»Ein historischer Schritt, der Respekt verdient«

Völlig überrascht: Pfarrer Marschler zum Papst-Rücktritt / Einbecker Geistlicher hat Benedikt XVI. mehrmals persönlich getroffen

Völlig überrascht hat Pfarrer Ewald Marschler die Nachricht - am Rosenmontag mittags, als im Fernsehen die Karnevalsumzüge gezeigt wurden, die der überzeugte Karnevalist natürlich nicht verpassen wollte. Angesichts der Nachrichten aus dem Vatikan rückten sie aber in den Hintergrund. Von einem »historischen Schritt« spricht der Einbecker Pfarrer angesichts des Papst-Rücktritts in dieser Woche. Traurig und bewegt, zugleich aber auch voller Verständnis hat er die Entscheidung zur Kenntnis genommen. Marschler ist mehrmals persönlich mit dem Kirchenoberhaupt zusammengetroffen.

Einbeck. »Als Benedikt XVI. am 19. April 2005 zum Papst gewählt wurde, entschieden sich die Kardinäle mit dem 78-jährigen Kardinal Joseph Ratzinger nach der langen Amtszeit Johannes Pauls II. bewusst für ein kürzeres Pontifikat«, stellt Pfarrer Marschler rückblickend fest. Dass der Papst nun dieser Amtszeit selbst ein Ende setze, könne ohne Übertreibung als historische Sensation bezeichnet werden. Auch wenn das Kirchenrecht den  Rücktritt eines Papstes vorsehe und schon in der Amtszeit des Vorgängers immer wieder über diese Möglichkeit spekuliert wurde, stelle der nun erfolgte Rücktritt - der zweite in der 2.000-jährigen Geschichte der katholischen Kirche überhaupt - eine historische Zäsur dar.

Die Ankündigung sei weltweit mit dem verdienten Respekt aufgenommen worden. Der Papst beweise großen Mut, mit einer jahrhundertalten Tradition zu brechen, dass nämlich erst der Tod das Amt beendet. »Die eigenen schwindenden Kräfte nüchtern einzuschätzen und die eigene Person dem Wohl der Kirche unterzuordnen, ist vorbildlich und beweist große menschliche und religiöse Demut und Kraft«, so Marschler. Für die Kirche könne der Schritt ein großer Gewinn sein, ohne das Amt zu beschädigen. Es werde sogar menschlicher, ohne an Heiligkeit zu verlieren. Und der Rücktritt, überlegt er weiter, könnte schrittweise zu einer notwendigen Verjüngung führen. In den vergangenen 100 Jahren gab es nämlich die längste Zeit Päpste, die 80 Jahre oder älter waren, nur in einem Fünftel der Jahre standen 70-Jährige oder Jüngere an der Spitze der katholischen Kirche. Der mutige Schritt mache es für jeden seiner Nachfolger einfacher, diesen Weg ebenfalls einzuschlagen, wenn es notwendig sei. So gewinne das Papstamt an Freiheit. Schließlich ruft Marschler dazu auf, Papst Benedikt für seinen weiteren Lebensweg Gottes Segen zu wünschen und seiner ihm Gebet zu gedenken.

Erstmals persönlich erlebt haben Einbecker Pilger den Papst im August 2005 beim Weltjugendtag in Köln: 27 Jugendliche und fünf Erwachsene aus der Einbecker Gemeinde sowie 40 Jugendliche aus Einbecks Partnerstadt Patschkau waren überwältigt von den Eindrücken. Er habe, so berichtete Marschler damals, Glaubensweisheiten jugendgerecht vermittelt. Unvergessen waren die Gottesdienste auf dem Marienfeld mit bis zu 1,1 Millionen Besuchern.

Auch am zweiten Papstbesuch Benedikts in Deutschland im September 2006 waren Einbecker Jugendliche dabei: Mehr als 20 Teilnehmer aus der Region besuchten die Papstmesse in Altötting. Als der Papst im September 2011 noch einmal in Deutschland war, haben 18 Gemeindemitglieder an der Wallfahrt mit Bischof Norbert Trelle von Duderstadt nach Etzelsbach teilgenommen. In Etzelsbach feierten sie mit dem Papst eine Marienvesper. Kurz darauf haben 20 Ministranten zusammen mit Pfarrer Marschler die Messfeier auf dem Erfurter Domplatz besucht. Mit Gewinnern der Weltjugendtags-Lotterie reiste Pfarrer Marschler im Oktober 2005 nach Rom, hier nahm er auch an einer Generalaudienz teil, ebenso 2007. Ganz persönliche Begegnungen mit dem Heiligen Vater waren 2006, 2008, 2009, 2010 und 2011 möglich, fast immer begleitet durch Pfarrer Franz Kurth aus Northeim und Mitglieder aus der Gemeinde. Bier und Blaudruck, Fotos und Senf, Eichsfelder Mettwurst und einen Sonderdruck der Einbecker Morgenpost hatten sie im Gepäck, gute Wünsche für die Gemeinde gab es zurück, und immer waren die Gespräche liebenswürdig und beeindruckend. »Unser Dauergast für die dritte Adventswoche«, ist Marschler 2011 sogar augenzwinkernd willkommen geheißen worden. Zuletzt war eine Pilgergruppe aus Einbeck und Northeim im vergangenen Dezember in Rom. Müde sah er aus, so der Eindruck aus der Generalaudienz, bei der Benedikt seinen ersten »Tweet« absetzte.

Zur fast unmittelbar nach dem Rücktritt einsetzenden intensiven Nachfolge-Diskussion hat Pfarrer Marschler eine klare Meinung: Er würde es begrüßen, wenn das Konklave einen Vertreter der Südhalbkugel der Erde wählen würde, möglicherweise aus Lateinamerika, besser noch aus Afrika - die Zeit sei reif dafür.ek