Brauhaus-Vorstand und Aufsichtsrat im Gegenwind

Aktionärsversammlung | Drittes Geschäftsjahr in Folge ohne Dividende | Markt schlecht, Maßnahmen kritisiert

Einbeck. Der Auftakt war heftig, der Verlauf nicht weniger: Zur Aktionärsversammlung hatte das Einbecker Brauhaus jetzt eingeladen, und schon vor dem Bericht von Vorstandssprecher Lothar Gauß attackierten Aktionäre das Unternehmen. Eingebettet in formale Fragen, blieben auch persönliche Attacken gegen Vorstand, Aufsichtsrat und den Aufsichtsratsvorsitzenden nicht aus. Neben aller Kritik musste der Vorstand erneut erläutern, warum es im dritten Jahr in Folge keine Dividende gibt.

Angesichts der durch einzelne Beiträge zur Eröffnung der Versammlung schon etwas gereizten Stimmung hatte es Vorstandssprecher Lothar Gauß mit seinen Ausführungen nicht leicht. Die Entwicklungen auf dem deutschen Biermarkt hätten sich fortgesetzt, stellte er fest. Mit 96,9 Millionen Hektoliter wurde der niedrigste Ausstoß seit der Wiedervereinigung gezählt. Der Pro-Kopf-Umsatz sank in den vergangenen sieben Jahren um 9,1 Liter. Demografischer Wandel, alkoholische Regelungen des Gesetzgebers, veränderte Konsum- und Trinkgewohnheiten, das Rauchverbot in Gaststätten und freiwillige Selbstbeschränkungen der Brauereien im Bereich Werbung trugen dazu bei. Ausufernde Zugabe- und Rabattaktionen haben den Preis pro Kasten immer weiter nach unten gezogen. Ein »Fernsehbier« sei teilweise für nur 56 Prozent des Normalverkaufspreises zu haben. Dieser niedrige Preis, bedauerte Gauß, bleibe allerdings im Gedächtnis der Verbraucher haften. Der verschärfte Wettbewerb habe sich auch auf das Unternehmen ausgewirkt. Der Gesamtabsatz betrug 689.000 Hektoliter, er lag um 42.000 Hektoliter oder 5,8 Prozent unter dem Vorjahr. Bei den Eigenmarken gab es ein Absatz-Minus um 6,9 Prozent, bei Bieren im oberen Preissegment wie den Bockbieren waren es 2,4 Prozent weniger. Im Mittelpreissegment hat Einbecker 7,5 Prozent verloren. Unter Druck stand auch Nörten-Hardenberger, was zu überproportionalen Verlusten führte. Neu eingeführt wurde Nörten-Hardenberger Fassbrause, dieses Sommergetränk sei gut angelaufen, ein kleiner Hoffnungsträger.

Beim Export werde man sich vornehmlich auf eigene Marken konzentrieren. Dahinter stehe eine veränderte Philosophie: Man wolle nicht ein großes Rad drehen, sondern mit Bierverkauf Geld verdienen, »Wir streben Ertrag an.«

Seit Dezember werden Einbecker-Aktien an der Mittelstandsbörse Deutschland gehandelt. Damit vermeide man unter anderem ständig steigende Publikationsanforderungen und die damit verbundenen Kosten. Die Bilanzsumme verringerte sich um 2,8 Millionen Euro auf 31,5 Millionen Euro. Das Anlagevermögen ging um 20 Millionen Euro zurück. 1,4 Millionen Euro wurden unter anderem für den neuen 30-er Kasten und die zugehörigen Flaschen investiert. Die Umsatzerlöse betrugen 39 Millionen Euro, sie lagen um 4,2 Prozent unter dem Vorjahreswert. Sie hob sich allerdings positiv von der Absatzentwicklung ab. Die Verschuldung konnte innerhalb von zwei Jahren halbiert werden. Der Materialaufwand reduzierte sich um 4,0 Prozent auf 9,9 Millionen Euro, wobei die Rohstoffpreise stärker zulegten, als man durch Sparmaßnahmen kompensieren konnte. Das Personal wurde um knapp zehn Prozent reduziert. Nach drei Verlustjahren gab es im abgelaufenen Geschäftsjahr einen geringen Jahresüberschuss in Höhe von 91.225,98 Euro, »im Prinzip ‘ne schwarze Null«, so Gauß. Mit dem Jahresabschuss, räumte er aber ein, sei man nicht zufrieden. In den vergangenen beiden Jahren hätten die Aktionäre allen Maßnahmen zugestimmt, um die Gesellschaft in einem schwierigen Biermarkt in eine gesicherte Zukunft zu führen.  Ohne sie wäre das Ergebnis »rot« gewesen. Man habe die Grundlage für Überschüsse geschaffen, und bis Mitte letzten Jahres habe sich das Unternehmen auf einem guten Weg befunden. Aber der Überschuss von rund 500.000 Euro wurde im traditionell schwächeren zweiten Halbjahr nahezu aufgebraucht. Gründe waren die Absatzentwicklung in Deutschland in November und Dezember – minus 11,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Außerdem gab es drei Insolvenzen, die das Unternehmen betroffen haben und die zu Wertberichtigungen führten. Die Insolvenzen haben den Abschluss mit 300.000 Euro belastet. Weiter nahm Gauß Stellung zur Übernahme von Härke in Peine. Hier wurde eine BrauManufaktur gegründet. Derzeit sind 16 Mitarbeiter beschäftigt. Das Konzept sieht vor, Bierbrauen für Besucher erlebbar zu machen. Abfüllung und Logistik werden weiter von Einbeck aus erfolgen. Zu entscheiden hatten die Aktionäre über den Abschluss des Gewinnabführungsvertrag mit der BrauManufaktur Härke.

Das Geschäftsjahr 2013 habe gut begonnen, fuhr Gauß fort, allerdings ging es mit den Zahlen von Februar bis Mai steil bergab. Dabei schnitt Einbecker zwar besser ab als der Markt, das erwirtschaftetet Ergebnis sei allerdings negativ. »Kräftig Absatz verloren« habe man unter anderem bei Mai-Ur-Bock. Im oberen Mittelpreissegment – Pilsener, Landbier und Mischgetränken – gab es ein Absatzplus von 1,3 Prozent. Mit Hilfe von Marktforschung habe man sich neu positioniert. Auf der Basis von Kundenzustimmung wurde eine neue Verpackung entwickelt, der neue Steinie-Kasten. Das Etikett wurde überarbeitet, die Werbung zielt ab auf »Einbeck-Heimat der guten Biere«. Mit der Änderung der Homepage sei schließlich die Neugestaltung des Markenauftritts vorerst abgeschlossen.

Das Brauhaus werde alle Anstrengungen unternehmen um am Jahresende ein möglichst ausgeglichenes Unternehmensergebnis zu erwirtschaften. »Ob uns das gelingt, ist aber offen«, sagte Gauß. Der bisherige Witterungsverlauf habe das Geschäft »äußerst negativ« beeinflusst. Im zurückliegenden Halbjahr wurde im operativen Geschäft ein deutlicher Verlust von 531.000 Euro erzielt. Ein Ausgleich bis zum Jahresende werde schwer sein. Zum 1. August kündigte er höhere Abgabepreise für die meisten Produkte an – die erste seit 2008. Was man nicht tun werde, sei, mit Preissenkungen auf Absatzrückgänge zu reagieren. Weitere Einsparungen seien nur noch in geringem Umfang möglich. Eine Effizienzsteigerung stehe bei Produktions-, Abfüll- und Logistikaktivitäten an. Der Masterplan dazu greife für die nächsten drei bis vier Jahre.

Schon vor der Versammlung, aber auch in der  Aussprache sahen sich Vorstand und Aufsichtsrat erheblicher Kritik ausgesetzt: Von schlechter Organisation war die Rede, davon, dass Voraussetzungen nur minimal erfüllt würden, dass Aktionäre vor der Versammlung keinen Imbiss bekämen. »Wenn wir mittags um 3 eine aufgekochte Gulaschsuppe kriegen, sind Sie mit Ihrem Kopf reif«, nicht nur diese Drohung musste sich Aufsichtsratsvorsitzender Robert Depner anhören. »Ich warne Sie davor, mich zu warnen«, in diesem Stil ging es – zeitraubend – weiter. Der Aufsichtsratsvorsitzende musste sich ein »lümmelhafte Art« vorwerfen lassen, er sei ungeeignet, die Versammlung zu führen. »Ab nach Saarbrücken« wollten andere Versammlungsteilnehmer den schärfsten Depner-Kritiker schicken.

Andere Aktionäre analysierten den Zustand der Gesellschaft inhaltsreicher: »Wir haben schlecht abgeschnitten, das liegt an der Branche und an den Maßnahmen.« Die letzte Dividende wurde 2009 gezahlt, und auch diesmal sei nicht mit einer Zahlung zu rechnen. Die Ankündigung, dividendenfähig zu werden, habe sich nicht erfüllt. Gegen 15 Uhr wurde die Versammlung für die Mittagspause unterbrochen. Über das Abstimmungsergebnis wird später berichtet.oh