»Dumm gelaufen« für 36-Jährigen

Große Mengen Marihuana angebaut, aber Gartenpacht nicht gezahlt

Einbeck. Es wäre eine »gute Ernte« gewesen, eine große Menge in hoher Qualität – gebracht hat sie dem Anbauer fast eineinhalb Jahre Gefängnis zur Bewährung. Über den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln sowie über Betrug hat das Schöffengericht beim Amtsgericht Einbeck verhandelt. Angeklagt war ein 36-Jähriger, der angab, die Pflanzen zum eigenen Konsum gezogen zu haben. Aufgrund der Menge verhängte das Gericht eine Strafe über dem Mindestmaß. Zudem musste sich der Mann wegen Betrugs in drei Fällen verantworten.

Zunächst ließ der Angeklagte das Gericht mehr als eine halbe Stunde warten: Verschlafen hatte er, den Bus verpasst – ein denkbar schlechter Einstand für den Arbeitslosen, dessen bisherige berufliche Erfahrungen auf wenige Monate begrenzt sind.

Die Staatsanwaltschaft warf ihm unter anderem vor, vor knapp drei Jahren Spielzeug für sein Kind, eine Waschmaschine sowie ein Smartphone im Internet bestellt zu haben. Bezahlt habe er, bis auf eine Anzahlung von 180 Euro für das Handy, nicht, so dass ein Schaden von gut 1.000 Euro entstanden ist. Im November des vergangenen Jahres wurde er angeklagt, auf einer von ihm gepachteten Kleingartenparzelle im Bereich Dreckmorgen/Odagser Stadtweg in Einbeck zehn Marihuanapflanzen angebaut zu haben, »eigentlich« für sich, sagte er. Aus dem Blattgewicht und dem Gehalt an THC wurde auf den Wert des ungewöhnlichen Pflanzguts geschlossen.

Die Zahl von 1.986 Konsumeinheiten irritierte nicht nur den Staatsanwalt: »Wie viele Jahrzehnte wollten Sie das benutzen?« Nachdem er die Pacht nicht bezahlt hatte, wurde ihm der Garten gekündigt. Der Nachpächter wunderte sich über die Bepflanzung und schaltete die Polizei ein. Während er den Besitz von Betäubungsmitteln einräumte, wollte er sich zum Betrug nicht äußern. »Was Sie machen können: aufräumen«, versuchte der Staatsanwalt den 36-Jährigen zu vernünftigen Aussagen anzuhalten. Intensiv redete er ihm ins Gewissen: »Was ist los mit Ihnen? Warum arbeiten Sie nicht? Wie lange nehmen Sie schon Drogen?« Der Angeklagte zeige keine Wege, wie er wieder auf die Beine kommen wolle. Erst recht wären ihm mit einer Haftstrafe die Chancen verbaut.

Erst nach einem Gespräch mit seinem Anwalt rückte der Mann mit mehr Informationen heraus. Er räume die Anschuldigungen ein, werde sich um eine Therapie kümmern, und er habe einen Termin zum Probearbeiten – vielleicht werde eine Beschäftigung daraus. »Warum erzählen Sie das nicht gleich?«, wunderte sich der Anklagevertreter. Drogenkonsum gab der 36-Jährige zu. Er sei in einer ambulanten Betreuung, worum er sich selbst gekümmert habe. Ganz konnte der Staatsanwalt seine Skepsis nicht ablegen: »Meinen Sie, dass das was wird, was Sie hier erzählen?« Immerhin hätten sich schon Schulden angehäuft. Erfreulich sei jedoch, dass er bislang noch nicht straffällig geworden sei.

Unvorbelastet und einsichtig, so weit ihm das möglich sei, dazu ein vollkommen unprofessionelles Vorgehen, das legte die Staatsanwaltschaft für ihn in die Waagschale. Beantragt wurde eine Geld- und Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren, ausgesetzt zur Bewährung. Man könne Versuche sehen, wie er sich aus dem Sumpf ziehen wolle. Die Bewährung sollte vier Jahre laufen, die ambulante Betreuung weitergehen, zudem sei eine Suchtberatung aufzusuchen. Und falls es mit dem Arbeitsplatz nicht klappen sollte, wären 250 Stunden sozialer Arbeit fällig. Außerdem wurde ihm der Weg zur Schuldnerberatung empfohlen.

Es sei »ziemlich holprig« mit seinem Mandanten gegangen, bestätigte Anwalt Dr. Friedemann Neddenriep. Er sei aber in vollem Umfang geständig; ein im höchsten Grad kriminelles Vorgehen könne man nicht sehen. Wenn man davon ausgehe, dass er eine Arbeit bekomme und in ein regelmäßiges Leben einsteige, wären ein Jahr und drei Monate ausreichend, bei einer Bewährungsfrist von drei Jahren, immerhin sei er Ersttäter.

Das Gericht entschied auf eine Haftstrafe von 17 Monaten auf Bewährung. Die sogenannte »geringe Menge« beim Besitz von Drogen sei weit überschritten. Er habe es dem Gericht schwer gemacht, so Richterin Sievert, aber schließlich doch die Verantwortung übernommen. Vom Anbau habe er nicht einmal etwas gehabt, das sei für ihn »dumm gelaufen«, aber das entspreche dem Gesamtbild, das man gewonnen habe: Der Angeklagte wirke gedankenlos. Das Urteil lege ein engmaschiges Netz um ihn, das er als Hilfestellung sehen sollte, seinem Leben einen Anstoß zu geben. Sobald die Auflagen nicht erfüllt seien, werde sich die Sache ändern, dann gehe es in Haft. Die Bewährungsfrist soll vier Jahre betragen, innerhalb des ersten halben Jahres ist wöchentlicher Kontakt mit einem Bewährungshelfer nötig. 250 Stunden gemeinnütziger Arbeit verhängte das Gericht für den Fall, dass es nichts wird mit dem Arbeitsvertrag. Ambulante Betreuung sei nachzuweisen, auch Gespräche mit der Suchtambulanz.ek