Ein ungewöhnliches Bild der Heiligen drei Könige vom »Meister Gislebertus«

Einbeck. Die »Weisen aus dem Morgenlande«, von denen im Matthäus-Evangelium (Kapitel 2) berichtet wird, und die später zu »Königen« umgedeutet sind, haben ihren Festtag am 6. Januar: An diesem Tag seien sie in Bethlehem angekommen. Ein heller Stern habe ihnen den Weg gewiesen. Und viele Maler haben die »Anbetung der Könige« im Stall von Bethlehem gemalt. Der »Meister Gislebertus« (erste Hälfte des zwölften Jahrhunderts), der »zu den größten Bildhauern des Mittelalters« gezählt wird und dessen »Bildwerke zu den menschlich anrührendsten Darstellungen der romanischen Skulptur überhaupt« gehören, hat für sein Bildnis von den Königen in der Kathedrale von Autun (Burgund) eine ganz andere Situation gewählt:

In seinem »Traum der drei Könige« zeigt er die drei Gestalten gemeinsam unter einer großen, runden Decke. Zwei von ihnen schlafen noch – ihre Augen sind geschlossen; den dritten erweckt gerade die zarte Berührung eines Engels, der auf den Stern, der sie führen soll, weist. Gislebertus wählt für sein Relief einen Zeitpunkt, der weit vor dem liegt, was Matthäus erzählt. Er zeigt ihre Berufung durch den Gottesboten im Traum. Bei ihm gibt es keinen mächtigen Jubel himmlischer Heerscharen wie bei den Hirten vor Bethlehem, sondern er bietet ein geradezu intimes Bild, eine leichte Berührung durch den Engel und sein Deuten auf den Stern. Es ist eine zartfühlende Ergänzung, eine behutsame Erweiterung der bekannten biblischen Geschichte, ein »Meisterwerk romanischer Reliefkunst«, das »großzügige Stilisierung mit anschaulicher Charakterisierung verbindet«.D.A.