Angeklagter bestreitet Brandstiftung in der Altendorfer Straße

21-jähriger Einbecker: Keine Aussage zum Vorwurf der schweren Brandstiftung am 17. August 2012 / In der Tatnacht alkoholisiert

Er sei für den Brand »nicht verantwortlich«. Das ließ der Angeklagte im Prozess um die Brandstiftung in der Altendorfer Straße über seinen Anwalt mitteilen. Ansonsten äußerte er sich nicht zur Sache. Das Jugendschöffengericht hat sich gestern den ganzen Tag mit der Beweisaufnahme beschäftigt. Dazu wurden als Zeugen die Mitbewohner im Haus gehört sowie fünf Polizeibeamte und drei Sachverständige.

Einbeck. Dem 21-jährigen Einbecker wird eine schwere Brandtstiftung zur Last gelegt. Er soll das Feuer in den frühen Morgenstunden des 17. August 2012 im Vorflur seiner Wohnung im ersten Stock des Hauses Altendorfer Straße 24 gelegt haben. Das Wohn- und Geschäftshaus brannte komplett ab; ein Nebengebäude wurde ebenfalls erheblich beschädigt, zwei weitere Häuser wiesen Brandschäden am Dachfirst auf. Die Staatsanwaltschaft bezifferte die Schadenssumme auf rund 1,3 Millionen Euro.

Von seinem Recht, die Aussage zu verweigern, machte der Angeklagte zum Prozessauftakt Gebrauch. Über seinen Anwalt ließ er mitteilen, er habe das Feuer nicht gelegt und sei für den Brand nicht verantwortlich. Auch seine Freundin, mit der er zum Tatzeitpunkt in der Wohnung lebte, machte keine Aussage. Die beiden sind inzwischen verlobt, sie wollen heiraten.

Anhand von Zeugenaussagen rekonstruierte das Gericht die Vorgänge in jener Nacht: So berichtete der 73-jährige Hauseigentümer, der die obere Etage des Hauses bewohnte, dass er die Polizei bereits vor dem Brand wegen einer nächtlichen Ruhestörung gerufen hatte. Es sei Spektakel im Haus gewesen, und auch ein anderer Mieter habe sich beschwert. Die Polizei habe mit dem Zweitschlüsssel des Vermieters die Wohnung des Angeklagten betreten und im Vorflur zunächst einmal Kartons zur Seite räumen müssen. Kurz darauf habe der andere Mieter ihn alarmiert, dass es brenne, er und seine Frau sollten schleunigst das Haus verlassen. »Wir sind dann runter, und das war’s.« Auf der anderen Straßenseite habe man auf die Rettungskräfte gewartet. Der Eigentümer berichtete, der Brand habe ihm hohe finanzielle Verluste gebracht. Von der Versicherungssumme habe er die Abbrucharbeiten bezahlen müssen, und für das Geschäft hatte er keine Inventarversicherung. Was mit dem Grundstück passiere, sei ungewiss, er wolle das Haus jedenfalls nicht wieder aufbauen. Einige Wochen vorher hatte es auch schon Lärm-Probleme mit dem Mieter gegeben; damals sei die Freundin vor dem jungen Mann über den Balkon auf den Innenhof geflüchtet. Daraufhin habe er ihm gekündigt, berichtete der Vermieter.

Die Vorgänge bestätigte die Ehefrau des Eigentümers. Wie ihr Mann sagte sie aus, dass der Vorflur der Wohnung des Angeklagten lichterloh gebrannt habe, das habe man bei der Flucht die Treppe hinter sehen können.

Der Bewohner der anderen Wohnung im ersten Stock hat seine Vermieter-Familie alarmiert und so gerettet. Der 25-Jährige bestätigte den Polizeieinsatz zur Ruhestörung. Anschließend habe er sich bei offener Balkontür wieder schlafen gelegt. Ein Knistern habe ihn alarmiert: Er sah das Feuer im brennenden Vorflur, zog sich schnell etwas an, setzte einen Notruf ab, informierte die Vermieter und eilte mit ihnen am schon »riesengroß« gewordenen Feuer und durchs verqualmte Treppenhaus nach draußen. Mit der Polizei habe er anschließend den Durchgang zum Hinterhof aufgeschlossen und dort den Angeklagten und seine Freundin getroffen, die über den Balkon geflohen waren. Ein Beamter habe den Mann mitgenommen, er habe die Freundin, die auf dem Boden lag und weinte, auf den Arm genommen und sei mit ihr auf die Straße gegangen.

Eine erste Vernehmung des als Brandstifter Beschuldigten fand in einem Dienstfahrzeug der Polizei statt. Der Mann, berichtete der Beamte als Zeuge, habe auf ihn einen klaren Eindruck gemacht, er wirkte relativ gelassen, abgesehen von Schmerzen im Bein – umso überraschte sei er, so der Ermittler, über das Ergebnis des Alkoholtests auf der Wache gewesen: 2,25 Promille wurden gemessen. Da sich der junge Mann beim Sprung vom Balkon am Knie verletzt habe, sei man mit ihm zur Behandlung ins Krankenhaus gefahren, wo es zur weiteren Vernehmung gekommen sei. Die junge Frau sei im Krankenhaus nicht vernehmungsfähig gewesen, sie habe zudem Angst vor ihrem Freund gehabt.

Die Beamten, die kurz nach Mitternacht wegen der Ruhestörung im Einsatz waren, waren auch die Ersten an der Brandstelle. Die Wohnung sei unordentlich gewesen, sie hätten viele leere Flaschen gesehen, und man habe bemerkt, dass der Angeklagte alkoholisiert gewesen sei, so ihre Aussage. Beim Feuer habe man ihn anschließend »total aufgelöst« empfunden. Der Leiter der Ermittlungen berichtete, dass sich der Angeklagte ihm gegenüber nicht zum Sachverhalt geäußert habe, und dabei sei es bei einer späteren Nachfrage geblieben. Dramatisch hörten sich die Notrufe an, die das Gericht vom Angeklagten vorspielte: »Meine Wohnung ist verqualmt«, sagte er, und im Hintergrund waren Schreie einer Frau zu hören.

Ein Brandsachverständiger des Landeskriminalamtes berichtete, dass sich eine Hitzespur erkennen lasse. Der Flur sei vollkommen ausgebrannt, und Richtung Wohnungstür seien Hinweise zu finden, dass es dort sehr gut oder sehr lange gebrannt habe. Im Wohnzimmer fand sich ein angebrannter Sessel, der nicht zum Verlauf des Feuers passe. Der Schutt des Vorflures sei untersucht worden, Reste von Elektrogeräten seien nicht gefunden worden.

Hinweise auf Brandbeschleuniger gebe es nicht. Sie wären allerdings auch nicht notwendig gewesen, um ein solches Feuer zu legen: Die im Vorflur gelagerten Kartons seien durch eine einfache Zündquelle zu entflammen gewesen. Eine Selbstentzündung oder ein Kurzschluss seien nicht wahrscheinlich, denn richtig gebrannt habe es weiter unten.

Zum Zustand des Angeklagten und seiner Freundin machte der Rechtsmediziner detaillierte Angaben: Sowohl der 21-Jährige als auch die 22-jährige Frau waren in der Tatnacht alkoholisiert: Bei ihm können es bis zu 2,51 Promille gewesen sein, bei ihr vermutlich 1,73 Promille. Die Werte des Angeklagten und sein Handeln ließen auf Alkoholgewöhnung schließen, er sei orientiert, unauffällig und handlungsfähig gewesen. Auch der Notruf zeige keine fassbaren intellektuellen Ausfälle. Dass Steuerungs- oder Einsichtsvermögen aufgrund des Alkoholkonsum vermindert waren, dafür habe er keine Anhaltspunkte, sagte er der Rechtsmediziner, wenngleich verminderte Schuldfähigkeit auch nicht auszuschließen sei. An Vorbelastungen finden sich beim Angeklagten seit 2006 Diebstahl, Sachbeschädigung, Betrug und gefährliche Körperverletzung, führte das Gericht aus. So lange kennt ihn auch der Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe, der aus den Gesprächen mit dem 21-Jährigen berichtete: Er habe keinen Schulabschluss und warte derzeit auf eine Qualifizierungmaßnahme, die im September beginnen soll. Eine ähnliche Situation wie jetzt habe es bereits 2011 gegeben. Der Angeklagte könne immer nur einen Schritt gehen, er halte häufig nicht durch, verstoße gegen Auflagen und habe immer wieder finanzielle Probleme. Perspektiven habe er nicht entwickelt, eine Therapie wegen seines Drogenproblems schiebe er vor sich her. »Er hat keinen Plan, wie ein Erwachsener ihn hätte.« Auch wenn er demnächst Verantwortung für eine Familie übernehmen solle und obwohl er zur Tatzeit fast 21 Jahre alt war, spreche er sich dafür aus, nach Jugendrecht zu urteilen.

Dass sich die Ermittlungen auf den Angeklagten als Brandstifter fokussiert hätten, kritisierte der Verteidiger. Maßnahmen wie der Einsatz eines Spürhundes seien nicht durchgeführt worden, und auch andere andere Quellen des Feuers seien »nicht hinreichend ausgeschlossen« worden. Die Verhandlung wird fortgesetzt; dazu kündigte der Verteidiger Beweisanträge an. ek