Die nationalsozialistische Machtergreifung in Einbeck

Errichtung der Diktatur im März und April 1933 / Boykott jüdischer Geschäfte / Verhaftung von Sozialdemokraten

Bereits einige Jahre vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten gab es in Einbeck einen klaren Rechtsruck der konservativen Parteien. Die NSDAP errichte bei den Reichstagswahlen 1924 zwar lediglich um die drei Prozent der Einbecker Stimmen, aber in einer Zeitungsannonce zu einer Veranstaltung des völkisch-sozialen Blocks findet sich schon der Zusatz: »Juden haben keinen Zutritt« - ein früher Hinweis auf die Ausgrenzung der jüdischen Bürger.

Einbeck. Die Reichstagswahlen von 1928 ergaben in Einbeck fast 50 Prozent für die SPD – die KPD und NSDAP erreichten jeweils ein Prozent. Im März 1930 wurde die erste Großveranstaltung der Einbecker Ortsgruppe der NSDAP durchgeführt. Im Mai organisierte die Einbecker SPD eine Demonstration gegen den Faschismus mit 2000 Teilnehmern - eine Gegenveranstaltung der NSDAP hatte 300 Teilnehmer. Als im Dezember 1930 »wegen der großen Not, unter der weite Teile der Einwohnerschaft der Stadt Einbeck leiden«, verschiedene Einbecker Vereine und Organisationen Geld-, Natural- und Sachspenden für bedürftige Einbecker sammelten, war dabei auch der jüdische Frauenverein Einbeck beteiligt. Diese Teilnahme eines jüdischen Vereins bezeichnete »Pg. Land« bei der Weihnachtsfeier der NSDAP als ein »Staatsverbrechen«.

Bei den Reichstagswahlen im gleichen Jahr erhöhte sich das Stimmenergebnis für die NSDAP in Einbeck drastisch von vorher ein Prozent auf 24,9 Prozent.

Am 1. September 1931 schloss die Firma August Stukenbrok in Einbeck für immer ihre Pforten. Beim darauf folgenden Konkursverfahren wurden der jüdische Gutachter Oppermann aus Berlin und der Einbecker Bürgermeister Oehlmann zu Unrecht von der NSDAP scharf angegriffen.

Im März 1932 drang ein 30 Mann starker SA-Trupp in die Arbeiter-Siedlung in der Eigenheimstraße ein, wurde aber bemerkt. Auf dem Rückzug verwüsteten sie Gärten und warfen Scheiben ein. Im Laufe des Jahres kam es immer wieder zu Überfällen und Schlägereien.

Bei der Wahl zum Reichspräsidenten am 12. März 1932 erreichte Hitler in Einbeck 2.334 Stimmen und Hindenburg 3.092 Stimmen. Im zweiten Wahldurchgang am 10 April stimmten 2.871 Einbecker für Hitler und 3.201 für Hindenburg. Bei den Reichstagswahlen im Juli 1932 wählten 45,2 Prozent der Einbecker die NSDAP, bei der Reichstagswahl im November waren es 40,9 Prozent.

Nach dem Reichstagsbrand im Februar 1933 wurden vier Einbecker Kommunisten verhaftet, kamen aber kurze Zeit später wieder frei. Im März 1933 kam die NSDAP in Einbeck auf 48,3 Prozent der Stimmen. Noch Anfang März wurden sozialdemokratische und kommunistische Zeitungen verboten. Die Kreistagswahl vom 12. März ergab eine Mehrheit für die NSDAP, genauso wie die Bürgervorsteherwahl. Am 21. März veranstalteten die Nationalsozialisten auf dem Stiftplatz eine Propaganda-Kundgebung mit großem Aufwand und Pomp, der große Massen der Bevölkerung in seinen unheimlichen Bann ziehen sollte: »umlodert von leuchtenden Fackeln und Magnesiumschein«, »lodernde Fackeln und leuchtende Feuer nach alter germanischer Sitte, zum Zeichen, daß die Tage der Dunkelheit unseres Volke nun vorüber sind …«. Danach »wurden auf dem Tummelplatz die Fackeln zusammengeworfen und auf dem Hasenjäger ein Freudenfeuer entzündet«.

Zwei Tage später wurde das Ermächtigungsgesetz »zur Behebung der Not von Volk und Reich« erlassen. Die Weichen für die folgende Diktatur, die Jahre später die ganze Welt in Krieg stürzen und Millionen von Todesopfern fordern sollte, waren gestellt.

Noch im März 1933 wurden jüdische Geschäfte boykottiert. In diesem Jahr waren in der Stadt 58 sogenannte »Glaubensjuden« gemeldet. Auch in Einbeck distanzierten sich Geschäftsleute in Zeitungsinseraten von den jüdischen Mitbürgern. Das Einbecker Brauhaus inserierte, ein »reindeutsches Unternehmen« zu sein, das Kaufhaus Thams und Garfs in der Marktstraße warb mit dem Satz, nur »rein christliche Inhaber und Mitarbeiter« zu haben. Das Damenkonfektionsgeschäft Schmidt & Holldorf in der Altendorfer Straße betonte in fetten und unterstrichenen Lettern, dass es » das einzige reinchristliche, nationalsozialistische« Manufakturwarengeschäft in Einbeck sei.

Auf einer Sondersitzung des Bürgervorsteherkollegiums vom 31. März 1933 standen die Änderung »marxistischer Straßennamen« und die »Entfernung marxistischer Angestellter und Arbeiter« aus dem Dienst der Stadt Einbeck auf der Tagesordnung. Am 1. April begann der Boykott jüdischer Geschäfte im gesamten Reichsgebiet. Bürgermeister Hans Oehlmann wurde seines Amtes enthoben - sein Nachfolger wurde Otto Hildebrecht, der ein Jahr zuvor in die NSDAP eingetreten war. Hildebrecht, der am 1. April als kommissarischer Bürgermeister bestellt wurde, blieb bis zum Ende der nationalsozialistischen Herrschaft 1945 im Amt.

Im April 1933 wurden die Wohnungen von Einbecker Sozialdemokraten durchsucht. Die Stadt entließ in den folgenden Wochen 13 Mitarbeiter, unter anderem den Schlachthofkassierer und Mitarbeiter des Krankenhauses, der Stadtgärtnerei, Schwimmbad, Gaswerk und Wasserwerk. Das KPD-Mitglied August Fricke wurde aufgrund mehrerer gegen Hitler gerichteter Artikel zu einer 18monatigen Gefängnisstrafe verurteilt. Kurz danach ließ Bürgermeister Hildebrecht die Wohnungen von Einbecker SPD-Politikern durchsucht, darunter auch die des Bürgervorstehers Messerschmidt.

Am 1. Mai 1933 veranstalteten die Nationalsozialisten großangelegte Feiern zum Tag der nationalen Arbeit. Feierlich wurden Straßen umbenannt: Der Bürgermeisterwall wurde zum Adolf-Hitler-Wall und die Friedrich–Ebert-Straße wurde zur Hermann-Göring-Straße. Drei Tage später entließ die Stadtverwaltung weitere Mitarbeiter. Im Laufe des Mai 1933 wurden wieder Oppositionelle verhaftet und mehrere Vereine und Organisationen verboten. Das Vermögen der SPD wurde mit allen Akten und Unterlagen beschlagnahmt. In ganz Deutschland waren die politischen Gegner der Nationalsozialisten ausgeschaltet und die Nazi-Diktatur errichtet – auch in Einbeck…wk