Das gütige Lächeln verbirgt das Grauen

Schwarze Komödie: »Bühnenstürmer« spielen »Arsen und Spitzenhäubchen« im Zelttheater am Köppenweg

Geglückte Premiere und viel Applaus im voll­besetzten Zelt: Die »Bühnenstürmer« haben mit ihrem jüngsten Stück »Arsen und Spitzenhäubchen« die Zuschauer begeistert.

Abby und Martha Brewster sind zwei reizende ältere Damen. Sie legen großen Wert auf gute Umgangsformen, auf christ-liche Werte – und ab und zu auf Gastfreundschaft bei einem Glas Holunderwein. Allerdings versetzen sie diese kleine Erfrischung mit einem Giftmix, und so haben sie über die Jahre im Keller ihres Hauses in Brooklyn einen kleinen Friedhof anlegen müssen. Mit »Arsen und Spitzenhäubchen«, der schwarzen Komödie von Joseph Kesselring, feierten die »Bühnenstürmer« im Einbecker Zelttheater auf dem Gelände von »La Casa« am Köppenweg jetzt Premiere. Bis zum 16. Juni ist dieses Stück noch mehrfach zu sehen.

Einbeck. »Was ist Theater?«, mit dieser Frage begrüßte Klaus Hamann, der auch Regie führt, die Besucher der ausverkauften Premierenvorstellung. Man erzähle anderen eine Geschichte, spiele etwas vor, was lustig oder traurig sei, was täglich passieren könne oder was der Fantasie oder den Träumen entspringe. Theater sei ein kreativer Prozess. Das Publikum habe dabei eine wichtige Rolle. Das Zelttheater, das jetzt in seine siebte Saison gehe, habe sich als fester kultureller Bestandteil in Einbeck etabliert.

Ein friedliches Zuhause haben die Brewsters im New Yorker Stadtteil Brooklyn, friedlich wie ein Friedhof. Spendabel und großzügig sind sie, wohltätig, sie finden immer Menschen, denen sie helfen können. Das stellen die beiden Polizeibeamten Miss Klein und O’Hara fest, als sie wieder einmal dorthin gerufen werden. Abby und Martha Brewster leben hier zusammen mit ihrem etwas gestörten Neffen Teddy, der sich für Präsident Roosevelt hält. Mit einem Trompetensignal ruft er regelmäßig den Kongress zusammen, und das bringt regelmäßig die Polizei auf den Plan. Ein weiterer Neffe, Mortimer, ist regelmäßig zu Besuch, und beim jüngsten Besuch hat der Theaterkritiker gute Nachrichten: Er hat Elaine Harper geheiratet, die Pastorentochter aus der Nachbarschaft.

Doch Mortimers Freude weicht einem Schock: In einer Truhe im Wohnzimmer findet er eine Leiche. Das sei, beruhigen ihn die Tanten, Adam Hoskins, »vergiss es einfach, mach’ dir keine dummen Sorgen.« Mortimer hat sofort Teddy im Verdacht, dass der im Präsidenten-Wahn zu weit gegangen sein könnte. Indirekt hat er tatsächlich etwas damit zu tun, denn er hebt im Keller eifrig »Schleusen« für den Panama-Kanal aus – denkt er jedenfalls. Tatsächlich sind das die Gräber für die alleinstehenden älteren Herren, die die Tanten mit Holunderwein und einer Giftmischung aus Arsen, Strychnin und Zyankali »um die Ecke« bringen. »Sie tun uns so unendlich leid«, so ihre Begründung. Den armen alten Leuten, ob es inzwischen elf oder zwölf sind, darüber streiten die alten Damen, wollten sie zu Frieden verhelfen, sie sehen ihre Taten als Wohltätigkeit, als Werk der Nächstenliebe. Und der Holunderwein sei mit der Giftmischung »köstlich«; im Tee dagegen rieche sie etwas unangenehm.

Angesichts dieser Umstände möchte Mortimer, dass Teddy sofort ins Heim kommt. Dafür fehlt nur noch eine Unterschrift, die Dr. Gipps einholen soll. Alt und einsam, ist der Mediziner das nächste potenzielle Opfer der Tanten, was Mortimer gerade so verhindern kann.

Als wären dies noch nicht genügend skurrile Figuren in einer Familie, gibt es einen weiteren Neffen, Jonathan. Der taucht nun buchstäblich über Nacht bei den Brewsters auf, denn er braucht Unterschlupf. Begleitet wird er von Dr. Einstein, einer Chirurgin, die »neue Gesichter« macht, und von einer noch warmen Leiche im Auto. Das ehemalige Labor von Vater Brewster, der Arzt war, möchten sie zum OP machen, denn es muss noch etwas an Jonathan herumgeschnippelt werden, der aktuell aussieht wie Frankenstein. Darüber hinaus sieht Dr. Einstein hier ein gutes Geschäftsmodell: In Brooklyn brauchten viele ein neues Gesicht. So gibt es zwei Leichen, aber nur eine ausgehobene »Schleuse«, das kann schon mal ein bisschen unübersichtlich werden – geradezu mit Gedränge in der Truhe beziehungsweise auf der Kellertreppe.

Die Leichen sorgen darüberhinaus für Zwist in der Familie: Sollte Jonathan tatsächlich eine Leiche mehr vorzuweisen haben als die Tanten? Denn er hat allerhand auf dem Kerbholz, wie langsam deutlich wird. Immerhin sorgen sich die Tanten um ihre Toten, denn sie geben ihnen ein gutes methodistisches Begräbnis.

Dass er Jonathan auf die Spur gekommen ist, wird Mortimer fast zum Verhängnis: Unter der Vorgabe, ein Theaterstück nachzuspielen, wird er von seinem Bruder und Dr. Einstein gefesselt und geknebelt – und die Polizei versteht bei ihrem Besuch überhaupt nichts, geht ihm vielmehr zunächst sogar auf den Lein.

Doch schließlich klärt sich alles zum Guten auf: Jonathan geht ins Gefängnis, die Tanten gehen ins Heim, begleitet von Dr. Witherspoon, Teddy geht auf Safari – und Mortimer erfährt, dass er gar nichts mit dieser schrillen Sippe zu tun hat, sondern dass er adoptiert wurde. Da wird auch seine junge Braut Elaine wieder anschmiegsam, und beide freuen sich auf die Hochzeitsreise.

Gespielt haben Heidi Lufft, Jan Phillip Zillich, Robin York Schieweck, Conny Anders, Klaus Hamann, Marleen Lange, Axel Traupe, Felicia Herbst und Said Othmann, teilweise sogar in Doppelrollen. Die Gegebenheiten eines Theaterzelts haben die Schauspieler hervorragend in die Komödie eingebaut, und sie haben so bewiesen, dass auch auf kleinem (Bühnen-)Raum Platz ist für kreatives Theater, das mit viel Liebe zum Detail glänzt. Das Stück, in der Verfilmung mit Cary Grant, Priscilla Lane und Peter Lorre ein großer Erfolg, stammt aus den 1940er Jahren. Die »Bühnenstürmer« haben es flott, zeitgemäß, mit Witz und sehr unterhaltsam gespielt – und zu Recht begeisterten Beifall erhalten.

»Arsen und Spitzenhäubchen« ist noch ­einmal zu sehen am kommenden Sonnabend, 9. Juni, ab 20 Uhr, am kommenden Sonntag, 10. Juni, ab 18 Uhr sowie am folgenden Sonnabend, 16. Juni, ab 20 Uhr. Weitere Stücke der »Bühnenstürmer« sind am Freitag, 8. Juni, ab 16 Uhr »Ali Baba und die 40 Räuber« und am Donnerstag, 14. Juni, ab 20 Uhr »Liebe/Lähmung«. Zu Gast sind das Trommelensemble »Metro« am Montag ab 11 Uhr und die »Stillen Hunde« aus Göttingen am Freitag, 15. Juni, ab 16 Uhr mit »Der gestiefelte Kater« und dann ab 20 Uhr mit »Tartuffe«. Im Bistro »Panaché«, Köppenweg 3, sowie unter www.diebuehnenstuermer.de bekommt man Karten.ek