Die »Festplatte« Gehirn braucht die nächtlichen Träume

Professor Josef Alexander Wirth aus Alfeld erneut beim Lions-Club Einbeck / Träume lassen sich beeinflussen / Tageseindrücke verarbeiten

Wie der Körper den Schlaf braucht, benötigt das Gehirn die Träume. Sie können die Menschen so­wohl plagen als auch erfreuen. Was es mit dem Träumen auf sich hat, erläuterte Professor Josef Alexander Wirth, Mediziner aus Alfeld, jetzt in einem spannenden Vortrag beim Lions-Club Einbeck.

Einbeck. Der Referent sei nicht nur ein Fachmann in Sachen Schlafforschung, erinnerte Lions-Präsident Walter Schmalzried an einen früheren Vortrag von Professor Wirth, sondern er beschäftige sich – eigentlich naheliegend – auch mit Träumen. »Der Körper braucht die Ruhe, das Gehirn braucht Träume«, stellte der Mediziner fest. Albträume seien ebenso normal wie erotische Träume, die sich meist in den Morgenstunden ab 5 Uhr einstellten. Ein Schläfer falle schnell in eine Tiefschlafphase, mehrere oberflächlichere Schlafstadien würden sich anschließen. Pro Nacht habe der Mensch, ausgehend von sieben Stunden Schlaf, etwa fünf bis sechs Träume, jeder dauere zehn bis 15 Minuten. Wer 75 Jahre alt werde, verschlafe bis zu 25 Jahre seines Lebens und verbringe vier bis sieben Jahre mit rund 100.000 Träumen. Im Alter habe man weniger Tiefschlaf- und Traumphasen. Wäh­rend dieser für die Hirnreife wichtige An­teil bei Säuglingen 50 Prozent ausmache, liege er beim Erwachsenen bei 25 Prozent. Während der REM-Phasen, in denen Träume möglich seien, werde die Festplatte im Gehirn »geputzt«, die Nicht-REM-Phasen seien wichtig zur Stärkung des Immunsystems. Störungen beim REM-Schlaf wirkten sich unter anderem in Wortfindungsstörungen aus. Das Gehirn, so der Referent, regeneriere sich das ganze Leben lang. Günstig sei beispielsweise Musik hören. Für die Schaffenskraft oder für gutes Lernen sei Mittagsschlaf vernünftig – das sei in asiatischen Ländern sehr verbreitet, hier aber noch nicht angekommen.

Träume entstehen im Gehirn. Während der Traumphasen sind die Körperbewegungen reduziert, um den Träumer zu sichern. Weniger intensive und weniger emotionale Träume gibt es auch in Nicht-Tiefschlafphasen. Geträumt wird in Farbe, sie verschwindet in der Erinnerung allerdings als erstes.

Experimente haben deutlich gemacht, dass sich Träume beeinflussen lassen, beispielsweise durch Worte, Gerüche, Lichtblitze, leichten Schmerz oder Druckempfindungen am Bein. Hinter schlechten Träumen könne eine körperliche Erkrankung stehen, denn Schmerzen könnten keinen schönen Traum begleiten. Nur zwei Prozent seien fantastische Träume, der Rest habe einen realistischen Hintergrund. Wenn jemand von Personen, Gegenständen oder Um­gebung träume und anschließend befragt werde, lasse sich feststellen, dass die Umgebung stärkeren Raum einnehme, Personen aber »verblass­ten«. Die Deutschen träumen häufig von Beruf und Arbeit, von Reisen, von viel Geld oder vom Fallen. Eigentlich träume jeder Mensch, so ­Wirths Erfahrung, aber es gebe gute und schlechte Träumer oder Erinnerer. Nur sehr wenige Träumer könnten sich an gar nichts erinnern. Es sei aber falsch zu glauben, dass man mehr träume, je mehr man erlebe. Je intensiver ein Tag war, desto mehr müsse im Traum verarbeitet werden. Schon aus einem Eindruck von einer Zehntelsekunde könne ein Traum entstehen. Zukunftsängste könnten im Traum verarbeitet werden; aus Traumdeutung Überlegungen für die Zukunft anzustellen, sei allerdings »Blödsinn«, erläuterte Wirth. Wenn häufig be­stimmte belastende Träume auftreten würden, sei das notwendig. Man könne besser damit umgehen, wenn man sich klar mache, dass es sich nur um einen Traum handele und dass am nächsten Morgen alles vorbei sei. Diese Autosuggestion sei wichtig – falsch wäre es dagegen, ins Bett zu gehen und sich seinen Ängsten auszuliefern. Wenn man einen schönen Traum habe und daraus erwache, werde man leider kaum den Anschluss wiederfinden. Würden Menschen am Träumen gehindert, äußere sich das in Gedächtnis- und Motivationsstörungen sowie Aussetzern bei Bewegung, analytischem Denken und Wahrnehmung.

Einige Menschen seien in der Lage zu luziden beziehungsweise sogenannten Klarträumen. Das Ergebnis könne besondere Kreativität sein. Salvador Dali etwa habe geträumt, und dann sei er aufgestanden, um diese Eindrücke zu malen. Auch Albert Einstein soll ein Klarträumer gewesen sein, der Lösungen im Schlaf finden konnte. Positiv beeinflussen könne man Träume, in­dem man sich etwas Schönes beim Einschlafen vorstelle und angenehme Gedanken verfolge, bis man müde werde.

Der Mond, stellte Wirth klar, habe zwar eine Menge Auswirkungen auf das Leben, auf Tiere, auf Ebbe und Flut, auf Religion oder auf die Natur, nicht jedoch auf das Träumen und auch nicht auf den Schlaf oder auf Schlafstörungen. Bunker-Versuche ohne den Einfluss von Tageslicht beziehungsweise Mondschein haben das bewiesen. Interessant sei, dass der Tag-Nacht-Rhythmus 25 Stunden betrage. Auch Schlafwandeln sei nicht auf den Mond zurückzuführen: Bis zum 16. Lebensjahr seien sie normal und sinnvoll für die Hirnreife, danach bestehe Behandlungsbedarf. Schlafen sollte man idealerweise in einem dunklen, kühlen und leisen Raum. In dieser Umgebung könne das Gehirn am besten ar­beiten, um Träume zu entwickeln.ek