Einbeck 1907:

Die Präparandenanstalt am Walkemühlenweg

Einbeck. Am Mittwoch, 2. Oktober 1907, schrieben die Studenten F. Glenewinkel und M. Jordan diese Ansichtskarte an den Studenten der Zahnmedizin, Joachim Blumenthal, nach München: »Lieber Jochen! Bin seit Montag in Einbeck. War Sonntag in Frankfurt bei M. G. Schicke bitte einen Krug 1 l vom Hofbräu nach Einbeck postlagernd unter F. G. 07. … Gruß Dein M. Jordan«. Ob dieser Bierkrug aus dem Hofbräuhaus ein Geschenk an Einbecker Freunde sein sollte oder einen anderweitigen Zweck erfüllen sollte, werden wir leider nie erfahren. Glenewinkel bedankt sich »Für Ihre Freundlichkeit im voraus«.

Die Ansichtskarte war zu Glenewinkels Zeiten hochaktuell. Sie zeigt das Krumme Wasser und die kurz zuvor neu gebaute »Präparandenanstalt« am Walkemühlenweg. Heute nennt man eine solche Einrichtung Studienseminar – hier wurden junge Lehrer ausgebildet. Damals wie heute war das Einbecker Schulwesen in Bewegung. Als die Postkarte geschrieben wurde, hatte man kurz zuvor das Technikum am Hubeweg (heute Neues Rathaus) schließen müssen. Gleichzeitig stand der Bau der späteren Goetheschule kurz vor der Fertigstellung und die Stadt vor der Entscheidung, ob die Volks- und Mittelschule zusammengelegt werden sollen. 1907 war auch das Jahr, in dem die »Flussbadeanstalt« auf dem Gelände des heutigen Schwimmbades ihre erste Saison hatte. Eine Umfrage in der Einbecker Bevölkerung ergab 1907 den Bedarf von »250 Glühbirnen«.

Es sollte aber noch zwei Jahre dauern, bis 400 Einbecker Haushalte an das Stromnetz angeschlossen werden konnten. Im fernen Berlin wurde 1907 der Einbecker Schauspieler Wilhelm Bendow im neu eröffneten Schiller-Theater unter Vertrag genommen, er spielte unter anderem in »Minna Barnhelm«. Den Einbecker Maler Kurt Hensel zog es in die entgegengesetzte Richtung. Er begann 1907 die Ausbildung an der Akademie der Bildenden Künste in München. Das Gebäude der Präparandenanstalt am Walkemühlenweg existierte nur 62 Jahre: 1927 zog hier die Holzfachschule ein. Gerade mal 20 Jahre alt, befand sich der rote Backsteinbau nicht »im besten baulichen Zustand«. Die Schülerzahl stieg 1933 von 188 auf 300. Wegen des guten Zulaufs entschloss man sich zur Umwandlung von einer städtischen Gewerblichen Berufsschule zu einer Kreisberufsschule. In der Zwischenzeit hatte man die Schule gründlich renovieren lassen, aber 1938 musste die Berufsschule ausziehen. »Einbeck sollte Garnison werden und das schon instandgesetzte Schulgebäude war dazu geeignet.« Ein Jahr später stellte sich heraus, dass die Schule als Reservelazarett nicht mehr in Frage kam – Tische und Stühle wurden zurück gebracht, und der Unterricht ging weiter. Zwei Monate danach mussten wieder Räume zur Verfügung gestellt werden. Im Mai 1940 wurde erneut komplett geräumt. Im Zweiten Weltkrieg diente es als Hilfskrankenhaus, und es fand kaum noch Unterricht statt. 1946 wurde unter dem ehemaligen Lehrer und Malermeister Georg Dörge der Schulbetrieb aufgenommen. 1950 wurde die Schule mit der Gewerblichen Berufsschule vereinigt, sie führte jetzt den Namen »Berufs- und Handelsschulen des Landkreises Einbeck«. Nach einer Besichtigung des Schulausschusses des Landkreises wurden 1965 die Räume im Keller der Schule für den Unterricht gesperrt. 1968 befasste sich die Gesamtkonferenz des Kollegiums mit Neubauplänen: »Vom Kreistag wird der Atriumbau befürwortet«.

Ein moderner Stahlskelettbau sollte den Altbau ersetzen und »im Falle der zukünftigen Nutzung des Walkemühlenweges als Zubringer zu der geplanten Umgehungsstraße« zusätzlich lärmschonender wirken als ein »Winkelbau«. Kurz danach wurde die alte Präparandenanstalt abgerissen – 1971 wurde der »Block I« der Berufsbildenden Schulen fertiggestellt.wk