Auf veränderte Nutzungsgewohnheiten eingehen

CDU-Kreistagsfraktion im Museum | Gespräch über »Wissensquartier« und Vorstellung der StadtpARTie

Beim Besuch der CDU-Kreistagsfraktion im Einbecker StadtMuseum ging es unter anderem um die Planungen für das »Wissensquartier« sowie um die Situation von Kulturschaffenden unter Corona-Bedingungen.

Einbeck. Nach der Besichtigung auf der Baustelle Ortsdurchfahrt Naensen (»EM« berichtete) war die CDU-Fraktion des Northeimer Kreistags im StadtMuseum Einbeck zu Gast. Themen waren hier unter anderem der Architektenwettbewerb für das neue »Wissensquartier« sowie Überlegungen zur Zukunft freier Künstler in der Corona-Krise.

Das »Wissensquartier« sei ein großes Projekt für die Stadt, stellte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Beatrix Tappe-Rostalski fest, die auch Mitglied des Einbecker Rates ist. Der erste Bauabschnitt mit dem Umbau des Kindergartens Münstermauer laufe bereits; jetzt seien Vorarbeiten zur weiteren Gestaltung angelaufen, um Museum, Archiv und Bibliothek zusammenzuführen.

»Es bahnen sich große Dinge an«, freute sich Museumsleiterin Dr. Elke Heege. Sie sei begeistert, wenngleich Corona einiges verhagelt habe. Man werde aber trotzdem Pläne machen für die Zukunft, und auch in der Pandemie müsse die Arbeit weitergehen – man müsse an die Zukunft denken. Das neue Projekt sei ein Ergebnis des vor etwa drei Jahren vorgestellten Masterplans, führte sie aus. Kern sei, die städtischen Kultureinrichtungen in den Blick zu nehmen: Museum, Archiv und Bibliothek, gerade vor dem Hintergrund, dass das Archiv mehr Platz benötige, unter anderem auch nach dem Zusammenschluss mit Kreiensen, und dass die Bibliothek in die Jahre gekommen sei, auch wenn man ihr das nicht ansehe.

Das Museum benötige ebenfalls an verschiedenen Stellen eine »Auffrischung«, wobei man vor allem auf eine barrierefreie Erschließung Wert lege. Den Masterplan habe man unter der Leitung des früheren Fachbereichsleiters Bau, Frithjof Look, entwickelt, als man über den Rand der Finanzkrise hinaus schauen konnte, und sie sei ihm für diese Idee sehr dankbar.

Um das Thema möglichst stark zu verankern, wurde ein Architektenwettbewerb veranstaltet. 13 Büros hätten Entwürfe abgegeben, und Mitte Juli sei die Jury zu einem sehr überzeugenden Ergebnis gekommen, berichtete sie. Man habe einen zukunftsweisenden Ansatz gefunden, bei dem man inhaltliche Aktivitäten miteinander verknüpfen könne. Zusammenarbeit sei im Rahmen unterschiedlicher Verschränkungen möglich: lesen und Heimatgeschichte erkunden, über die Familie im Archiv forschen und in der Bibliothek weiter recherchieren, Kenntnisse vertiefen und mit Leben füllen. Diese Konzepte umzusetzen, sei in Deutschland eine ziemlich neue Idee, stellte Dr. Heege fest, und somit sei das Thema in der Landes- und Bundespolitik positiv angekommen. Doch als man es ins Laufen gebracht hatte, kam Corona dazwischen. Aber davon wolle man sich nicht aufhalten lassen. Das Museum habe eine lange Geschichte und ein lebendiges Innenleben, dennoch müsse man veränderten Nutzungsgewohnheiten Rechnung tragen. Viele wollten heute Info-Hopping, und um diese Anregungen zu geben, müsse man entsprechende Infrastruktur schaffen.

Bibliothek, Museum und Archiv würden jeweils ihre Bedeutung behalten, aber sie würden anders genutzt. Die Pläne dazu seien angestoßen, und nun hoffe man auf Umsetzung. Mit dem Wettbewerbsbeitrag von »Mosaik« aus Hannover habe man einen sehr innovativen Entwurf: transparent und offen, barrierefrei, mit einem großen Foyer, das auch für Veranstaltungen genutzt werden kann. »Und die werden wir wieder haben, Kultur in gewohnter Form«, zeigte sich die Museumsleiterin zuversichtlich. Gerade das Foyer sei als Dreh- und Angelpunkt des Entwurfs gedacht. Vor dem Neubau entstehe damit ein großer Platz, zu nutzen als zusätzliches »Zimmer«. Städtebaulich sei das ein »genialer Entwurf«, freute sie sich. »Unter einem Dach bekommen wir alles, was wir wollten: Das ist ein cleveres Konzept.«

Barrierefreiheit bedeute in diesem Zusammenhang nicht nur, dass es keine Treppen gebe, sondern dass auch Finden und Zurechtfinden einfach seien: Barrieren in den Köpfen gelte es ebenfalls abzubauen. Man wolle Bildungs- und Informationskompetenz vermitteln, und da gebe es bei den Ideen für das »Wissensquartier« viele Anknüpfungspunkte.

Beim Kindergarten als erstem Bauabschnitt sei es wichtig gewesen, gleich eine Krippe mit einzuplanen, ergänzte Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek. Dann würden in der Innenstadt 75 Kindergarten- und 15 weitere Krippenplätze zur Verfügung stehen. Die inhaltliche Verknüpfung des Vorhabens habe der Stadt die 90-prozentige Förderung vom Land gebracht aus dem Programm »Soziale Stadt«. An die Kreistagsabgeordneten wandte sie sich mit der Bitte, ihre Kontakte zu nutzen, damit auch das weitere Vorhaben gefördert werde. Man stoße damit, so ihre Erfahrung, auf große Begeisterung. Zu den Kosten gebe es noch keine konkreten Aussagen, sagte sie auf Nachfrage, man werde sich sicher im niedrigen zweistelligen Millionen-Bereich bewegen. Wie man sich das leisten beziehungsweise über Jahre entwickeln werde, stehe noch nicht fest. Das »Wissensquartier« hätte als besonderes Projekt eine hohe Strahlkraft, sei gedacht als sogenannter dritter Ort, als Platz zum Arbeiten und um andere Menschen zu treffen. Aus der amerikanischen Partnerstadt Keene habe man gerade dieses Detail als begeisternde Idee mitgebracht, und das Architekturbüro habe das mitgedacht.

Über die Situation Kulturschaffender vor Ort informierten Britta Grastorf und Christian Serfati als Vertreter des Vereins StadtpARTie. 2018 wurde er im Zusammenhang mit dem »DenkmalKunst-KunstDenkmal«-Festival (DKKD) gegründet mit dem Ziel, Kunst und Kultur zu bündeln. Dass das Festival teilweise nicht so gelaufen sei wie geplant, hatte verschiedene Gründen: Vor Ort wurde ein guter Job als Zulieferer gemacht. Die Grundidee sei, Kunst und Kultur in Leerständen anzubieten. 2019 hat die StadtpARTie 2019 ein eigenes Festival veranstaltet, das außergewöhnliche Kunst an besonderen Orten präsentierte und auf große Resonanz gestoßen ist. Auch deshalb habe man sich entschlossen, in diesem Jahr eine kleine StadtpARTie zu feiern. Wegen Corona werde man das auf Ende Oktober verschieben und in wirklich kleinem Rahmen belassen. 

Die »Night of Lights« hat die StadtpARTie veranlasst, sich mit der Situation von Künstlern zu beschäftigen. Durch die Corona-Regelungen zu Veranstaltungen seien 90 Prozent aller Künstler derzeit ohne feste Engagements, führte Christian Serfati aus. Er befürchte, dass man, je länger dieser Zustand anhalte, immer mehr Künstler verlieren werde. Es müsse etwas anderes für sie geben als Hartz IV. Entsprechende Überlegungen der Landesregierung seien noch nicht zu einem guten Ergebnis gekommen. In weiten Bereichen sei der Umgang mit der Corona-Pandemie gelungen, so Serfati – hier aber nicht. Um auf die Probleme aufmerksam zu machen, lädt die StadtpARTie jeden Sonnabend ab 11 Uhr zu einem Konzert auf den Hallenplan ein. Die Künstler der zehnteiligen Reihe erhalten eine Grundgage, und der Hut geht herum. Den Künstlern fehle nicht nur das Geld, sondern auch das Publikum, aber die Besucher seien ebenfalls ausgehungert, so sein Eindruck.

Ein weiteres Anliegen des Vereins ist es, Kulturschaffende stärker zu vernetzen, sowohl für Einbecker als auch für Touristen. Da sei man bei den Veranstaltern beziehungsweise Vereinen auf guten Zuspruch gestoßen.

Die nächste größere StadtpARTie sei für 2021 geplant. Dafür mache man sich nun, so Britta Grastorf und Christian Serfati, auf die Suche nach Förderungen; unter anderem werde man sich an die Stiftungen des Landkreises wenden.

Wie schwierig die Situation für Künstler und Veranstalter ist, wurde in der Diskussion deutlich: Wenn statt 180 nur 40 Zuschauer erlaubt seien, rechne sich das nicht. Durch diese Lage fehle viel an lebenswerten Dingen, die die Stadt bereichern würden. Die Künstler würden durch alle Raster fallen, deshalb müsse man schnell handeln.
»Wir nehmen einiges mit«, sagte Beatrix Tappe-Rostalski. Man werde im Gespräch bleiben.ek