Das Steinhaus wurde vor 100 Jahren zum dritten Mal erbaut

1317 erbaut / Wiederaufbau nach 1600 / doppelte Bürgerpflicht / Gasse führte durchs Haus / Schatzversteck

Alle Einbecker kennen das steinerne Haus am Marktplatz. Seine Besonderheit ist der Torweg zur Judenstraße, der durch das Haus hindurch bis zum Pfänderwinkel führt. Hier befindet sich eine lateinische Inschriftentafel, die an die Geschichte des Hauses erinnert. Darauf ist zu lesen, dass es 1317 von Hans von Junge »von neuem, von Grund aus, aufgebaut« wurde. Häuser aus Stein waren im Mittelalter eine Besonderheit, die von den Mitbürgern nicht unbedingt gern gesehen wurden, weil sie sich zu sehr von den anderen Bauten abhoben. Es gab in anderen Städten sogar Fälle, dass solche Steinhäuser von wutentbrannten Bürgern wegen des Gleichheitsgrundsatzes wieder niedergerissen wurden.

Einbeck. Das erste Steinhaus stand mehr als 200 Jahre lang auf dem Marktplatz. Schon damals gab es die kleine Gasse, die durch das Haus führte. Hierzu gab es eine zweite lateinische Inschrift, nach der die Familie von Dassel die kleine Straße »zum gemeinen Besten im Jahre 1460 bewilliget hat«.

1540 zerstörte der große Brand die gesamte Stadt und damit auch das Steinhaus. Es wurde zunächst nicht wieder aufgebaut. Das Grundstück stand mehr etwa 60 Jahre wüst, bis die Besitzer an gleicher Stelle ein neues Steinhaus, wieder mit einem Torweg, erbauen ließen. Wegen seiner Größe – das Haus erstreckte sich über zwei Häuserbreiten – mussten die Besitzer die doppelte Bürgerpflicht leisten. Bis 1803, also fast 500 Jahre, war das Haus (und sein Vorgängerbau) im Besitz derer von Dassel. Dann verkauften sie es an den Einbecker Kaufmann und Senator J. W. Krome. 1866 wurde hinter dem Haus eine Fabrikhalle mit einer mechanischen Leinenweberei eingerichtet.

Am 6. August 1906 wurde das Gebäude durch einen Brand vollständig zerstört. Der Einbecker Erich Meyer erlebte als 5-jähriger den Brand: »Feuerwehrhornist Ebeling stand vor seinem Hause und blies das Feuersignal, das uns durch Mark und Bein ging, und lief, an jeder Ecke blasend in Richtung Hullerser Straße weiter. Menschen kamen aus den Haustüren. »Auf dem Markte brennt es!« rief ein Mann. …An der Rathausecke war abgesperrt…Rechts gegenüber kamen Qualmwolken aus dem Dache des großen Cromeschen Hauses. Feuerwehrleute legten Schlauchleitungen. Die große Drehleiter wurde vor das Haus gefahren und hochgedreht. Ein Feuerwehrmann mit dem Schlauchmundstück auf dem Rücken stieg hinauf. »Au weih!« rief ein Mann neben mir, »niu hätte auk noch dat Mundstücke fallen laten!!« Das war ‘ne Panne! Doch schnell wurde es wieder nach oben gebracht, und dann gab es Wasser, auf das Dach, auf die Nachbarhäuser, in die Fenster. Aber alle Mühe war vergebens: Das schöne Haus war nicht mehr zu retten. Nur die Nachbarhäuser konnten vor den Flammen gerettet werden. Wir Kinder sind später noch oft auf der großen Freitreppe und auf der Trümmerstätte dahinter umher geklettert«. Kurz nach dem Brand schrieb der Einbecker Geschichtsforscher Wilhelm Feise, dass jedem Besucher der Stadt die wüste Brandstätte auffällt, »welche die Reihe altertümlicher, in Fachwerk ausgeführter Bürgerhäuser unschön unterbricht«. Vom stattlichen Steinernen Haus waren nur die fünfstufige Freitreppe, das linke große Rundbogenfenster und die damals noch spitzbogige Einfahrt zur Judenstraße geblieben. Rechts und links vom Gebäude waren auch die dicken Brandmauern stehen geblieben. »Diesen Brandmauern ist es besonders zu danken, daß bei dem Brande vom 6. August vorigen Jahres, einem Brande, der von der Fabrik hinter dem Wohnhause ausgehend, in auffallend kurzer Zeit die Zwischengebäude und das Vorderhaus in Asche legte, trotz des heftigen Windes die alten benachbarten Fachwerkhäuser gerettet werden konnten.« Auf einigen zeitgenössischen Fotografien ist ein Teil der riesengroßen Baulücke auf dem Marktplatz festgehalten. Am 9. November 1911 verkaufte der Fabrikant Wilhelm Krome das brachliegende Grundstück für 25.000 Mark an den Maurermeister Friedrich Dehne.

Ein interessantes Detail im Kaufvertrag war der Paragraph 6: »Sollte binnen Jahresfrist nach der Auflassung der Kaufgrundstücke in denselben ein Schatz gefunden werden, so sollen die Rechte, die sonst dem Eigentümer des Fundgrundstückes zustehen, dem Verkäufer zustehen«. Hintergrund dieser Klausel im Kaufvertrag war der sagenumwobene »Schatz des Steinernen Hauses«.

Die damaligen Besitzer hatten während des 30-jährigen Krieges im Gewölbe des Steinhauses mehrere »eiserne Läden und Kisten« deponiert. Darin befanden sich Beutel voll Gold, goldene Ketten, Armbänder, Diamantringe, silberne Pokale, Kannen, Becher und weitere Wertgegenstände. Wegen Erbstreitigkeiten blieb der Schatz im Steinhaus lange Zeit unangetastet. Erst 1727 ging man daran, ihn zu verteilen. Weil der Schlüssel nicht mehr auffindbar war, musste der Einbecker Schlosser Johann Köpper die eiserne Tür zum Gewölbe aufbrechen. Insgesamt fand man Gegenstände, die zu damaliger Zeit einen Wert von mehr als 2.200 Reichstalern ausmachten. Zum Vergleich: Der Jahresverdienst eines Handwerksmeisters betrug ungefähr 50 Taler.

Vermutete Wilhelm Krome wegen der »Schatzklausel« im Kaufvertrag noch weitere Wertgegenstände in verborgenen Gewölben des Steinernen Hauses? Die Frage bleibt offen – immerhin hat das Haus und seine Vorgängerbauten eine Jahrhunderte alte Geschichte. Wer weiß, ob in dieser langen Zeit nicht weitere Gewölbe oder andere Schatzverstecke angelegt wurden? Maurermeister Dehne machte sich an den Neubau. Das Ergebnis ist ein Gebäude, das sich durch seine Bauweise von den umgebenden Fachwerkbauten abhebt und dem Einbecker Marktplatz seit hundert Jahren einen besonderen Akzent verleiht.wk