Dunkle Nacht mit innerer Zerrissenheit

ver.di organisiert Vortrag über Burnout | Chance für Neuorientierung | Pfleglicher Umgang mit dem Personal

In vielen Dienstleistungsberufen seien immer mehr Menschen durch die ge­stiegenen Anforderungen an ihre Arbeit und durch zunehmenden Zeitdruck ausgebrannt, erklärt der Ortsverein Einbeck-Bad Gandersheim der Gewerkschaft ver.di. Deshalb organisierte ver.di einen Vortrag zum Thema »Burn-out«: Der Diplom-Sozialwirt Michael Röslen konfrontierte die Zuhörer mit dem, »was sie schon immer über Burnout ahnten, aber nicht zu denken wagten«.

Einbeck. »Ene, mene, muh und raus bist du« überschrieb der Wissenschaftler seinen Vortrag, in dem Burnout als Chance verstanden werden konnte. Burnout könne nämlich der Anfang einer neuen Orientierung sein. Berufliche oder private Verwerfungen könnten zum Burnout führen. »Burnout kann  jeden treffen.«

Arbeit sollte ein Beitrag zur Lebensqualität sei, ist die Vision des Diplom-Sozialwirtes.  Allerdings hätten die psychischen Erkrankungen in den vergangenen Jahren rapide zugenommen, sie machten rund 15 Prozent der Krankheitsarten an Arbeitsfehltagen aus. Von Burnout seien Frauen stärker betroffen. Durchschnittlich fehlten sie deshalb 62 Tage, Männer nur 35 Tage.

Burnout schleiche sich an: Es gebe drei Phasen - die Aktivierungs-, die Widerstands- und die Erschöpfungsphase. Zunächst denke man, man schaffe das, dann werde man von Zweifeln geplagt, und am Ende gehe nichts mehr: dunkle Nacht. Burnout sei die Folge von einem chronischen Missverhältnis von In- und Output. Hinzu kämen emotional-stressende Faktoren wie Zeitdruck. Wo lange Ohnmacht erlebt werde, da entstünden Gefährdungen. Die Etappen des Burnouts könnten zu Reizbarkeit, schlechterem Schlaf oder diffusen Schmerzen führen. Gekoppelt damit sei oftmals ein Rückzug vom sozialen Leben in die Arbeit. Versagensängste und Schudgefühle würden auftreten. Es türme sich eine große innere Zerrissenheit auf. »Es setzt eine dunkle Nacht ein mit Interessen- und Sinnlosigkeit.

Auf dem Weg zum Burnout könne es schmerzhafte Verspannungen geben, erhöhten Blutdruck, Diabetes, Schlafstörungen, Appetitstörungen, Erschöpfungssymptome, Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme,  Unlust oder Gereiztheit. Burnout sei eine »wilde« Mischung aus Resignation, Bitterkeit, Aggressivität, Negativismus, Ressentiments, Missstrauen, Deprimiertheit und Angst bezog sich der Referent auf Professor Dr. Faust. Die Abnahme der Leistungsfähigkeit müsse medizinisch abgeklärt werden, das Burnout-Syndrom sei schließlich keine eigenständige Krankheit, gelte nur als Einflussfaktor. Die Grenze zwischen Burnout und Depression sei nicht einfach zu ziehen, merkte Röslen an - im Hintergrund stehe aber immer der Stress.Tatsache sei, dass Menschen mit ihrem Wirken etwas Sinnvolles tun wollten – über das persönliche Wohl hinaus zum »Wohl ihres Stammes«. Menschen strebten also eine Balance für sich und mit anderen an. Die Grundbedürfnisse Autonomie und Zugehörigkeit – auch virtuell – müssten austariert werden. Wer um Zugehörigkeit in der Arbeitswelt fürchte, der kündige innerlich, müsse aber gleichzeitig  Konkurrenz ertragen und Kooperation leben. Nährboden für Burnout seien enge Zeitlimits, hohe Mobilität, hohe Verfügbarkeit, ständig unberechenbare Veränderungen und Erwartungen. »Gute Voraussetzung« für Burnout sei, sich für alles zuständig und verantwortlich zu fühlen und alles perfekt machen zu wollen. »Wenn du alles gibst, brauchst du dich nicht zu wundern, wenn du nichts mehr hast.«

Burnout-Berufe seien unter anderem im Sozialwesen, im Dienstleistungsberuf oder im Krankenhauswesen zu finden. Doping mit stimmungsaufhellenden Medikamenten  würden rund 800.00 Arbeitnehmer betreiben, gab Röslen zu bedenken. Blutdrucksenker, Psychoanaleptika, blutfettsenkende Mittel oder nicht verschreibungspflichtige Nahrungsergänzungsmittel, Kaffee oder Alkohol  würden eingenommen. 

Burnout sei keine neue Mode, sondern lediglich ein moderner Begriff für Altbekanntes, schon immer habe es Erschöpfungen, Auszehrung und Zusammenbrüche gegeben. Aber an der Ausbreitung von Burnout  dokumentiere sich ein Zeitgeist von Ausgrenzung ohne Not. »Burnout ist die erschöpfte, ausgebeutete Natur am eigenen Leib.« Röslen plädierte für bedingungslose Selbstachtung denn ein Nein zu anderen bedeute auch ein Ja zu sich selbst. Wichtig seien ein gutes Team, die Balance zwischen Aktivität und Erholung, Bewegung, der achtsame Konsum von Genussmitteln und gutes Essen.

Peter Zarske freute sich im Namen des ver.di-Ortsvereins Einbeck-Bad Gandersheim über die zahlreichen Zuhörer. Burnout sei ein Thema geworden, mit denen man sich in den Betrieben beschäftigte. Dort würden die Ausfallzeiten in den Blick genommen, die Gewerkschaft aber will präventive Maßnahmen fokussieren. Gewerkschaftssekretär  Lothar Richter führte die Arbeitsverdichtung an und konnte feststellen, das Burnout in allen Bereichen präsent sei. Gerade für Unternehmen aber gelte, dass Erfolge das sichtbar gewordene Ergebnis innerer Einstellung seien. Instrumente zur Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz gebe es, nur leider würden sie vom Arbeitgeber nicht immer umgesetzt. Der entscheidende Erfolgsfaktor für ein Unternehmen aber liege im pfleglichen Umgang mit dem Personal.sts