Deutschlandriege präsentierte sich eindrucksvoll in Einbeck

1948 und 1949: Turner begeisterten das Publikum im Welttheater mit ihren Darbietungen / Sportler retteten Kinder aus dem Mühlenkanal

Als die Deutschlandriege der Turner im April 1948 im Einbecker Rathaus empfangen wurde, präsentierten sich die Sportler in zerknitterten Anzügen und abgetragenen Schlappen. Ihre erste Garnitur hing zum Trocknen im Quartier, da die Turner kurz vorher 20 Kinder aus dem Mühlenkanal gerettet hatten.

Einbeck. »Wir sind keine Artisten«, erklärte Dr. Josef Göhler, Manager der Deutschlandriege, der bei den Besuchen in Einbeck im April 1948 und 1949 die Mannschaft zusammen mit Karl Streicher leitete. Trainiert wurden die Sportler von Walter Steffens und Alfred Schwarzmann, dem Olympiasieger von 1936. Aus 400 Namen hatten die Verantwortlichen 20 deutsche Turner ausgewählt, die gezielt auf die Lingiade 1949, die Stockholmer Turn-Festspiele, und die Weltmeisterschaften in Basel 1950 trainiert wurden. Durch Vorführungen mussten die Vorbereitungsunkosten »erturnt« werden, da das Budget der Riege sonst für die Wettkämpfe und die Schulungslehrgänge nicht reichte. Alfeld und Einbeck waren Schulungs-Orte, da »Freden in der Nähe liegt, wo Meister Carl Loges seine berühmte Schule für Gymnastiklehrer wieder aufgebaut hat, die 1943 in Hannover ausgebombt wurde«, erklärte Göhler.

Zum Empfang im Einbecker Rathaus standen die Turner im April 1948 in zerknitterten Pumpanzügen und abgetragenen Schlappen parat. Die erste Garnitur hing zum Trocknen in den Quartieren. Die Meisterturner hatten kurz vorher 20 Kinder aus dem Wasser gezogen. Eine baufällige Brücke war zusammengebrochen, als eine Kindergartenklasse darüber ging, so dass die Kinder aus vier Metern Höhe in den Bach fielen. Die Sportler, die gerade auf einem Orientierungsbummel vorbeikamen, sprangen über die hohe Böschung in den Mühlenkanal, um die Jungen und Mädchen zu retten.

Bei ihrer Aufführung im Welt-Theater präsentierten die Sportler fast olympiareife Nummern. Der Münchner Ingo Stangl turnte Seitpferd, und er beeindruckte die Besucher. »Stangl ist augenblicklich in olympischer Höchstform«, kommentierte Göhler dessen Reckübung. Ein »schade« konnte er sich hinterher nicht verkneifen, da die deutsche Mannschaft noch nicht wieder an olympischen Spielen teilnehmen durfte.Aufgrund der guten Unterstützung und der besonderen Gastfreundschaft weilte die deutsche Riege vom 9. bis 16. April 1949 erneut in Einbeck. Bei der Feier im »Goldenen Löwen« begrüßte Bürgermeister Wilhelm Messerschmidt die Sportler, und er hoffte, dass »wie vor einem Jahr die ruhige Atmosphäre einer niedersächsischen Mittelstadt den Turnern Gelegenheit geben wird, sich den letzten Schliff anzueignen.«

Streicher bedankte sich für den freundlichen Empfang, und er hob hervor, dass »mit der Riege nicht nur Könner an sich, sondern ebenfalls Vertreter eines echten Sportgedankens für Basel vorbereitet werden, die sich jederzeit ihrer Aufgabe bewußt sind und die alles tun werden, um mit ihrem Können zu überzeugen.«

Vor Beginn der Vorführung im Welt-Theater kündigte Wilhelm Behrens, Vorsitzender des Turn-Club Einbeck, an, dass abwechselnd die heimischen Vereine und die Deutschlandriege sich präsentieren werden. Dem einleitenden Bodenturnen der Turnerinnen folgten die Künste der nationalen Sportler am Barren, bei der »die große Sicherheit und die prächtigen Luftrollen besonders hervorstachen.« Nach gymnastischen »Freiübungen« und Sprüngen der Einbecker Aktiven bewiesen die Meisterturner ihr solides Können am unbeliebten, aber bei internationalen Wettkämpfen geforderten Seitpferd – Willi Steffens ließ es sich nicht nehmen, mit seinen 40 Jahren dem Publikum noch saubere Flanken und Kreisel zu präsentieren.

Weitere Vorführungen der heimischen Sportler folgten im Tischspringen, am Stufenbarren oder auch bei der Tischtennis-Demonstration, bevor die Deutschlandriege flüssige Bodenübungen mit Flick-Flacks, Überschlägen und Saltos zeigte, so dass die Besucher gar nicht mehr aus dem Staunen herauskamen. Den Höhepunkt eines gelungenen Abends bildeten die Darbietungen am Hochreck: Neben imponierenden Riesenfelgen und schwierigen Drehungen, die die Einbecker begeisterten, zeigten einige Turner besondere Abgänge: Helmut Banz einen Doppelsalto und der Hannoveraner Weiß einen Salto vorwärts aus einem Unterschwung heraus.

Streicher bedanke für die gewährte Gastfreundschaft, und er betonte, dass seine Turner keine Stars seien, »sondern bescheidene, im turnerischen Geist erzogene Sendboten einer Sache, die wie keine für das Deutsche Volk schöner und ausgeprägter ihre erzieherischen Werte in sich vereint.«mru