Begeisterter Applaus für jüngste »Amanti«-Aufführung

Theatergruppe hat an zwei Abenden volles Haus bei »Sanatorium« in der »TangoBrücke« / Mit Witz und viel Spielfreude agiert

Man sah strahlende Gesichter, leicht gerötet durch die Wärme im Raum, und man hörte enthusiastischen Applaus in der »TangoBrücke«, die zwei Abende hintereinander bis auf den letzten Platz mit Kulturbegeisterten gefüllt war. Das Konzert- und Kulturhaus ist die Heimat der jungen Theatertruppe. Nun führte »Amanti« eine »kriminelle Komödie« mit dem Titel »Sanatorium« auf, die der in Einbeck auch durch die Gruppe »Crème frech« bekannte Theatermann Rolf-D. Bartels geschrieben hat. Wie er in der Begrüßung bekannt gab, stammt die Grundidee zwar vom US-amerikanischen Schriftsteller P. Quentin, dessen Story wurde jedoch vom Autor in die 80er Jahre verlegt und dabei neu erfunden.

Einbeck. In diesem Theaterstück ist das Sanatorium eine Institution, in der Menschen mit ganz unterschiedlichen »Macken« auf eine Besserung warten. Ihre geistig-seelischen Krankheiten sind komisch-übertrieben und somit karikaturähnlich in Szene gesetzt.

So lernt man zum Beispiel Helen Stanwick kennen, die zu Anfang des Stückes am Konzertflügel sitzt und Beethoven spielt. Man erfährt, dass sie eigentlich eine bekannte Dirigentin ist, die in der letzten Zeit leider versehentlich öfter das Publikum statt des Orchesters dirigiert hat. Rabea Scholz verkörpert diese wirre Persönlichkeit, hin- und hergerissen zwischen dem Ärger über ständig zu grelles Licht und der großen Freude, dass sie sich immer wieder neu verlieben kann, zum Beispiel in die Mitpatienten Eric oder Bill, ganz gleich, ob die wollen oder nicht.

Irene Temple lebt in einer völlig anderen Welt, weit entrückt von jeglicher Realität. Mit weit geöffneten Augen und wirrem, verklärtem Blick erklärt Mrs. Temple, ständig vor sich hin philosophierend, dem Zuschauer eindringlich die unmöglichsten mystischen Zusammenhänge, die allerdings außer ihr selbst niemand versteht. Sandra Kappei brillierte in dieser entrückten, anspruchsvollen Rolle.

Emily Stolbrooke, mit humorgeladener Sprache dargestellt von Anastasia Lisizin, hält sich für die einzig Normale im »Krematorium«. Sie hat allerdings nicht nur Schwierigkeiten mit Fremdwörtern, sondern auch damit, die Gegenstände, die anderen Leuten gehören, bei diesen anderen Leuten zu lassen: Sie klaut alles, was sie in die Finger bekommt, und hütet diese Schätze sorgfältig unter einem Sofakissen.

Peter McLeod hat Stehlen nicht nötig. Er ist Millionär, seine Gedanken kreisen ausschließlich um Finanzgeschäfte. Leider weiß er nicht genau, wie viel Geld ihm gehört, da vom Sanatorium aus kein Kontakt zur Außenwelt bestehen darf. Autor und Regisseur Rolf-D. Bartels spielt diesen sonderbaren Kauz, der unsterblich in Krankenschwester Amy verliebt ist, obwohl diese Jahrhunderte jünger erscheint als er selbst. Doch das Leben meint es nicht gut mit ihm. Mitten in einem Konzert von Helen stirbt er eines gewaltsamen Todes. Der Filmemacher Eric Andersson macht eine Entziehungskur. Whisky muss er durch Wasser ersetzen. Er langweilt sich entsetzlich, flirtet erst mit Amy, dann mit der Mitpatientin Iris.

René Kösel als Darsteller setzt dabei gekonnt seinen gesamten Charme ein. Das muss er auch, denn er wird bald als Mörder des Millionärs verdächtigt. Auch Bill Alvarez, überzeugend gespielt von Boi Krumwiede, ist genau wie Eric ein Sympathieträger. Leider ist er oft außer Gefecht gesetzt, da er als Narkoleptiker ständig einschläft. Durch diese Eigenschaft kommt er beinahe ums Leben. Jemand hat ihn auf einen Stuhl gestellt, gefesselt und geknebelt, mit einem Strick um den Hals. Bill weiß: Wenn er einschläft, hat er keine Chance. Glücklicherweise wird er rechtzeitig gerettet. Denise Hattenbach spielt die Rolle der Iris Antinori, die durch die Ereignisse in der Klinik aus einer depressiven Grundstimmung herausgerissen wird und energisch und lautstark zu handeln beginnt. So macht sie zum Beispiel Eric klar, dass sie nicht nur in ihn verliebt ist, sondern auch nicht daran denkt, ihn jemals wieder loszulassen. »Du bist mein Eigentum«, verkündet sie zu Erics Überraschung.

Das Team der Ärzte, Psychiater und Krankenschwestern vermittelt nicht den beruhigenden Eindruck, viel normaler zu sein als die »Gäste«. Direktorin Dr. Springfield, die durch die souveräne Michaela Heise dargestellt wird, hat einen Tick – es zuckt in ihrem Gesicht. Dr. Moreno, hektisch, aber immer freundlich Tabletten verteilend von Kolja Philipp repräsentiert, ist als Berufsanfänger ständig überfordert. Als wahre Bühnenentdeckung holte sich Victoria Lachmann als Krankenschwester Flanagan die Aufmerksamkeit des Publikums.

Sie kommandierte energisch und lautstark wie ein Feldwebel und ließ keinen Zweifel an ihrer Durchsetzungsstärke. Einen Gegensatz dazu  bildet ihre Kollegin Amy Burns, verkörpert durch Larissa Römermann, die durch ihre Fürsorge, Freundlichkeit und ein attraktives Aussehen vor allem die männlichen »Gäste« in Entzücken versetzt. Hierfür bekommt sie zum Dank mal zehn Trillionen Dollar oder die Alpen geschenkt.

Als McLeod ermordet ist und dann bekannt wird, das dieser Amy in sein Testament aufgenommen hat, gerät sie unweigerlich unter Verdacht. Es herrscht sehr schnell Unsicherheit und große Verwirrung, weil nicht jeder weiß, wie McLeods Verfügung wirklich ausgesehen hat. So häufen sich die Verdächtigen, und erst in einer gemeinsamen detektivischen Untersuchung wird deutlich, dass Vermutungen ins Leere laufen, Zusammenhänge falsch gesehen werden und der Schein immer wieder trügt, bis der »harmlose« Bill Alvarez als Täter entlarvt wird. Er ist der allen unbekannte Schwiegersohn des Ermordeten und wollte an dessen Millionen. Er führte alle Anwesenden lange Zeit hinters Licht und inszenierte sogar seinen eigenen Beinahe-Tod als Ablenkungs-Show.

Obwohl »Amanti« eine junge Amateur-Schauspiel-Truppe ist, gelang es den Mitwirkenden ausgezeichnet, die Schrullen der Sanatoriums-Gäste oder auch des medizinischen Personals so darzustellen, dass den Zuschauerinnen und Zuschauern oft kaum eine Möglichkeit zum Atem holen blieb, während sie sich gleichzeitig die Lachtränen aus den Augen wischten. Die Aufklärungsarbeit, mit der der Täter entlarvt wurde, war recht straff inszeniert, so dass dem Publikum kaum Zeit blieb, sich auszuruhen.

Die Zuschauer genossen hörbar Aktionen und Wortspiele der verschrobenen Insassen, die eine Persiflage auf die heutige Gesellschaft präsentierten. Wer »Amantis« erste Inszenierung »In the box« aus dem vergangene Jahr kennt, konnte bei allen Darstellern schauspielerische Fortschritte entdecken. Der Beobachter erfuhr ihre ansteckende Spiellaune, überhörte einige kleine Texthänger und freute sich über die sehr gelungenen darstellerischen Leistungen. Bartels hatte seine Gruppe offensichtlich gut  vorbereitet. Das Publikum jedenfalls war begeistert und applaudierte geradezu entfesselt.oh