»Der Zirkus war für mich die Verheißung«

Gerd Siemoneit-Barum beim Neujahrsempfang im BBS-Forum | »Verhext«: Schon als Kind war der Weg für ihn klar

»Die 13 haben wir hinter uns gelassen. Sind Sie abergläubisch? Haben Sie Angst vor der sprichwörtlichen schwarzen Katze? Mit den Katzen hat es unser heutiger Referent«, so kündigte Moderator Eberhard Schmah den Festredner zum Neujahrsempfang von Initiative Einbeck und Werbegemeinschaft Einbeck an, der auf ein aufregendes Leben voller Dynamik und Adrenalin blicken könne. In der Tat: Zu den legendären Nummern von Gerd Siemoneit-Barum gehörten Auftritte mit besonderen Exemplaren der Samtpfoten: mit Löwen, Tigern oder Panthern. Der Zirkusdirektor und Tierlehrer stellte Passagen aus seinem Buch »Viel riskiert für einen Traum« vor.

Einbeck. Gerd Siemoneit-Barum nahm die Zuhörer nach seiner jahrzehntelang üblichen Begrüßung – »Hochverehrtes Publikum!« – zunächst mit nach Ostpreußen, in seine Heimat. Schon als Junge hatte er den dringenden Wunsch, mit dem Zirkus unterwegs zu sein. »Der Zirkus hatte mich verhext«, berichtete er von der ersten Begegnung. Für ihn sei der Zirkus schon früh die Verheißung gewesen, bereits mit zwölf oder 13 Jahren. Sein Vater starb 1943 im Krieg, da war Gerd Siemoneit gerade zwölf Jahre alt. Durchhalteparolen standen in diesen Kriegsjahren auf der Tagesordnung, aber schließlich musste die Familie – die verwitwete Mutter mit ihren beiden Söhnen – doch fliehen. Es ging nach Sachsen, wo zunächst noch alles in Ordnung schien, zumal der Zirkus Sarrasani gastierte:

»Ich bin gerettet«, so der Gedanke des jungen Gerd. Immer stärker fühlte er Gauklerblut in seinen Adern, aber er wusste auch, dass seine Mutter sein Vorhaben nicht unterstützen würde. Dennoch war er überzeugt, dass die Fügung ihn an diesen Ort geführt hätte. Mit den Tieren zu leben und zu arbeiten, das war sein Traum. Mit Pferden hatte er seine Kindheit verbracht, das wollte er in die Waagschale werfen und aus dem Unglück der Flucht sein Glück machen. Die Pläne waren im Februar 1944 mit der Zerstörung Dresdens aber vorerst beendet, seine Welt lag sprichwörtlich in Schutt und Asche.

Einen zaghaften Zirkus-Versuch gab es nach dem Krieg in Hamburg, aber erst die Begegnung mit Barum in Gelsenkirchen wies ihm endgültig den Weg: »Ich hatte mein behütetes Heim gefunden«, schwärmte er, bei diesem Unternehmen und der Direktorin, Fräulein Margarete, hatte er ein gutes Gefühl. Nicht bei den Pferden, sondern bei den Löwen sah er schnell seine Zukunft. Auch von anderen Stationen aus hielt er stets den Kontakt zu Barum, und selbst ein schwerer Unfall in Ankara, als der 23-jährige Dompteur von einem Löwen angefallen wurde, änderte seinen Zukunftsweg nicht.

Diesen Weg ist er konsequent gegangen, hat mit Tigern, Löwen, Pumas, Leoparden, einem Eisbären und dem schwarzen Panther Onyx gearbeitet. Im Film und in Fernsehen machte er Karriere, unter anderem mit der 18-teiligen Serie »Jens Claasen und seine Tiere«, eine »Mischung aus Tarzan und Professor Grzimek«, wie er schmunzelte. Das gab ihm auch die finanzielle Basis, sich den Traum zu erfüllen, nicht nur Dompteur, sondern auch Zirkusdirektor zu sein.

In Filmszenen brachte Gerd Siemoneit-Barum seine Arbeit mit den Tieren näher: Auch die Wildkatzen, die sich ganz zahm geben würden, könnten sich in Bestien verwandeln. Jedes Tier habe einen eigenen Charakter, den müsse der Lehrer stets im Auge behalten. Die Löwen, verriet er, halte er für die intelligentesten Raubkatzen. Man müsse mit ihnen sprechen wie mit Kindern, aber dann auch wieder Klartext reden wie ein Trainer. In weiteren Filmausschnitten erinnerte er an seine Mitwirkung am Internationalen Circusfestival in Monte Carlo, wo er von Fürst Rainier ausgezeichnet wurde.

»Glück muss man können«, betonte Gerd Siemoneit-Barum. Die Fügung zeichne häufig zwei Wege vor: Man könne das Abenteuer wählen oder die Strecke, die Überlegung erfordere. Mit Einbeck, versicherte er, habe er sich stets verbunden gefühlt. Er habe Erfolg als Entertainer und Geschäftsmann gehabt, und er sei froh und stolz, ein Bürger dieser Stadt zu sein.ek