Ein Gewinn für die Natur und die Allgemeinheit

Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer lobt Einbecker Märchenwald | Vorbildlicher Einsatz

»Natur-affin« sei der Minister, das konnte Einbecks Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek nach dem rund eineinhalbstün­digen Besuch von Christian Meyer im Einbecker Märchenwald feststellen. Der Niedersächsische Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat sich mit zahlreichen Vertretern von Naturschutzorganisationen und mit Umwelt- und Natur-Experten über die bisherige Arbeit auf dieser besonderen Fläche und die künf­tigen Ziele informiert.

Einbeck. »Wir zeigen Ihnen, welch schöne Vielfalt wir hier haben,  damit Sie hinterher mit dem Gefühl fahren: Dieser Besuch hat sich gelohnt«, lud Waldökologe Henning Städtler, einer der Initiatoren des Märchenwalds, den Besucher zum Rundgang ein.

Nach der Begrüßung durch Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek gab es zunächst Informationen zum Waldstandort Einbeck von Klaus Weinreis von der Forstverwaltung. 571 Hektar sei der Stadtwald groß, 23,8 Hektar umfasst der Märchenwald, weitere fünf Hektar habe die Stadt für einen Ruhewald aus der Bewirtschaftung genommen. Schon seit vielen Jahren seien die Flächen behutsam bearbeitet worden.

Was man am Märchenwald habe, erkenne man am besten, wenn man einen »üblichen« Wald betrachte, stellte Waldökologe Gert Habermann einen typischen Wirtschaftswald vor. Vorratsreich seien die mehr als 80-jährigen Buchen-Eschen-Linden-Bestände, führte er aus. Holz sei ein unersetzlicher, immer stärker nachgefragter Rohstoff, und Einbeck verfüge über einen Vorrat von 414 Festmetern, was eine CO2-Speicherung von mehr als 180 Tonnen bedeute. Gerade das sei wichtiger Faktor.

Aber dabei sollte man bedenken, dass ein Stamm von einem Meter Durchmesser gegenüber einem Stamm von 50 Zentimetern nicht die doppelte, sondern die dreifache Menge an CO2 speichern könne. Starke Bäume seien somit wichtig. Waldökologen warnten vor einem Rückgang zahlreicher Pflanzen- und Tierarten in Wirtschaftswäldern, die an große Maschinen angepasst seien. Der Anteil sehr alter Bäume lasse sich dort kaum noch bemessen. Totholz, erläuterte er weiter, sei eine Schlüsselstruktur des naturnahen Waldes. »Wer mir hier im Wirtschaftswald nennenswertes Totholz zeigen kann, bekommt von mir 100 Euro«, wettete er scherzhaft, verbunden mit dem Appell an den Minister: »Keine Jagd auf alte Bäume.« Das seien Raritäten, die man erhalten müsse: »Sorgen Sie dafür«, so die Einbecker Bitte an Minister Meyer. Erfreulicherweise würden im Stadtwald alte Baumgruppen so weit wie möglich erhalten. Der Märchenwald gehört zum Typ Eichen- und Hainbuchenwald in der feuchten Variante - ein sehr seltenes Vorkommen. Nur noch rund 400 Hektar gibt es davon im Bergland in Niedersachsen. Die ältesten Bäume sind über 260 Jahre alte Eichen, der Totholzanteil liegt bei 40 Kubikmetern je Hektar. Im Wirtschaftswald seien es sechs bis 15 Festmeter – zu wenig für ein breites Artenspektrum. 20 Baum- und 120 Blütenpflanzenarten sind im Märchenwald erfasst, dazu 383 Käferarten, wovon 204 ans Holz gebunden sind, 68 Moose, 265 Pilze, 30 Flechten und sechs Spechtarten – immer sind auch Rote-Liste-Arten dabei. Der Strukturenreichtum stehe für eine reichhaltige Tier- und Pflanzenwelt.

Beim Gang durch den Märchenwald lernte der interessierte Minister besondere Bäume kennen. Er legte das Maßband beim Vermessen einer Buche mit 4,30 Metern Umfang und 1,40 Metern Durchmesser an, die Waldexperten zeigten ihm einen mit Zunderschwämmen bewachsenen Baum, und sie machten darauf aufmerksam, dass der ökologische Wert im Wirtschaftswald eher gering sei. Naturnah bewirtschaftete Wälder müssten allerdings auch bestimmte Größen haben: 20 Hektar und mehr seien sinnvoll.

Christian Meyer lobte den Einsatz für Naturschutz, Vielfalt und Vernetzung, der im Märchenwald gezeigt werde. Das Land habe sich vorgenommen, bis 2020 zehn Prozent der Fläche der Landesforsten, die als besonders wertvoll einzustufen seien, aus der Bewirtschaftung zu nehmen. Ab Herbst soll es Beteiligungsverfahren dazu geben, 2015 sei mit entsprechenden Beschlüssen zu rechnen: »Natur und Erholung sind uns etwas wert«, betonte der Grünen-Politiker. Den finanziellen Verlust müsse man durchaus sehen, und ergänzend stelle sich die Frage, wie die verbleibenden 90 Prozent bewirtschaftet würden. Zudem hoffe man auf entsprechende Nachfolgeregelungen für Bundesbesitz.

Einen Wunsch aus dem Märchenwald konnte der Minister mit nach Hannover nehmen: Er soll sich dafür einsetzen, dass sich knapp 100 Hektar aus dem Greener Wald, unter anderem über 200 Jahre alte Buchen, ohne weitere Nutzungseingriffe entwickeln können. Ein Genaustausch mit dem Märchenwald wäre möglich, und auch Sonderbiotope seien im Zusammenhang zu sehen. Halbtrockenrasen und Orchideenarten bestätigen den Schutzbedarf. »Damit wäre ein weiterer Schritt zur Erfüllung der Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung gegeben, so Städtler in seiner Begründung. Wenn die Landesregierung Geld übrig habe: Im Märchenwald gebe es noch einige Forschungsaufgaben, ergänzte Gert Habermann die Wunschliste.

Er halte es für vorbildlich, was in Einbeck getan werde, betonte Minister Meyer. Das sei für die Allgemeinheit und für die Natur ein Gewinn. Manches könnte seiner Meinung nach schneller gehen, aber in den Wäldern dauere es ja auch etwas länger. Einbeck gebe mit seinem Märchenwald nicht nur ein Beispiel für andere Kommunen, was er gern mitnehmen und lobend erwähnen werde, sondern auch die Waldpädagogik, die die Ziele vermittele, sei hervorzuheben. Das alles, so Bürgermeisterin Dr. Michalek, sei durch engagierte Beteiligte möglich geworden. Die Politik habe ihren Beitrag dafür geleistet – so etwas funktioniere nur miteinander. Der Märchenwald könne Verständnis für naturnahe Waldbewirtschaftung wecken.ek