Denkmalschutz-Vertreter Thomas Kellmann stellt neues Förderprogramm vor

Saisonstart im Einbecker Geschichtsverein: Neues Leben für »Wunden im Stadtbild« / Innenstadt-Wohnen aufwerten / Neustädter Kirchplatz: Öffentliche Funktion erhalten

»Der beste Kenner der Einbecker Häuser vom Keller bis zum Dach, den wir zurzeit hier haben«, so Dr. Elke Heege, referierte jetzt im Einbecker Geschichtsverein. Thema von Dr. Thomas Kellmann war die Aufnahme der Stadt in das neue Förderprogramm städtebaulicher Denkmalschutz.

Einbeck. Mit Osterode und Duderstadt ist Einbecks Stadtkern 2012 in das neue Förderprogramm aufgenommen worein, »zehn Millionen in zehn Jahren« will man einsetzen. Durch Investoren solle die Zahl versechsfacht werden. Erreichen wolle man als »Impulsgeber«, dass mehr Leute zum Wohnen, Kaufen, Schauen, Flanieren, Spielen und Parken in die Altstadt kommen. Hauptanliegen dabei: die Sanierungen so vorzunehmen, dass sie nachhaltig seien, auch um die Bauunterhaltung zu minimieren.

Zum Aufgabengebiet des Oberkonservators in Hannover gehöre seit vielen Jahren auch Einbeck samt Denkmalgeschichte, erläuterte die Vorsitzende des Geschichtsvereins, Dr. Elke Heege, zur Begrüßung. Mit Dr. Thomas Kellmann vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege startete der Geschichtsverein in seine neue Vortragssaison.

»Städtebaulicher Denkmalschutz« will die Zusammenhänge zwischen den Baudenkmalen untersuchen, führte der Referent in sein Thema ein. Zwischen 2001 und 2004 erstellte er einen »weitgehend vollständigen Kellerplan«. Die Aussagekraft hier: viele Keller gab es an den Torstraßen, wo Brauhäuser lagen, wenige dort, wo der Grundwasserstand relativ hoch ist. Trotz stagnierendem Bierabsatz wurden nach dem Stadtbrand 1540 Braukeller massiv ausgebaut. Dr. Kellmann verglich dies mit der heute rückläufigen Kaufkraft und der Ansiedlung neuer Handelsflächen an der Grimsehlstraße.

Einbeck gehört zu den Städten mit »historischem Stadtkern von besonderer Denkmalbedeutung«. Eine Karte zeigte, dass es davon südlich von Hannover und Braunschweig viel mehr gibt als im Norden. Deshalb könne man hier auch mehr fördern, aber den norddeutschen Städten, die nicht so verschuldet seien, falle eine Gegenfinanzierung leichter. So kamen zunächst viel mehr Förderanträge von dort.

Einbeck sei kein »Stadtdenkmal« wie Hann.Münden. Nach Gutachten, die besagten, es müsse ein Abriss eines großen Blocks her für einen großen Einzelhandel, beschloss man dort, dass am wichtigsten die Grundversorgung in der Altstadt sei und entschied sich für einen Supermarkt am Schloss, der zu Fuß für Anwohner zu erreichen ist. Als »Magnetbetrieb« definierte man die gesamte Altstadt mit »ihrem Mix von Wohnen, Inhaber-Einzelhandel, Dienstleistungsbetrieben und Kleingewerbe«.

In Einbeck habe es viele Eingriffe in das Stadtgefüge gegeben, so die Walldurchbrüche im Bereich Münsterkirche, den Abbruch des Mönchehofs, die Verbreiterung der Pastorengasse sowie der Marktstraße zwischen Knochenhauer Straße und Marktkirche und die Erweiterung der Brauerei – hier habe er »Sorge um das Quartier Hägerstraße«. Mit Karten zeigte er den Bereich des Förderprogramms, das von 1974 bis 2007 lief, und erläuterte das neue Fördergebiet: »bewusst Neustadt und Möncheplatz«. In der »bislang vernachlässigten Neustadt« gebe es »besonderen Bedarf«. Bei entsprechender Nachfrage sei eventuell geplant, die Hullerser Straße einzubeziehen. Ein Schwerpunkt solle auf privaten Modernisierungsmaßnahmen liegen, so dass »private Bauherren zum Zuge kommen«. Jedoch, so die Erfahrung, würden Investoren nur bei entsprechender Nachfrage in den eigenen Altbau investieren. In Hann.Münden stünden sanierte Altbauten leer: Flankierende Maßnahmen seien wichtig, die das Wohnen samt übrigem Umfeld aufwerten.

Pilot- und Schlüsselprojekte des Programms sind die Obere Mühle am Benser Tor, die Kornbrennerei (Altendorfer Straße), das Waisenhaus (Baustraße), der Storchenturm, die zwei historischen Plätze und die Reaktivierung städtebaulicher Brachflächen. Die Obere Mühle habe »tolle Decken« und biete »raffinierte Möglichkeiten«, heller zu wirken. Auch gebe es einen Lastenaufzug, den man zwecks Barrierefreiheit zum Fahrstuhl machen könnte. Das Waisenhaus, das von der EWG im Auftrag der Stadt verwaltet werde, sei in seiner Substanz beschädigt. Für den Storchenturm stellte man 300.000 Euro in den Kostenplan ein: Frost und Wasser setzen den offenen Fugen zu. Hier sei wichtig, Zugänge für Reparaturen zu ermöglichen. Eine Aussichtsplattform für Stadtführungen sei sinnvoll.

»Wunden im Stadtbild«, aber ein Potenzial für mittel- bis großflächigen Einzelhandel nannte er den Garagenhof hinter dem »Steinhaus« sowie die freien Flächen und das alte Backhaus hinter den Neubauten des Möncheplatzes.

Die Aufteilung des Möncheplatzes durch das frühere Schulgebäude mit 400 Quadratmetern, war aus städtebaulicher Sicht »hervorragend gegliedert«. Einst sei dies ein Promenadenplatz mit Linden gewesen. Bei seiner Aktenforschung entdeckte er auch Interessantes zu den hier bestehenden Flachdächern, entstanden nach einem Brand 1946: Den Aufbau neuer Dächer wehrte die Stadt ab – man wolle sowieso abreißen. Seit 800 Jahren habe der Neustädter Kirchplatz eine Funktion als öffentlich genutzter Platz, mit Kirche, Kirchhof, Brauhaus (hier angelegt, um Gewölbekeller unter der Ratsschule nutzen zu können), Brunnen und Pferdetränke – eine Bebauung, die viel Platz ließ. Diese öffentliche Funktion halte er weiter für wichtig: Eine Investoren-Bebauung sei nicht umkehrbar.

Heute werde an diesem Platz nicht klar, dass er zur Altstadt gehöre: 2004 zählte man täglich 14.000 Fahrzeuge, auf der Umgehungsstraße 9.000. Für ein besseres Wohnumfeld müsse der Durchgangsverkehr reduziert werden. Käme Handelsfläche auf diesen Platz, gebe es noch mehr Verkehr.

Die Vorschläge der Denkmalpflege zu einer städtebaulichen Rahmenplanung:  Verkehrsberuhigung in der Altendorfer Straße (eine von mehreren Überlegungen: nur Anlieger-, kein Durchgangsverkehr), die Einbeziehung der Plätze in die Fußgängerzone, bessere Erschließung des Baublocks nördlich der Hullerser Straße, besonders für Anlieger, sowie Stapelgaragen in zentraler Lage an der Hullerser Mauer und in der Backofenstraße. Die Zahl »herrenloser Grundstücke« werde zunehmen. Hier solle man über Ersatzneubauten nachdenken. Zu überlegen sei, ob man Einbecks Fachwerktradition nicht in Neubauten fortsetzen könne.

Der engagierte Redner erklärte und referierte hervorragend, sehr verständlich und nahm sich Zeit für Zwischenfragen. Die zahlreichen Zuhörer in der Teichenwegschule waren denn auch interessiert dabei.Wichtig sei nun, ein gemeinsames Konzept mit den Bürgern zu überlegen, was und auf welche Art förderfähig sei. Dafür gebe es den Sanierungsträger, der am Ort sicher ein Büro einrichten werde.

Dem Vortrag folgten viele Fragen: Dr. Kellmann erklärte die »rein beratende Funktion« der Denkmalpflege und die »Planungshoheit der Kommunen«, erläuterte zum Brandschutz die Bedeutung geschlossener Giebel und stellte zum Thema Fahrstuhl fest, dass Barrierefreiheit wichtig sei und Treppenhausanbauten geeignet, auch um Installationssanierungen darin unterzubringen.

Angesichts der lebhaften Diskussion schloss Dr. Elke Heege: »Wenn Sie Anregungen an die Stadt haben, dann sollten Sie sie einreichen. Besseres als Bürgerbeteiligung kann es nicht geben.«des