Berufseinstieg auch mit Handicap

Agentur für Arbeit fördert Chancen junger Menschen mit anerkannter Lernschwäche

Für mehr Chancengleichheit von Menschen mit Handicap setzt sich die Agentur für Arbeit Göttingen ein. Im Rahmen einer Aktionswoche zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung wirbt die Agentur zum zweiten Mal für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung in der Arbeitswelt. In der Region liegt der Schwerpunkt dabei auf dem Beruf des Autofachwerkers (künftig: Fachpraktiker für Kfz-Mechatroniker), der Nachwuchskräften über den praktischen Bereich gute Chancen bietet.

Einbeck. Die Agentur für Arbeit Göttingen hat Nachwuchskräfte mit Handicap in den Fokus gerückt. Es gehe darum, auf Behinderungen aufmerksam zu machen, denn nicht immer sei damit der Rollstuhl verbunden, so Jessica Unterberg, Reha-Spezialistin und Arbeitsvermittlerin der Agentur für Arbeit. Auch eine anerkannte Lernschwäche sei eine Behinderung, und diese Jugendlichen schafften es nach dem Schulbesuch oft nicht, eine reguläre Vollausbildung zu absolvieren. Häufig würden sie von der Theorie beziehungsweise von der Berufsschule überfordert, die Praxis dagegen biete ihnen ein gutes Betätigungsfeld. Berufe sind der Autofachwerker und der Beikoch. »Junge Menschen brauchen die Chance auf eine Ausbildung, entweder im Betrieb oder mit einem Bildungsträger«, betont sie. »Der Autofachwerker beispielsweise ist ganz auf die Praxis zugeschnitten«, ergänzt Christine Gudd, Pressesprecherin der Agentur.

»Die Autofachwerker sind genau das, was der Betrieb braucht«, hebt Gerald Siegmund hervor. Er ist Betriebsleiter im Autohaus Peckmann und Lehrlingswart der Kfz-Innung. Die dreieinhalbjährige Ausbildung sehe für Kfz-Mechatroniker 14 Lernfelder vor. Der Autofachwerker erarbeitet sich in drei Ausbildungsjahren acht Lernfelder. »Sie können nicht alles, aber was sie können, können sie gut«, fassen Siegmund und Gudd zusammen. »Das ist eine anerkannte duale Ausbildung – im Betrieb, in der Berufsschule in einer eigenen Klasse in der BBS II in Northeim und mit überbetrieblichen Elementen«, erläutert Siegmund. Zum Abschluss gibt es statt eines Gesellenbriefes eine Ausbildungsbescheinigung. Ein Betrieb ohne Fachwerker sei »fast nicht vorstellbar«, ihr Wissen werde gebraucht, denn nicht alle Aufgaben müssten von einem hochqualifizierten Mechatroniker erledigt werden. Einsatzbereiche finde er in Autohäusern, bei Verwertungsfirmen, Reifendiensten oder an Tankstellen. Der Fachwerker sei bei seinen Kenntnissen vergleichbar mit dem Stand der Zwischenprüfung für Mechatroniker. »Die jungen Leute lernen zudem voneinander«, berichtet er aus der Praxis.

Wichtig, und da ist er mit der Agentur für Arbeit einig, sei es, die Arbeitgeber auf diese Möglichkeiten aufmerksam zu machen. So gebe es Fördermöglichkeiten, die es für Betriebe interessant machten, die Ausbildung anzubieten. Sie könnten vielleicht den entscheiden Anreiz geben für dieses Angebot. So ermuntert Gerald Siegmund die Betriebe, sich zu trauen. Hilfe gibt es auch bei der Innung. Die geringe Durchfallquote der Absolventen gibt dem Konzept Recht: »Alle sind sehr einsatzbereit, sie wachsen mit ihren Aufgaben, und die praktische Ausbildung motiviert zusätzlich.

Unterschiedlichste Aufgaben nehmen die angehenden Fachwerker im Autohaus Peckmann wahr – und es gefällt ihnen gut. So war Alexander Erbach, 18 Jahre alt und im ersten Lehrjahr, zunächst in der Waschhalle eingesetzt, inzwischen ist er bei Wartung und Reinigung tätig. Eugen Denk ist 24 und im dritten Lehrjahr, Lukas Otte, 19 Jahre alt, lernt im zweiten Jahr; nach einer Berufsvorbereitung bei der LEB Northeim hat er bei der ersten Ausbildungsmesse Kontakt zu Gerald Siegmund geknüpft, ein dreiwöchiges Praktikum absolviert und dann den Ausbildungsplatz bekommen, eine kleine Erfolgsgeschichte. Auch diese beiden haben im Moment Reinigung und Reifenwechsel auf dem täglichen Arbeitsprogramm, sie machen Unfallwagen sauber oder stehen für Fahrdienste bereit. Gemeinsam mit einem vierten Kollegen freuen sie sich über das gute Miteinander mit den Kollegen, in dem sie hier arbeiten, und über die interessanten Beschäftigungsmöglichkeiten.

»Es gibt viele Gründe, sich für mehr Chancengleichheit von Menschen mit Handicap zu engagieren«, führt Klaus-Dieter Gläser, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Göttingen, aus. »Beim Blick auf den Arbeitsmarkt ist ein ganz wichtiger Aspekt der, dass im Bereich der Menschen mit Handicap viele Talente darauf warten, ihre Fähigkeiten, ihre Leistungsbereitschaft und ihr Know How im Betrieb und im Team mit Kollegen unter Beweis zu stellen.« Diese Potenziale, so sein Rat, sollten sich Unternehmen nicht entgehen lassen, denn in vielen Bereichen sei der Fachkräftebedarf schon erkennbar. Damit die Ausbildung nicht an der Theorie scheitert, fördert die Agentur für Arbeit die Auszubildenden mit begleitenden Hilfen. Vor Ort ermöglicht die Deutsche Angestellten Akademie (DAA) bei Bedarf Stützunterricht.ek