Die Ausdehnung der damaligen Nordoststadt

Einbeck. Die heutige Aufnahme ist eine Ansichtskarte vom »Verlag Oscar Ammon Nachf. Fritz Haensel, Einbeck«. Die Karte ist »ungelaufen«, also nicht beschrieben und ohne Marke und Poststempel. Sie trägt lediglich auf der Rückseite einen ovalen blauen Stempel der »Buch-Kunst- und Musikalienhandlung Fritz Haensel«. Das Foto zeigt eindrucksvoll, wie sich die Stadt im Lauf der Zeit verändert hat, denn heute ist nahezu der gesamte Bereich auf dem Bild bebaut. Ganz unten im Bild erkennt man den Schriftzug »Deutschland Fahrräder August Stukenbrok«. Das Unternehmen bestand bis 1931.

Oben rechts stehen in der sonst noch nicht bebauten Friedrich-Ebert-Straße drei Doppelhäuser. Die Lessingstraße (ein Stück weiter unten) war nur bis zur Langen Gasse ausgebaut, die Fortsetzung zur Friedrich-Ebert-Straße war noch ein Feldweg. Die Häuser An der Langen Gasse wurden ab 1922 gebaut. Bis Ende 1922 wurden »vorwiegend in Doppelbauweise insgesamt 25 Wohnungen errichtet« – dann kam die Inflation und die Bautätigkeit stockte. In einem großen Schwung zieht sich eine lange Baumreihe durch das Bild: der Hubeweg. In seinem unteren Bereich stehen bis zur Rabbethgestraße stattliche Villen, dahinter bricht die Bebauung ab.

Der dicht bewachsene Bereich darüber ist der alte Friedhof von St. Alexandri. An der Rabbethgestraße erkennt man einige Grabsteine des alten jüdischen Friedhofes. Erst weiter oben am Hubeweg stehen vier Häuser (erbaut 1909 bis 1911). Das einzelne Gebäude gegenüber ist das 1907 fertiggestellte Altersheim der Einbecker Freimaurer. Zwischen Hubeweg und Teichenweg gab es damals nur Gärten. Rechts unten steht die katholische Kirche St. Josef. Oberhalb am Langen Wall verlaufen die Gleise der Ilmebahn. Der gesamte Bereich vom unteren Hubeweg bis zur Schützenstraße ist dicht bebaut, doch im gesamten weiteren Verlauf der Schützenstraße (oben links) steht bis auf das Schützenhaus noch kein einziges Haus.

Oberhalb des Kirschenberges (ganz oben) stehen schon vier Häuser und zwei Wirtschaftsgebäude. Von der Nedden- und Trojestraße ist allerdings noch keine Spur zu sehen (im Bereich der Neddenstraße stand sogar noch ein kleiner Wald) – ebensowenig wie von der Mühlenbergstraße, Domeierstraße, Baurat-Hase-Straße und dem Lönsweg – von der Wilhelm-Raabe-Straße und der Professor Ellissen-Straße ganz zu schweigen. Hinter der Harlandstraße war Schluss. Rechts unten erkennt man den Teichenweg, den Negenborner Weg und ein kleines Stück der Dörchenstraße. Den Schornstein auf dem Stukenbrok-Gelände in der Bildmitte gibt es schon lange nicht mehr – an seiner Stelle steht hier heute ein Einkaufsmarkt. Der Straßenverkehr war als eher beschaulich zu bezeichnen. Auf dem Foto finden sich lediglich zwei Pkw und ein Lkw – auch Personen sind nur wenige zu sehen.

Wie kann man nun das Datum dieser nicht gestempelten Postkarte mit der Einbecker Fliegeraufnahme bestimmen? Der erste Hinweis wurde oben schon genannt: Die seinerzeit weltumspannende Firma Stukenbrok bestand bis März 1931. Wenn man annimmt, dass die Firma zum Zeitpunkt der Aufnahme noch bestand, wäre 1931 das späteste Datum. Doch wann könnte der früheste Zeitpunkt der Aufnahme gewesen sein? Hier helfen die Änderungen im Bebauungsplan »über den sieben Gärten, Stadtbauamt Einbeck vom 6. Mai 1929«: Darin sind alle alten und neuen Häuser im Bereich Friedrich-Ebert-Straße und An der Langen Gasse eingezeichnet, die auch auf dem Foto zu sehen sind. Somit ist es gut möglich, dass die Fliegeraufnahme zwischen 1929 und 1931 entstanden ist.     wk