkt stellten sie 300 Euro als Spende für das Krankenhaus zur Verfügung.ek