»Die Welt wird nicht schlechter, obwohl wir das gern denken«

Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx zu Gast bei der Sparkasse Einbeck / »Anleitung zum Zukunfts-Optimismus« vermittelt

»Die Stimmung ist schlechter als die Wirklichkeit.« Zu diesem Fazit kam Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx bei seinem Vortrag beim »Einbecker Forum« der Sparkasse Einbeck. Vor rund 200 Gästen gab er eine »Anleitung zum Zukunfts-Optimismus«.

Einbeck. »Deutschland geht es so gut wie nie, aber wenn wir schlechte Nachrichten hören, geht es uns auch schlecht.« Der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Einbeck, Stefan Beumer, bedauerte dieses Phänomen, aber mit negativen Schlagzeilen lasse sich besser Geld verdienen - und so warte schon die nächste Apokalypse. Er ermunterte die Besucher des »Einbecker Forums«, optimistisch in die Zukunft zu schauen.

Die Stimmung in der Gesellschaft habe sich verändert, sagte Matthias Horx mit einem Blick auf seinen Vortrag, den er im Jahr 2000 bei der Sparkasse gehalten hat. Er wolle zeigen, warum die Welt nicht schlechter werde, »obwohl wir das gern denken.« Wie man die Zukunft betrachte, hänge auch von Einstellungen ab. Riesige Datenmengen zur Entwicklung der Welt seien verfügbar, und so könne man den Meinungen Tatsachen gegenüber stellen. Eine Umfrage in 60 Nationen dazu, ob die Menschen eine bessere oder schlechtere Zukunft erwarteten, zeige ein überraschendes Ergebnis: In ärmeren Ländern erwartet man eine bessere Zukunft, in Ländern wie Deutschland oder Österreich geht man davon aus, dass sie schlechter werde als die Gegenwart. Horx zeigte auf, dass sich globale Angstkurven messen lassen, wie Gebirge türmen sie sich auf. Anhand konkreter Beispiele machte er die Probe aufs Exempel: So steigt die Kriminalität nicht an, sondern Deutschland wird immer sicherer – allerdings haben die Menschen ein Unsicherheitsgefühl. Eine Ursache könne sein, dass die Medien aus Phänomenen Trends machen. Es bestehe eine Diskrepanz zwischen Wahrnehmungen, Erwartungen und Zahlen, was sich auch am Thema Krieg und Gewalt festmachen lasse: Früher starb ein Fünftel aller Menschen durch Menschenhand. Zur befürchteten Überbevölkerung hätten sich inzwischen neue Datenlagen entwickelt. Hohe Lebenserwartungen, aber kleinere Familien deuteten darauf hin, dass in 20 Jahren mehr Menschen sterben als geboren würden. Als maximale Erdbevölkerung prognostizierte er 9,5 Milliarden um 2060 bis 2070, danach werde die Zahl wieder schrumpfen. Und neun Millionen Menschen könne der Planet ohne weiteres ernähren. Auch die Annahme, die Armen würden immer ärmer, was 80 Prozent der Deutschen glaubten, widerlegte der Referent. Im Gegenteil: Es gebe immer weniger Arme, der Prozentsatz sinke trotz gestiegener Weltbevölkerung.

Die Welt, war er sicher, werde umgekrempelt, es gebe einen großen Übergang, wenn drei Milliarden Aufsteiger die Chance hätten, Wohlstand zu erlangen. Vom Fahrrad übers Moped Moped und zum Auto führe dieser vertikale Aufstieg, und ein Slum könne so zum Schmerztiegel von Fähigkeiten werden. Es gebe weltweit weniger Menschen, die in Slums lebten. Der Zugang zu fließendem Trinkwasser wurde gesteigert, die Alphabetisierungsrat in Afrika ist gestiegen – die Situation könnte optimistisch stimmen.

Auch den »Mythos Klimakatastrophe«nahm Horx unter die Lupe: 80 Prozent der Menschen fürchteten, die Umwelt gehe kaputt – eine »klassische Narration«, so der Referent, denn das Gegenteil sei der Fall. Klimaänderungen habe es in der Vergangenheit immer wieder gegeben, ebenso Flutkatastrophen. Die Erde sei ein Planet des dauerhaften Wandels, und derzeit lebe man in einer Eiszeit, die durch menschliche Einwirkung etwas wärmer geworden sei. Für die Zukunft gelte es, den Mehrverbrauch von Ressourcen pro Mensch zu überwinden. Eine Abkopplung des Wachstums vom Energieverbrauch verbessere umweltrelevante Kurven, und somit könne man eine andere Rechnung in Bezug auf die Zukunft aufmache. Es gebe keine notwendige katastrophale Entwicklung, »aber wir glauben daran.«

Als einen Grund für die Verunsicherungen und Ängste nannte Horx den »medialen Alarmismus«. Alle würden um Aufmerksamkeit der Leser oder Zuschauer kämpfen nach dem Motto »Hauptsache schlimmer.« Der Blick auf die wöchentlichen Talkshow-Titel zeige Thesen, die gezielt zu Sensationen oder Zuspitzungen würden: »Katastrophen ohne Ende.« Horx riet da zu gesunder Skepsis: »Laut einer Studie könnte ...«: Wenn man so etwas höre, sollte man kritisch sein. Diese Szenarien führten auch dazu, dass man positive Botschaften nicht mehr wahrnehmen könne.

Die Hirnfunktionen des Menschen seien entstanden, als der Mensch immerzu ums Überleben kämpfen musste, und so seien sie erhalten geblieben. Der Mensch werde beeinflusst von archaischen Ängsten vor Hunger, Gewalt, Katastrophen und Krankheiten, und die Medien lieferten dazu schnell verfügbare Bilder. Man sehe nur das, was man sehen wolle, »und wir lieben und verteidigen unsere Vorurteile.« Als Beispiele nannte er die Schlagzeilen zu den NSU-Morden: Sofort verbreitete sich die Meinung, dahinter könne nur die Mafia stecken. So würden Feindbilder produziert.

Als Pars-pro-toto-Effekt bezeichnete Horx das Verhalten, Einzelfälle für Trends zu nehmen: Wütende Jugendliche, die Generationenproblematik oder Burnout als Volkskrankheit – alles Thesen, die sich leicht widerlegen ließen. Beim sogenannten Fahrstuhl-Effekt würden Wohlstand und Ansprüche steigen, die Wirklichkeit bleibe immer weiter dahinter zurück. Gerade die Deutschen schätzten »apokalyptisches Cocooning«, sie hätten viel Angst, aber sie seien sehr glücklich dabei: »Hier ist es gut, aber die Welt ist schrecklich.« Es gebe genügend zu tun, sich aus dieser sich selbst bestätigenden Spirale wieder zu lösen und aus lauter Angst vor dem Zusammenbruch der Zivilisation selbige zu gefährden.

»Lockerungsübungen für das Zukunftsbe-wusstsein« gab der Forscher dem Publikum schließlich mit auf den Weg. »Verlassen Sie das Imperium des Angstglaubens«, so sein Rat. Man sollte nicht immer danach fragen, warum etwas schiefgehen könne. Krise sei eine Aufforderung zum Wandel. Wer ein krisenfreies Leben wolle, werde bitter enttäuscht. Den Horizont zu erweitern,  Segnungen anzunehmen und das eigene Handeln zu vernetzten, gehörten ebenfalls zu Horx’ Strauß an Ratschlägen. Und schließlich: »Lernen Sie schöner scheitern.« Man müsse weg vom Lothar-Matthäus-Prinzip, immer denselben Fehler zu wiederholen. Optimismus bewähre sich im Umgang mit Fehlern. Das Gegenteil von Optimismus sehe er nicht im Pessimismus, sondern im Possibilismus, in der Frage, was möglich und wahrscheinlich sei. Und schließlich bekamen die Besucher den Rat, nicht alles zu glauben, was auf sie einprassele, denn »die Zukunft ist ein bisschen besser als ihr Ruf.«ek