Bildung ist mehr als das Wissen für die Million

Entlassungsfeier der Löns-Realschule / Angebot bieten, mit dem Schüler zurecht kommen / Abschluss öffnet Türen

Einbeck. Aus den Kindern, die am 30. August 2007 ihren ersten Schultag an der Löns-Realschule erlebten, sind junge Erwachsene geworden. Sie haben die Schule mit Erfolg absolviert, bei einer Feierstunde mit Zeugnisausgabe wurden sie jetzt entlassen.

Schulleiterin Claudia Miehe blickte zurück auf sechs Jahre, in denen dieser Jahrgang gearbeitet und gelernt habe. Für die Ergebnisse könne man die Schüler nun ehren. Die Zeit sei intensiv und anstrengend gewesen, geprägt von Hoffnungen, Wünschen und Enttäuschungen. Das erste wichtige Ziel hätten die Schüler erreicht, ihren Abschluss, der ihnen viele Türen öffne. Einige würden weiter zur Schule gehen, andere absolvierten eine Ausbildung. Für das, was komme, seien sie gut vorbereitet. Mit einem komischen Gefühl seien die 96 neuen Schüler 2007 gekommen, viele hätten ihnen seither hilfreich zur Seite gestanden: 48 Kollegen unterrichteten die vier Klassen innerhalb der sechs Jahre. In der Klasse und an der Schule hätten sich die meisten Schüler wohlgefühlt.

Die Schulleiterin verwies auf eine Bildungsstudie des Neuseeländers John Hattie, der herausgefunden hat, dass 136 Faktoren den Lernerfolg beeinflussen. Im Zentrum stehe der Lehrer, mit ihm komme und gehe der Erfolg. Er müsse die Klasse im Griff und den Einzelnen im Blick haben, er stehe für Fürsorge und Vertrauen. An der Löns-Realschule gebe es Kollegen, die diesem Ideal entsprechen würden, die es geschafft hätten, alles aus den Schüler herauszuholen - immerhin hätten 38 Jugendliche den Erweiterten Realschulabschluss. Dank sprach Claudia Miehe dem Landkreis aus, der im vergangenen Jahr viel Geld in die Modernisierung des Gebäudes gesteckt habe, das Lernumfeld habe dadurch gewonnen. Sie dankte auch den Eltern für ihre Unterstützung. Sie freue sich, wenn die Schüler in ein paar Jahren zu Klassentreffen zurückkommen würden, vielleicht dann nicht mehr in die Löns-Realschule, aber laut Hattie seien nicht Schulformen, sondern Menschen wichtig.

Er sei bei seinem eigenen Abschluss 1969 genau so erfreut und aufgeregt gewesen wie die Jugendlichen heute, erinnerte sich Landrat Michael Wickmann. Alle seien fest entschlossen, mit ihrem Leben etwas anzufangen, aktiv zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Chancen müsse man nicht nur sehen, sondern auch nutzen und umsetzen. Man müsse aus dem Wünschen herauskommen, auch wenn das weh tun könne, aber nach schwierigen Phasen kämen wieder schöne Strecken. Die Absolventen, so Wickmann weiter, seien in einer tollen Situation, denn es gebe noch 153 freie Ausbildungsplätze im Kreisgebiet - vor ein paar Jahren sei das anders gewesen. »Nutzt diese Chance«, forderte er sie auf. Junge Menschen hätten eine andere Methodik entwickelt, sich Wissen anzueignen. Nur einer dürfe sagen, wie Schule sein solle, die Schüler, und man müsse ihnen anbieten, wie sie Wissen aufnehmen könnten. Wie das Etikett vorn auf der Schule aussehe, sei ihm relativ egal, sagte der Landrat weiter. Wichtig sei, dass eine Symbiose aus Lehrern und Schülern entstehe, dass man ein größtmögliches Angebot biete - und das habe diese Schule mit Erfolg so getan. Der Name Löns-Realschule werde möglicherweise nicht bleiben, aber mit dem Namen des Heide-Dichters könne man schon etwas finden.

Mit Bildung beschäftigte sich Bernhard Melle in seiner Ansprache für die Lehrerschaft. Sie sei in aller Munde, es werde für mehr Bildung gestritten, sie sei wichtig für die Zukunft des Landes, und wer mehr Geld dafür fordere, habe das Publikum auf seiner Seite. Bildung sei aber nicht nur Faktenwissen, nicht nur das Bescheidwissen über auswendig Gelerntes. Bildung sei auch nicht die mentale Vorratskammer, aus der man als Kandidat bei Günther Jauch etwas abrufen könne für die Million, sie sei kein PC mit Schnellzugriff. Bildung habe man nicht, sondern man praktiziere sie fortlaufend. Wissen sei im Gegensatz dazu statisch. Den Bildungsbegriff, gültig für Bauern, Handwerker und Fürsten, habe Wilhelm von Humboldt im 18. Jahrhundert geprägt. Bildung sei ein natürliches Bedürfnis, sie verlange Eigentätigkeit und sei nicht auf die technische Funktion zu reduzieren.

Auf das sinkende Rechtschreibniveau ging Bernhard Melle weiter ein: Rechtschreibung sei eine Grundfähigkeit, die das Tür zur Welt der Bildung öffne. »Wer zu wenig liest, bekommt zu wenig mit«, warnte er, das gelte auch für das Internet. Bildung sei dazu da, geistige, soziale und kulturelle Fähigkeiten zu formen. Die Schüler müssten über übertragbares Wissen und Methoden verfügen. Die Schule habe die Grundlagen dafür gelegt. Sie habe über den Unterricht hinaus vielseitige Fähigkeiten gefördert, ohne die die Gesellschaft arm wäre. Bildung sei nicht nur auf Schule, Universität und Beruf begrenzt. Auch Muße, Genuss und Geselligkeit gehörten dazu - er wünsche den Schülern, dass ihnen das gelinge.

Lebenslanges Lernen sei noch nie so wichtig wie heute gewesen, hob Elternvertreterin Stephanie Ritschel hervor. Lernen sei wie rudern gegen den Strom: Wer aufhöre, treibe zurück. Für viele hätten sich die Erwartungen eines guten Abschlusses erfüllt, jetzt beginne ein neuer Abschnitt. Wer dabei Orientierungshilfe brauche, sollte sich an die Eltern wenden: »Sie sind die, die euch am längsten kennen und denen ihr vertrauen könnt«. Die Klassen verabschiedeten sich mit einem lachenden und einem weinenden Auge, sagte Schülervertreter Louis Fis Francia, Klasse 10a. Schüler, Lehrer und Eltern könnten sich an diesem Tag gleichermaßen freuen - das Zeugnis in der Hand zu halten, entspanne die Schüler besonders. Geehrt wurden zahlreiche Schüler für ihren Einsatz in der Bücherei, im Schulsozialdienst oder in der Schülerfirma.

Als beste Schülerin erzielte Jella Kriehn einen Notendurchschnitt von 1,6. Als bester Schüler hat Hendrik Stein mit 2,2 abgeschnitten.ek