Die Bücher flogen ins Feuer

Förderverein der Stadtbibliothek erinnert an die »Verbrannten Dichter«

Zwischen 10. Mai und 21. Juni 1933 wurden im Zuge der von der nationalsozialistischen Deutschen Studentenschaft organisierten »Aktion wider den undeutschen Geist« an vielen Orten in Deutschland öffentliche Bücherverbrennungen durchgeführt. Mit einem Musik- und Literaturprogramm mit Günter Gall und Konstantin Vassiliev erinnerte der Förderverein der Stadtbibliothek Einbeck an dieses Datum. Den Zuschauern wurde damit ein »bewegender Abend« beschert, der sie »viele Gedanken mit nach Hause« nehmen ließ – genau, wie es sich der Förderverein gewünscht hat.

Einbeck. »Gegen Dekadenz und moralischen Verfall, für Zucht und Sitte in Familie und Staat« wurden die Schriften von Heinrich Mann, Ernst Glaeser und Erich Kästner oder anderen den Flammen übergeben. 24 Autoren waren auserwählt worden, doch ins Feuer geworfen wurden viel mehr – ein Großteil davon geriet in Vergessenheit. Und damit erreichten die Nazis ihr Ziel – Autoren wurden aus der Erinnerung getilgt.

Mit Liedern, Texten und Instrumentalstücken rückte Gall die »Verbrannten Dichter« ins Bewusstsein. Die Mischung aus Musik, Gedichten  und Prosa machte deutlich, wie wichtig »Freiheit im Kopf« ist. An Aktualität hat das Thema nichts verloren, denkt man doch an Zensur im Internet oder in verschiedenen Regimes, so Anja Linneweber vom Förderverein.

Der Schriftsteller, Publizist und Drehbuchautor Erich Kästner war vor allem für seine Kinderbücher bekannt. Kästner wurde mehrmals von der Gestapo vernommen und aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Seine Werke wurden bei der Bücherverbrennung als »wider den deutschen Geist« verbrannt, was er selbst aus nächster Nähe beobachtete. Er beschrieb das »merkwürdiges Gefühl«, keins seiner Bücher mehr in einem Buchregal zu sehen.  Walter Mehring war ein deutsch-jüdischer Schriftsteller und einer der bedeutendsten satirischen Autoren der Weimarer Republik. Seine Lieder, Gedichte, Chansons und Theaterstücke machten ihn früh berühmt und verhasst: Sein Theaterstück »Der Kaufmann von Berlin« (1929), eine Persiflage auf die Inflationsgewinnler provozierte einen Skandal, die SA demonstrierte vor dem Theater; Joseph Goebbels verfasste im Angriff einen ganzseitigen Hetzartikel gegen ihn mit der Überschrift »An den Galgen«. Viele seiner Bücher landeten während der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 auf dem Scheiterhaufen. Mehring entging nur knapp seiner Verhaftung durch die SA, er emigrierte.Erich Maria Remarque war ein deutscher Schriftsteller. Seine hauptsächlich pazifistisch geprägten Romane, in denen er die Grausamkeit des Krieges thematisiert, finden bis heute große Verbreitung. Bereits zu Beginn der NS-Herrschaft, als der Autor durch sein Hauptwerk, den 1928 erstmals erschienenen, 1930 in Hollywood verfilmten Antikriegsroman »Im Westen nichts Neues«, schon weltberühmt war, emigrierte er in die Schweiz. Seine Arbeiten wurden in Deutschland als »schädliches und unerwünschtes Schrifttum« verboten und 1933 öffentlich verbrannt. Die deutsche Staatsbürgerschaft wurde ihm 1938 aberkannt.

Mascha Kaléko kam gegen Ende der 1920er Jahre mit der künstlerischen Avantgarde Berlins in Kontakt. 1929 veröffentlichte sie erste Gedichte. 1933 publizierte sie das Lyrische Stenogrammheft. Das erfolgreich verkaufte Werk fiel im Mai 1933 nicht der nationalsozialistischen Bücherverbrennung in Deutschland zum Opfer, da die Nationalsozialisten damals noch nicht wussten, dass Mascha Kaléko Jüdin war. Sie »fror sich durch die finsteren Jahre«, verfasste Gedichte wie »Wo sich berühren Raum und Zeit« und Lieder wie das Mai-Lied. 1960 wollte man ihr den Fontane-Preis der Akademie der Künste in Berlin (West) verleihen; wegen eines ehemaligen SS-Mitgliedes in der Jury, Hans Egon Holthusen, lehnte sie dies jedoch ab.

Als Journalist und Schriftsteller arbeitete der Pazifist Carl von Ossietzky. Als Herausgeber der Zeitschrift »Die Weltbühne« wurde er im international aufsehenerregenden Weltbühne-Prozess 1931 wegen Spionage verurteilt, weil seine Zeitschrift auf die verbotene Aufrüstung der Reichswehr aufmerksam gemacht hatte. Ossietzky erhielt 1936 rückwirkend den Friedensnobelpreis für das Jahr 1935. Bei den Bücherverbrennungen wurde gegen ihn gehetzt. Er aber reihte sich ein in das »Heer, das für die Freiheit kämpft«.

Stellvertretend für die »entarteten Künstler« steht auch Felix Nußbaum, der 1904 in Osnabrück geborene und 1944 in Auschwitz ermordete jüdische Maler als Vertreter der »neuen Sachlichkeit«. Nicht unerwähnt bleiben darf auch Kurt Tucholsky, der Journalist, der unter verschiedenen Pseudonymen schrieb. Als einer der bedeutendsten Publizisten der Weimarer Republik war er Gesellschaftskritiker und zugleich Zyniker. Der Pazifist warnte vor der Erstarkung der politisch Rechten und vor der Bedrohung durch den Nationalsozialismus. Er prägte den Satz »Soldaten sind Mörder«.

Auch Musiker und Komponisten wie Kurt Weill, Friedrich Hollaender oder Hanns Eisler mussten nach Amerika ins Exil. Der »Vernichtungsangriff auf die Kultur«, machte Gall deutlich, bezog sich auf ale Sparten – auf Literatur, Musik, Kunst ... Mit Konzertgitarrenmusik von Vassiliev wurde von Gall Vorgetragenes verstärkt – mit Noten aus »Schindlers Liste«, dem »Emigrantenchoral«, Brechts Lied vom Weib des Nazi-Soldaten oder einer jiddischen Komposition.

Anja Linneweber und Werner Beyer vom Förderverein der Stadtbibliothek konnten sich über einen »tiefen Abend« zu den »Verbrannten Dichtern« freuen, ebenso wie Bibliotheksleiterin Antje Bach. Neue Mitglieder, die sich mit Literatur auseinander setzen wollen, sind beim Förderverein der Stadtbibliothek willkommen.sts