»Alte Stadt« hat mehr Potenzial als eine Neubausiedlung

Lob beim Denkmalpflegetag für Einbeck als Beispiel für das Tagungsthema »Zukunftsstadt« / Gegen aussterbende Innenstädte

»Für das Thema bestens geeignet«: Am Wochenende hat in Einbeck der 14. Tag der Niedersächsischen Denkmalpflege stattgefunden. Die Teilnehmer beschäftigten sich mit der »alten Stadt als Zukunftsstadt: Bewahren – Entwickeln – Nutzen«, und Einbeck mit dem Reichtum an Fachwerk- und anderen Denkmalen sei dafür ein passender Gastgeber, hieß es in den Grußworten. Zudem zeuge das Eickesche Haus, das sein 400-jähriges Bestehen feiern konnte, von besonderem Bürgerengagement.

Einbeck. Die mehr als 700 Jahre alte Stadt Einbeck sei die passende Gastgeberin für die Tagung, sagte die stellvertretende Einbecker Bürgermeisterin Dr. Ursula Beckendorf. Eine Reliquie legte den Grundstein für den Tourismus, »damals hießen sie Pilger«, blickte sie zurück. Das »goldene Zeitalter« erlebte Einbeck zur Zeit der Hanse, als das Bier in weite Teile der damals bekannten Welt exportiert wurde. Nach den Bränden in der Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden die heute bekannten Fachwerkhäuser. Ein ausdrucksvolles Zeichen seiner Zeit sei das Eickesche Haus, 1612 erbaut. Nach Dreißig- und Siebenjährigem Krieg setzte der Verfall der Stadt ein.

Erst mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert und August Stukenbroks Versandhaus gelang wieder der Anschluss an die Welt. Einbeck, führte sie aus, sei geprägt von spätmittelalterlichen Fachwerkhäusern.

Es gebe genau 2.096 Denkmale im Stadtgebiet, und es sei gut, dass sich Untere Denkmalschutzbehörde und Archäologie dafür so engagiert einsetzten. Gern würde man mehr tun, aber guter Wille ersetze nicht fehlendes Geld. Dass ein Denkmal nichts Belastendes sei, würden manche Eigentümer sicher anders sehen. Es komme für die Zukunft darauf an, dass Denkmalschutz nachhaltig sei. Das bedeute, dass man sanieren und modernisieren und zugleich Wohnqualität und Schönheit der Stadt verbessern müsse. So könne man sicher in Einbeck in einigen Jahren die alte Stadt als Zukunftsstadt tatsächlich erleben – auf einer Magistrale der Kultur vom PS-Speicher bis zum Sanierungsgebiet Möncheplatz, so ihr Wunsch.

Das Tagungsthema umschreibe die Aufgaben im Zeiten demografischen Wandels, stellte der Präsident des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, Dr. Stefan Winghart, fest. Gerade Innenstädte seien durch den demografischen Wandel betroffen. In der Nachkriegszeit sei es schick gewesen, ins Grüne zu ziehen. So habe Einbeck seit 1951 71 historische Wohnhäuser verloren, nur 31 seien durch einen Neubau ersetzt worden. Das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz ziele unter anderem darauf auf, den Zusammenhang von Nutzung und Erhalt stärker zu betonen. »Der Verlust der Funktion stellt den Bestand in Frage«, machte Dr. Winghart deutlich. Denkmalpflege sei nicht Stillstand und Stagnation, sondern Wandel als beharrlicher Prozess. Jede Generation sehe das Thema aber auch durch die eigene Brille. Das Potenzial der »alten Stadt« sei höher als das einer Neubausiedlung: Man könne zu Fuß über-all hin, habe Höfe, Gärten, Nebengebäude, eine Vielfalt an Funktionen und Möglichkeiten. Die Lebensqualität sei hoch, der Fortbestand sei ohne Alternative. »Die alte Stadt hat mehr Zukunft als viele glauben.«

Der Landkreis ist sehr stolz auf Einbeck, eine schöne Perle in Südniedersachsen, sagte Landrat Michael Wickmann. Die Fachwerkstädte der Region seien ein unverwechselbares reiches Erbe, sie vermittelten regionale Identität und Kultur. Eine lebenswerte Stadt zu erhalten, sei eine große Anstrengung. Die wertvolle Substanz dürfe nicht museal werden, sondern eine Altstadt müsse lebendig sein mit einer ausgewogenen Mischung. Aber die demografische Entwicklung habe bedrohliche Auswirkungen, führte auch Wickmann aus. Den Abzug von Gewerbe und Einzelhandel müsse man stoppen, wolle man die Stadtkerne zu lebenswerten Zentren aufwerten. Das brauche ein Stadtentwicklungsplanung, die auf Pflege, Erhalt, Instandsetzung und Modernisierung setze. So könnten die Innenstädte zu Wohn- und Lebensorten für Alt und Jung werden, zu einem Zuhause, mit dem man sich identifiziere. Nur wenn der Stolz darauf vorhanden sei, könne man auch bürgerschaftliches Engagement erreichen. Ohne die zahlreichen Fördervereine und Initiativen wäre die Kulturlandschaft viel ärmer.

Als Vorsitzender der Stiftung Eickesches Haus freute sich Robert Stafflage über den Besuch von Ministerin Johanna Wanka: Durch die erstmals verliehene Denkmalschutz-Plakette des Landes Niedersachsen werde die Fachwerkikone, das im neuen Glanz erstrahlende Eickesche Haus, geehrt und aufgewertet. Das Gebäude sei eines der schönsten Häuser der deutschen Fachwerkarchitektur. Die aufwendig gestalteten Holzschnitzereien zeugten von Bildung und Stand seines Erbauers und repräsentierten das Wissensgut sowie die humanistische Gedankenwelt eines gebildeten Bürgers der Renaissance. Es seien gerade die überreichen, detailgenau gearbeiteten, künstlerisch herausragenden und thematisch vielfältigen Zierschnitzereien, die den Betrachten in den Bank zögen. 1612 bis 1614 erbaut, könne man nun den 400. Geburtstag dieses Kulturdenkmals von nationaler Bedeutung feiern.

Nur Eigeninitiative und privates Engagement hätten das Haus, das 1999 vom Verfall bedroht war, retten können. Im Zusammenspiel von staatlicher Denkmalpflege, Privatinitiative und Ehrenamt sei es gelungen, dieses Juwel vor dem Einsturz zu bewahren, es kompetent zu erforschen, denkmalgerecht zu restaurieren, für zukünftige Generationen zu erhalten und zudem komplett zu finanzieren sowie durch sinnvolle wirtschaftliche Nutzung finanziell zu sichern. Es gab zwar 600.000 Euro an öffentlichen Fördermitteln, doch gerade die 2.000 Einzelspenden zeigten hervorragendes Bürgerengagement.ek