»Bei Prävention ist es vor allem wichtig, am Ball zu bleiben«

Lukas Werk startet in Verbindung mit Kooperationspartnern Jugendschutzaktion »Einbeck macht mit« gegen Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen

Zehn- bis 15-Jährige, die mit einem Vollrausch ins Krankenhaus müssen, das ist – leider – auch im Landkreis Northeim möglich. »Wir verkaufen keinen Alkohol an unter 16-Jährige« und »Wir verkaufen keine Spirituosen an unter 18-Jährige«, mit dieser Kampagne soll in Einbeck eine Kultur des Hinsehens und der Aufmerksamkeit gefördert werden. »Jugendschutz. Einbeck macht mit« heißt die Aktion, die jetzt unter Schirmherrschaft von Bürgermeister Ulrich Minkner und mit zahlreichen Beteiligten gestartet wurde.

Einbeck. Für »Jugendschutz. Einbeck macht mit« sind das Lukas Werk, die Suchthilfe der Diakonie, der Präventionsverein FIPS, der Landkreis Northeim, das Einbecker Bündnis für Familie, das Kinder- und Familienservicebüro und die Polizeiinspektion Northeim/Osterode beziehungsweise das Polizeikommissariat Einbeck eine Kopperation eingegangen. Es sei eine gute Idee, gemeinsam etwas zu machen, sagte Bürgermeister Ulrich Minkner bei der Vorstellung. Junge Menschen wollten ihr Leben ausprobieren, und sie würden es auf verschiedene Weise tun. Für manchen gehöre dieser Weg dazu.

Es gebe im Bereich Suchthilfe und Prävention bereits Netzwerke, auf die man zurückgreifen könne, erinnerte Peter Traupe, Vorsitzender des Einbecker Bündnisses für Familie. Die Zivilgesellschaft beteilige sich auf diese Weise ehrenamtlich, freiwillig und außerhalb professioneller Suchthilfestrukturen. Weitere Unterstützer seien willkommen.

Es gehe nicht darum, abstinent zu leben, sondern um den verantwortungsbewussten Umgang mit Alkohol, macht Johanna Pogodda, Präventionsexpertin beim Lukas Werk Suchthilfe, deutlich. Dazu brauche die Einrichtung viele Unterstützer, die die Ziele mittragen wollten. Dem Bürgermeister dankte sie, dass er dieses Thema durch seine Schirmherrschaft mit in die Öffentlichkeit trage. Ziel soll es sei, im Vorfeld aktiv zu werden und Erwachsene in die Verantwortung zu nehmen, ebenso aber auch Kommunen oder Verkaufsstellen. »Es soll eine Kultur des Hinsehens entwickelt werden«, so ihr Anliegen. So könnten Alkoholexzesse und schädlicher Alkoholkonsum im Vorfeld verhindert werden.

Schwere Alkoholvergiftungen seien die dritt-häufigste Diagnose bei Jugendlichen im Krankenhaus. Auch Verkehrsunfälle durch betrunkene junge Fahrer, Sachbeschädigungen, riskantes Sexualverhalten oder die Vernachlässigung sozialer Aufgaben seien Auswirkungen, und schließlich würden Ängste, Depressionen oder Suizide als Folge von Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen auftreten. Auch im Landkreis Northeim sei das sogenannte Koma-Trinken inzwischen verbreitet: 2010 gab es 52 Fälle, darunter waren sieben Kinder und Jugendliche im Alter von zehn bis 15 Jahren – aus der Gruppe also, der Alkohol überhaupt nicht zugänglich gemacht werden dürfe. »Regelmäßiger« Konsum – mindestens einmal pro Woche – nehme zwar ab, allerdings gebe es einen Anstieg beim Koma-Trinken. Nach Polizeiangaben ereigneten sich in Einbeck seit Anfang 2011 insgesamt 32 alkoholbedingte Vorfälle, an denen Jugendliche beteiligt waren: Beleidigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Vandalismus. Bei allem, so die Beraterin, müsse man die Kosten sehen, etwa für die ärztliche Behandlung von unmäßigem Alkoholkonsum: 12,5 Millionen Euro haben die Krankenkassen 2010 bundesweit für Jugendliche mit Alkoholvergiftungen ausgegeben. Nicht zuletzt deshalb finanzierten sie auch das Präventionsprojekt »Hart am Limit« (HaLT) mit.

Ein kommunales Netzwerk zu schaffen über das Suchthilfesystem hinaus, das ist die Idee, die dahinter stehe. Zum einen werden dazu Plakate im Einzelhandel aufgehängt; möglichst jede Verkaufsstelle, und davon gibt es in Einbeck mehr als 200, sollte sich beteiligen und somit ihr Bekenntnis zum Jugendschutz unterstreichen. Zum anderen soll am 19. Juni eine Fachkonferenz mit Fraktionsvorsitzenden, Ordnungsamt, Polizei und den am HaLT-Projekt beteiligten stattfinden, weiter ist eine Vortragsreihe über kommunale Alkoholprävention geplant: Vertreter aus Politik, Schule und Gesundheit werden eingeladen.

Die Wirksamkeit solcher Präventionsprojekte sei wissenschaftlich bewiesen, stellte Stefan Jagonak, Mitarbeiter des Lukas Werkes, fest. Es komme auf Konstanz und Kontinuität an. »Bei Präventionsarbeit ist es vor allem wichtig, am Ball zu bleiben«, betonte er, und deshalb sei es gut, dass so viele Beteiligte an einem Tisch sitzen. Wer weitere Ideen hat, ist aufgerufen, sich zu melden. Einbeck sei in dieser Hinsicht ein Modellprojekt, die erste Kommune der Region, in der die Idee schon so weit gediehen und gut verwurzelt sei. Was hier umgesetzt werde, mache Schule, war er zuversichtlich.ek