»Das ist Arbeit, Aufgabe und Freude zugleich«

Baptistengemeinde engagiert sich für Flüchtlinge in Einbeck - und ruft andere auf, sich anzuschließen | Runder Tisch

Mitte Oktober hat der Ausschuss für Jugend, Familie und Soziales empfohlen, einen Runden Tisch einzurichten, der sich mit Fragen der Flüchtlingsbetreuung beschäftigt. Noch vor Weihnachten soll das erste Zusammentreffen stattfinden. Zwar ist für Flüchtlingsbetreuung vom Gesetz her der Landkreis zuständig, der die finanziellen Voraussetzungen schafft, um die Grundbedürfnisse zu erfüllen. Das Überleben ist damit gesichert, aber die Menschen brauchen mehr.

Einbeck. Dieser Gedanke soll aber nicht erst am Runden Tisch aufgegriffen werden, sondern in der Evangelisch-freikirchlichen Gemeinde gibt es schon jetzt eine intensive kirchlich-diakonische Arbeit mit Flüchtlingen. Das erläuterten jetzt Pastor Thomas Klammt, Rolf Sturhahn, ehemaliger Pastor und pensionierter Lehrer, und Heidrun Hoffmann-Taufall, Ratsmitglied und in der Gemeinde engagiert. Seit rund einem Jahr kümmern sie sich um Menschen, die beispielsweise aus Kriegsgebieten nach Einbeck kommen und Hilfe brauchen. »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, er möchte auch soziale Kontakte und wünscht sich, eingebunden zu sein«, weiß die Gemeinde.

Das Kümmern sei eine Daueraufgabe, so Thomas Klammt – »und in diesem Fall haben wir nicht danach gesucht, sondern sie ist zu uns gekommen. Manchmal kommen Dinge eben ins Haus, auch wenn sie über die Gemeinde hinaus gehen.« In diesem Fall hat sich ein iranisches Ehepaar gemeldet, das christliche Gemeinschaft gesucht hat. Daraus ist ein internationaler Bibelkreis geworden, an dem zehn bis 15 Menschen aus fünf verschiedenen Ländern teilnehmen.

Für die Flüchtlinge sei es wichtig, dass sie aufgefangen und begleitet würden, dass sie Antworten auf akute Fragen bekämen und dass man auf ihre Bedürfnisse eingehe. »Hilfe ist möglich«, das hat die Gemeinde erfahren. Sie kann die Begleitung und das Mitgehen umfassen, aber auch elementare Dinge. So hat Rolf Sturhahn einen Deutschkurs gegeben. Als ehemaliger Lehrer hatte er Freude daran, und mit Material hat ihn seine Tochter, Rektorin von Beruf, unterstützt. Gemeinsam wurden auch die Gottesdienste besucht, und so entstanden Kontakte zu anderen Gemeindemitgliedern. Wichtig für die Integration ist auch der Schulbesuch der Kinder. Praktische Hilfe konnte ebenfalls geleistet werden: Da wurde mal die Bohrmaschine angesetzt, um die Gardinenstange zu montieren. »Das ist ja super«, über dieses spontane Lob habe er sich sehr gefreut, berichtete Rolf Sturhahn. Der Deutschkurs dauerte bis zum Sommer, der Bibelkurs hilft den Teilnehmern nun, die deutsche Sprache weiter zu erlernen. »Gottesdienst und Gemeinschaft spielen eine große Rolle«, so die positive Erfahrung. Allerdings haben die Beteiligten bei der ehrenamtlichen Betreuung auch festgestellt: »Man kommt an Grenzen.«

Es seien jedoch viele Helfer da, die Unterstützung anbieten und beispielsweise Fahrdienste organisieren. »Wo man willkommen ist, da geht man gern hin«, das sollten die Flüchtlinge spüren. Manche seien einsam hier, hätten keine Kontakte, seien ohne Sprachkenntnisse – das sei echte Not. Gerade dort müsse man einhaken und unbedingt Deutschkurse anbieten. Das geht zunächst nur auf privater Basis, denn solange der Status der Flüchtlinge ungeklärt ist, haben sie keinen Anspruch auf einen – bezahlten – Deutschkurs. Umso wichtiger ist privates Engagement wie in diesem Fall. Rolf Sturhahn ist gern bereit, einen weiteren Kurs anzubieten. »Aber auch für uns ist das ein wertvoller Austausch«, betonte Pastor Klammt: »Wir lernen etwas, denn sie haben etwas zu geben und tragen etwas zu unserem Leben bei.« Das kann ganz praktisch ein neues Gericht beim Gemeindemittagessen sein, über das sich alle freuen. Darüber hinaus sollte man die Flüchtlinge als Chance ansehen: Viele von ihnen seien gut qualifiziert, könnten also helfen, den Fachkräftemangel zu beseitigen, oder im Bereich Pflege könnte man sie in Arbeit bringen. Voraussetzungen dafür sind aber Sprachkenntnisse. Zudem sollten Asylverfahren schneller abgeschlossen werden. Über vielen stehe eine drohende Abschiebung über Monate oder gar Jahre, das sei sehr belastend.

Die Baptistengemeinde möchte aus ihren guten Erfahrungen heraus andere aufrufen, sich an diesen Hilfe zu beteiligen. Bessere Vernetzung der Angebote ist dabei ebenso wichtig wie eine breite Basis. Wer sich am Runden Tisch »Integration/Flüchtlingsarbeit« beteiligen möchte, kann sich beim Fachbereichsleiter Soziales in der Einbecker Stadtverwaltung, Arnd Severidt, melden, Telefon 05561/916-401.

»Es wäre ein echter Traum, wenn wir mehr anbieten könnten«, so Pastor Klammt. Nachzudenken wäre beispielsweise über ein Freiwilliges Soziales Jahr für diesen Bereich. Die Gemeinde mit ihren 130 Mitgliedern jedenfalls habe profitiert, sie sei belebt worden, und sie habe ihre Kraft gut eingesetzt. Menschlichkeit zeigen, das gehe auch ohne große Politik. »Das war und ist für uns Arbeit, Aufgabe und Freude.« ek