Darmkrebs ist gefährlich, aber gut zu behandeln

Vortrag bei der Rheuma-Liga Einbeck | Dr. Tobias Meister spricht über Diagnose, Therapie und Vorbeugung

Man kann eher von einer Volkskrankheit als von einem Nischenleiden sprechen: Darmkrebs ist sowohl bei Frauen als auch bei Männern eine häufige Tumorerkrankung. »Neues aus Diag­nostik, Therapie und Vorbeugung« hat jetzt Privat-Dozent Dr. Tobias Meister, Chefarzt Innere Medizin II der Albert-Schweitzer-Helios-Klinik Northeim, bei der Einbecker Rheuma-Liga vorgestellt. Das Interesse war groß, und der Mediziner schilderte anschaulich, wie mit der Krankheit umzugehen ist.

Einbeck. Die Bedeutung des Themas hob der Vorsitzende der Einbecker Rheuma-Liga, Professor Dr. Dietmar Urbach, hervor. Der Darm sei mit fünf Metern Länge und über 30 Quadratmetern Fläche ein großes und wichtiges Organ. Man freue sich, einen hochqualifizierten Referenten gewonnen zu haben.

Vor allem Ältere seien betroffen, so Dr. Tobias Meister. Das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, liege bei sechs Prozent, jeder 17. Deutsche erkranke im Lauf seines Lebens daran – vier Millionen Patienten seien betroffen. Bei den Männern rangiere Darmkrebs auf Platz 3 bei den Neuerkrankungen, bei Frauen auf Platz 2. Jährlich gebe es 64.000 neue Fälle, und 24.000 Menschen würden daran sterben.

Eine Ursache für Darmkrebs sei eine genetische Belastung, daran könne man nichts ändern. Es gebe allerdings auch weitere Faktoren. Wenn unter diesem Einfluss die Zellen beschädigt seien, könne es zu Wucherungen, dann zu kleinen Polypen und schließlich zu Krebs kommen. Zwischen der Zellwucherung und dem Krebs könnten zehn bis 15 Jahre vergehen. So bleibe genügend Zeit, bei Bedarf einzugreifen und die Schädigungen zu entfernen. Polypen im Dickdarm, die als potenzielle Krebsvorstufe anzusehen seien, würden dabei entfernt. Entsprechend wichtig sei die Darmkrebsvorsorge, die die Sterblichkeit deutlich verringere.

Verdachtsmomente seien Blut im Stuhl, Bauchschmerzen, Gewichtsverlust, Blutarmut und sogenannte paradoxe Diarrhöe, ein Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung. Zwei Drittel der Erkrankungen seien im linken Unterbauch beziehungsweise im Mastdarm zu finden, der Rest verteile sich auf die weitere Länge des Darms. Der Krebs könne lange unbemerkt wachsen, unter anderem, weil die Darmschleimhaut keine Nerven habe, die schmerzen könnten. Schließlich sei das Darmvolumen eingeengt, und bei Kontakt beginne es zu bluten. Sogenanntes okkultes Blut, das zunächst nicht zu sehen sei, könne mit Testbriefchen nachgewiesen werden. Ab dem 50. Lebensjahr empfehle sich ein jährlicher Test mit Stuhlprobe. Ab dem 55. Lebensjahr kann die von der Krankenkasse bezahlte erste Darmspiegelung stattfinden. Wenn keine Beschwerden auftreten und keine Polypen gefunden werden, sollte sie nach zehn Jahren wiederholt werden - bei Befunden in Absprache mit dem Arzt auch früher. Gibt es einen nahen Verwandten mit einer Darmkrebserkrankung, sollte die erste Spiegelung zehn Jahre vor dem Alter erfolgen, in dem die Krankheit bei ihm festgestellt wurde, spätestens aber mit 40.

Risikofaktoren sind Darmpolypen, chronische Darmentzündungen, Ernährungsgewohnheiten, Rauchen und die genetische Vorbelastung. Nichtrauchen, wenig Alkohol und die Vermeidung von Übergewicht und Bewegungsmangel können sich positiv auswirken; ebenso wichtig ist gesunde Ernährung, bei der man nicht täglich rotes Fleisch beziehungsweise Wurst- und Räucherprodukte verzehrt. Zum kompletten Verzicht hielt der Mediziner nicht an, aber man sollte maximal 600 Gramm pro Woche beziehungsweise ein bis zwei Portionen essen: »Die Dosis macht das Gift.« Eine vitamin- und faserreiche Ernährung wird empfohlen; nicht sinnvoll sind dagegen Aspirin, Statine oder Cox2-Hemmer.

Bei der Darmspiegelung sieht der Arzt, ob es Veränderungen gibt. Kleine Vorstufen lassen sich gleich wegnehmen. Eine Spiegelung sollte zügig, aber nicht zu schnell verlaufen, denn der Darm hat viele Falten; bis zu 90 Prozent der Fläche könne man aber untersuchen. Eine »Detektionsrate« von mindestens 20 Prozent sollte als Qualitätsmerkmal einer Spiegelung eingehalten werden. Die Effektivität der sogenannten Koloskopie sei erwiesen, betonte er, auch wenn eine Spiegelung ein Risiko sein könne. Es gebe aber weniger Krebsfälle und weniger Tote. Jedoch würden nur 20 Prozent der Frauen zur Vorsorge gehen, und bei Männern sei der Anteil noch geringer.

Damit viel zu sehen sei, müsse der Patient abgeführt haben. Das sei zwar mitunter ein Gräuel, aber dennoch gut investiert. Es gebe verschiedene Präparate mit annehmbaren Geschmacksvarianten, die er, in kleinen Mengen, zum Probieren mitgebracht hatte. Hilfreich sei es außerdem, wenn man etwa eine Woche vor dem Termin die Ernährung umstelle, beispielsweise auf mehr Weißbrot.

Die Spiegelung sei nicht schmerzhaft. Er habe aber Verständnis, wenn der Patient sich für eine Narkose entscheide. Mit modernen Medikamenten sei man schnell wieder fit. »Die Spiegelung sollte ihren Schrecken verloren haben, das ist eine sinnvolle Sache für Ihre Gesundheit«. Eine Alternative gebe es nicht, ein CT beispielsweise könne solche Ergebnisse nicht liefern.

Wenn Darmkrebs diagnostiziert wird, lassen sich Tumore im Frühstadium endoskopisch entfernen, beispielsweise mit Hilfe einer Schlinge auf einem Wasserkissen. Nach dem Eingriff erfolge die Heilung schnell. Mit Hilfe von Kohlendioxid könne man den Darm entfalten, so dass man mehr sehen könne. Anders als Luft diffundiere das Gas während der Untersuchung durch die Darmwand, das sei angenehmer als ein Bauch voller Luft.

Weitere Möglichkeiten sind Operation, Bestrahlung und Chemotherapie. Und selbst bei inoperablen Situationen könne man den Patienten palliativ behandeln. Die Therapie lohne sich in jeder Phase. Das Operationsverfahren richte sich danach, wo der Tumor sitze. Eventuell sei ein künstlicher Ausgang notwendig, aber auch diese Situation sei inzwischen weitgehend ohne Einschränkung der Lebensqualität möglich. Die Heilung sei abhängig davon, wo der Krebs sich ausgebreitet habe. Wenn Lymphknoten befallen sind, ist eine Chemotherapie angezeigt, die wirksam und gut verträglich ist. Schwierig könne es werden, wenn der Krebs schon in der Leber nachzuweisen sei, aber selbst das sei inzwischen kein Todesurteil mehr.

Darmkrebs, fasste Dr. Meister zusammen, sei nicht selten. Er sei vermeidbar, vor allem dann, wenn man auf Vorsorge setze. Er sei allerdings auch nicht immer heilbar. Es sei aber möglich, Patienten nach neuesten Erkenntnissen bestens zu behandeln.

Die Rheuma-Liga bietet ihren rund 900 Mitgliedern in der Region nicht nur medizinische Vorträge, die, so das Versprechen von Professor Urbach, fortgesetzt werden, sondern auch weitere Veranstaltungen: Der stellvertretende Vorsitzende Udo Bertram kündigte für März eine Fahrt zu Dr. Oetker nach Bielefeld an.ek