Die schlesische Heimat bleibt im Herzen

Wiedersehen der Patschkauer in der Patenstadt | Sich der Wirklichkeit stellen | Freude auf das Depot

Einbeck. »Sich der Wirklichkeit stellen... mit der Heimat im Herzen«, unter dieses Motto hatten die Patschkauer ihr Wiedersehenstreffen gestellt, das am Wochenende in Einbeck stattgefunden hat.

Einbeck ist seit 1954 die Patenstadt der heimatvertriebenen Patschkauer und der Bewohner der umliegenden Dörfer. Der Zuspruch, bedauerte der Vorsitzende des Schlesischen Heimatvereins Patschkau und Umgebung, Leo Schiller, die nicht unerwartete Entwicklung, sei erneut rückläufig, viele Heimatfreunde seien nicht mehr in der Lage, den Weg auf sich zu nehmen. In seinerAn­sprache distanzierte sich Schiller von unrealistischen Erwartungen in der Vertriebenenpolitik – man müsse sich der Wirklichkeit stellen. Dass sie die Heimat dabei nicht vergessen, machten die Patschkauer unter anderem beim gemeinsamen Singen ihrer »Nationalhymne« deutlich, begleitet von Dagmar Schindewolf und Rudi Trommer.

Dass die Politik in Einbeck die Schlesier nicht als »untergehendes Schiff« ansehe, zeigte der Besuch der stellvertretenden Bürgermeisterin Beatrix Tappe-Rostalski sowie der Ratsmitglieder Margrit Cludius-Brandt, Dr. Reinhard Binder und Rainer-Michael Hartje, freute sich Leo Schiller. Seit 1954 seien die Patschkauer die »Patenkinder« der Stadt Einbeck, blickte Beatrix Tappe-Rostalski zurück. Regelmäßig finden hier Heimattreffen mit Besuchern aus ganz Deutschland statt, bei denen Wiedersehen gefeiert, Gedanken und Erinnerungen ausgetauscht und Freundschaften gepflegt werden. Die Patschkauer fühlten sich Geschichte und Gegenwart verbunden, das geschichtliche Patschkau bleibe für sie lebendig. Die Erinnerungen würden unter anderem in der Heimatstube im StadtMuseum wach gehalten. Der Wunsch nach der Erweiterung des Archivs sei von der Politik positiv aufgenommen worden, kündigte sie unter Beifall an. Gemeinsam sei man auf einem guten Weg, das kulturelle Erbe zu sichern. In der Patenstadt würden die Patschkauer verstanden, gestern, heute und in Zukunft, sagte sie.

Den Dank an die Stadt Einbeck, die das Treffen ideell und finanziell unterstütze, stellte der Vorsitzende Leo Schiller an den Anfang seiner Ansprache. Unabhängig von politischen Mehrheiten seien Förderung und Zusammenarbeit in fast 60 Jahren stets vorbildlich gewesen. Darum würden die heimatvertriebenen Patschkauer von anderen Heimatgruppen beneidet. Die Förderung gehe über die Grenzen der Stadt hinaus, denn überall dort, wo Patschkauer oder Dörfler das 90. Lebensjahr überschritten hätten, erhielten sie ein offizielles Glückwunschschreiben. Auch die Unterbringung und Erweiterung der Heimatstube sei eine wichtige Unterstützung. »Das große Abschiednehmen hat begonnen«, zitierte Leo Schiller eine »Dohlen«-Leserin. In Briefen, Telefonaten und Mails sei immer wieder von Todesfällen und gesundheitlichen Problemen die Rede. Aber nicht nur der Verein, sondern auch die überregionalen Zusammenschlüsse würden dahinschmelzen, das werde unter anderem sichtbar am immer kleiner werden Deutschlandtreffen der Schlesier. Man müsse allerdings, auch nicht mit Blick auf die Zerwürfnisse an der Spitze der Landmannschaft, in Trauer und Resignation versinken. Zwei selbsternannte »Wunderheiler« in den eigenen Reihen hätten erkannt, dass ihre unrealistischen Rettungsmethoden von den Vereinsmitgliedern abgelehnt würden. Dem Verein hätten sie aber im Ansehen und in den Finanzen sehr geschadet. Eine Rettung der Erlebnisgemeinschaft sei im biologischen Sinn nicht in Sicht, erläuterte Schiller. Aber man stelle sich der Wirklichkeit, denke an die Ursprünge, an die verflossenen Jahrzehnte. Man blicke mit Stolz auf das, was in Patschkau von den Vorfahren geschaffen wurde. Aber man habe auch die Zeit nach der Vertreibung genutzt. So waren 250 Patschkauer und Dörfler 2004 beim 750-jährigen Stadtjubiläum. Mindestens 30 Mal ging es mit Bussen in die Heimat; Erinnerungsmedaillen wurden geprägt, Bücher herausgegeben, viele in deutsch-polnischer Zusammenarbeit, und die Vereinszeitschrift, die »Patschkauer Dohle«, genieße in Vertriebenenkreisen höchstes Ansehen. Dass Patschkau 2012 zur Kulturstadt erhoben wurde, sei auch ein Verdienst der Vorfahren – viele Erstbesucher seien verwundert, welches kulturelle Erbe hinterlassen wurde.

Man könne aber auch stolz sein auf das, was seit 1946 im Westen aufgebaut wurde. Die Flüchtlinge hätten zum Wohlergehen beigetragen und sich eine Existenz aufgebaut. Jeder vierte Einbecker sei Abkömmling von Heimatvertriebenen. Mit der Konzentration der Schätze aus Patschkau im StadtMuseum werde ein kulturelles Gedächtnis geschaffen, das seinesgleichen suche. Er freue sich, so Schiller, dass nun mit der seit einigen Jahren gewünschten Einrichtung des Depots begonnen werde. Dazu dankte er vielen »Dohlen«-Lesern für ihre Spenden; der Heimatverein werde das Vorhaben mit 10.000 Euro unterstützen.

Dass die Patschkauer in ihrer schlesischen Heimat von den jetzigen Bewohnern freundlich aufgenommen würden, sei keinesfalls selbstverständlich. Nicht Hass und Rachegedanken hätten sie bei den Fahrten dorthin begleitet, sondern der Wille, die Zukunft in Frieden und Freiheit zu sichern. Die Vertreibung sei ein Unrecht gewesen, doch kaum einer wolle die nun dort Wohnenden ebenso vertreiben. Freizügigkeit in Ost- und Mitteleuropa sei ein hohes Gut, an dessen Zustandekommen man durch maßvolles Verhalten Anteil habe. »Dabei vergessen wir nicht, woher wir kommen«, betonte Schiller, »wir fühlen uns aus unseren Wurzeln als Schlesier.«ek