»Bewegt Euch!«: Ein Appell an die Freunde beim Laufen

Süffisant und mit vielen Geschichten und Erlebnissen präsentierte sich Hajo Schumacher bei seiner Lesung im Alten Rathaus

»Laufen ist mehr als einen Fuß vor den anderen zu setzen«, erklärte Hajo Schumacher alias Achim Achilles auf Einladung der Organisatoren des Bierstadtlaufs bei seiner Lesung im Alten Rathaus. Freiheit und Natur könne jeder beim Joggen erleben, wenn einen nicht Hunde oder Nordic-Walker attackieren. Angetan war der laufende Journalist auch vom Einbecker Bier, das anscheinend ein Jungbrunnen für die Bevölkerung sei.

Einbeck. »Bewegt Euch! - Die Glücksphilosophie des Achim Achilles«, heißt das neue Buch von Hajo Schumacher, das er im Alten Rathaus mehr als 150 Zuhörern süffisant vorstellte. Zur Einstimmung hatte er mit einigen Sportlern und Lars Engelke, Organisator des Einbecker Bierstadtlaufs, am Nachmittag Einbeck laufend erkundet und bei seiner Gymnastik auf dem Marktplatz viele Blicke auf sich gezogen.

Hajo Schumacher freute sich, dass so viele Zuhörer zu seiner Buchvorstellung gekommen waren und dass er im Kreise von »Sportsfreunden« sei. Keiner scheine nach Winston Churchills Motto »No sports« zu leben. Ob Skat oder Kamasutra eine Sportart sei, wisse er nicht, doch sei von Amerikanern wissenschaftlich erwiesen worden, dass sich Sex in der Nacht vor einem Wettkampf bei vielen Frauen positiv auswirke, bei Männern hingegen negativ. Fortpflanzungsorgane bräuchten männliche Läufer ebenfalls nicht, so Schumacher, da sie nur Blut verbräuchten, das dann beim Sport in Herz, Lunge und Beinen nicht mehr zur Verfügung stehe. Wenn ein Läufer am Ende eines langen Wettkampfes sich dem Ziel nähere, gebe er oft erschöpfte und stumpfsinnige Töne von sich. Diese ähnelten »Carmina Burana«, so dass Carl Orff wohl auch ein Langstreckenläufer gewesen sein müsste, vermutete Schumacher.

Laufbekleidung helfe ebenfalls nicht - auch wenn sie teuer und farblich hervorstechend sei - schneller zu laufen, sondern nur regelmäßiges Training. Wenn sich Aktivisten mit mehr als 100 Kilogramm in hautengen XS-Dress zwängen, vor allem Nordic Walker, sei das weder gesundheitlich effektiv, noch schön anzusehen. Als Beispiel gab er Deniv aus Berlin an, dessen Eltern sich nicht einigen konnten, ob er Dennis oder Kevin heißen solle, und der bei 1,43 Metern 117 Kilogramm wiege und einen cw-Wert wie ein Plattenbau habe. Gemäß der Anweisung seines Arztes bewege er sich: mit Walken. Stöcke mit Öldruckdämpfern und die Verpflegung seiner Mutter Cindy, die bei einem 700 Meter Spaziergang aus zwei Flaschen Fanta und vielen Schokoriegeln besteht, helfe sicherlich ihn in einen Adonis zu verwandeln, schmunzelte Schumacher. Seine Schwester Shakira sei aber auch nicht besser, da sie sich übergewichtig in einen knappen Zweiteiler zwänge, dies als ästhetisch empfinde und herumposaune, dass sie »Extrem-sport« betreibe.

Einbeck habe ihm imponiert, so Schumacher, da es fast neben jedem Gebäude eine Kneipe gebe, die gute alte Zeit stehen geblieben zu sein scheine, die Menschen ein Lebenselixier namens Bier als Jungbrunnen hätten, dass es anscheinend täglich verabreicht werde und dass das Bock-Bier »direkt in der Birne« knallt. Weiter fand er die Werbung im Flyer für den Bierstadtlauf interessant, dort werde für Fitness in der Schlachthofstraße geworben, eine Apotheke preist sich mit dem Slogan »Ihre Gesundheit ist unser Bier« an, und bedruckte Frauenkörper sind im 80er-Jahre-Stil abgedruckt.

Sein Buch heißt »Bewegt Euch« und richtet sich an Rolltreppenfahrer, Kühlschrankumschleicher, Selbstoptimierer und Alltagsbedrückte, um aufzuzeigen, dass Sportler, die sich zum Laufen aufraffen, keine Therapien oder Wellness-Tempel mit Rauchkerzen und meditativer Musik brauchen, vor allem aber keine im Wald frei rumlaufenden Hunde oder Nordic Walker. Diese wedeln mit Stöcken im Wald umher, um auf potenzielle Rehe zu zeigen, attackieren dabei aber in bester Don Quichotte-Manier die sie passierenden Läufer. Auch könnten zwei »aktive« Walker eine undurchlässige Viererkette auf den Waldwegen aufbauen, die schwerer als die Abwehr der Deutschen Nationalmannschaft zu durchbrechen sei. Im Stakkato erklingende High-Tech-Stöcke, Stirnbänder, klumpige Schuhe, Karnevalsklamotten und Trinkgefäße wie Bernhardiner bei der Menschenrettung künden das Unheil der Walker an, so Schumacher, dem man schnellstmöglich aus dem Weg gehen sollte, um Unfälle sowie äußere und innere Schäden zu vermeiden, auch im Einbecker Nordic Walking-Park. Weiter seien die kenianischen Sportler so schnell, da sie den Winter und daher Skistöcke nicht kennen, so dass sie die Stöcke auch niemals zum »Wandern« einsetzen werden.

»Handy aus, Freunde treffen, gemeinsam laufen, quatschen und hinterher unbedingt ein kühles Bier«, das seien die Gründe, warum Bewegung das Grundnahrungsmittel für Körper, Geist und Seele sei. Früher wären Männer als Jäger und Sammler jeden Tag auf Achse gewesen, um für die Nahrung zu sorgen oder um vor Säbelzahntigern oder besonderen Wünschen der Frauen zu fliehen. Heute hingegen finde die sportliche Betätigung bei vielen auf dem Computer oder mit der Spielekonsole vor dem Fernseher statt, aber nicht in der Natur, die einen zu Freiheit, Freude und dem gemeinsam Erreichen eines sportlichen Ziels einlade.

Schumacher erläuterte, dass er in seiner Kindheit in Münster als Eisenbahnerkind zwar besser als Postbotennachwuchs angesehen wäre, aber nicht viel höher. Eine schwere Kindheit habe er gehabt, vor allem durch die unmännlichen Turnschlappen beim Kinderturnen, die ihm den Sport vermiesten. Erst ein Handballspiel in den 70ern brachte ihm die Erkenntnis, dass die Bevölkerung der Welt mit- und gegeninander fair agieren könnte, um Erfolge zu erzielen, nicht nur im Sport. Bei seinem ersten Spiel habe er sich mit seinen Segelschuhen, die mit Weckgummis notdürftig repariert waren, wie »Germanys next Joe Deckarm« gefühlt, gleichzeitg aber seinen Trainer zur Verzweiflung gebracht. Er habe schnell festgestellt, dass die komplexe Koordination beim Handball nicht seine Stärke war, da er erst warf und dann absprang. Darauf wechselte er zum Laufen, denn dort müsse nur ein Fuß vor den anderen gesetzt werden, wenn gerade kein Walker oder Hund in der Nähe ist. Von Diäten halte er nicht viel, da er nie das Gewicht und die Leistung eines kenianischen Läufers erreichen werde, doch wollte er es doch eventuell mal mit der Bockbierdiät probieren: Er werde dann zwar nicht schneller, doch das beschwingende Gefühl sei gut.

In jeder menschlicher DNA liege Bewegung, die beim Laufen ausgelebt werde, auch ohne teure Pulsuhr mit GPS-Messung, da »jeder laufende Meter in jedem Alter« ein besonderes Geschenk sei. Zwar könnten falsche Schuhe, zu viele Kenianer um einen herum, Übermotivation, zu enge Kompressionsstrümpfe, fettiges Essen oder ein Lieblingsgetränk wie »ABC« (»Asbach bissel Cola«) zu Einschränkungen führen, doch sei das »Laufen an sich« ein Ver-gnügen. Das Ausleben des täglichen Bewegungsdrangs fördere das »Fit sein«, nicht aber jede Autofahrt, auch wenn sie nur zwei Kilometer bis zur Schule dauere. »Bewegt Euch!« sei nicht nur ein Appell, sondern eine Einstellung, die jeder folgen sollte, um glücklich das Leben zu »erlaufen«.mru