Eisels Klezmer – Kombinationen mit vielen Impulsen

Dommusiktage: Helmut Eisel und Band begeisterten die Zuhörer im Alten Rathaus / Kompositionen mit imponierender Intensität

Eine Kombination, die passte und die durch ihre Intensität begeisterte: Auf der einen Seite musikalische Duelle zwischen der »sprechenden Klarinette« und dem Akkordeon oder der Gitarre, auf der anderen Seite Klezmer-Musik, die mit mannigfaltigen Variationen begleitet wurde, die von russischen Melodien über Jazz-Kompositionen, bekannte Pop-Songs, französischen Chansons und Rap-Einlagen bis hin zu bayerischen Volksliedern reichten – die Zuhörer im Alten Rathaus waren fasziniert von Helmut Eisel und seiner Band.

Einbeck. Nicht nur durch die Rolle des Todes in »Jedermann«, die er 2008 bei den Domfestspielen fast nur mit der Stimme seiner Klarinette imponierend verkörperte, ist Helmut Eisel in der Region bekannt. Bei Auftritten in Bad Gandersheim und in Kreiensen – er spielte auch im vergangenen Jahr bei der Eröffnung der Alten Synagoge in Einbeck – infizierte er Viele für seine mit intensivem Gefühl dargebotene Klezmer-Musik. Im Rahmen der Dommusiktage gastierte der Künstler zusammen mit seiner Band im Alten Rathaus, und die Musiker demonstrierten, wie vielfältig und facettenreich ihre Kompositionen sein können.

Prägend für den ehemaligen Mathematikstudenten Eisel, der im Kindesalter die Klarinette erlernte, war 1989 die Begegnung mit Giora Feidman, der ihm die Klezmermusik und deren spirituelle Bedeutung vermittelte. Seither arbeitet Eisel mit Feidman zusammen, und er wurde durch ihn auch zu einigen Stücken, Interpretationen und »fremdgehenden Kompositionen«, inspiriert. Ein Beispiel ist das Lied »A Klezmer in Bavaria«, das die Musiker auch in Einbeck spielten und bei dem die jiddische Musiktradition auf bayrische Rhythmen aus dem Volkslied-Segment trifft.

»Go East« heißt das Programm der Musiker, da viele ihrer Impulse aus dem östlichen Bereich stammen: wie russische Volksweisen, die Akkordeon-Spielerin Irina Kawerina, die gebürtig aus St. Petersburg kommt, sowie Einflüsse, deren Wurzeln noch weiter im Osten liegen – fern des Pazifiks – im Jazz des New Yorker »Cotton Clubs«. Aus der Klassik nehme er das Handwerk, vom Klezmer die Farben und vom Jazz die Improvisationen, so Eisel, der zusammen mit Kawerina, Stefan Engelmann (Kontrabass), Amby Schillo (Schlagzeug, Percussion) und Michael Marx (Gitarre und Gesang) die Zuhörer mit auf eine musikalische Weltreise nahm, bei der auch Pop-Songs, französische Chanson-Sequenzen und Rap-Einlagen zu hören waren.Da er ein »reiner Klezmer-Klarinettist« noch nie war, ziehe er den internationalen Begriff »Talking Clarinet« (»sprechende Klarinette«) vor, so Eisel. Er verzauberte mit seinem Musikinstrument – mal imposant-laut oder mal sanft-leise – die Zuhörer, und er duellierte sich musikalisch mit dem Akkordeon und der Gitarre. Ob mit »Rebbe Elymelekh«, einem jiddisch-türkischen Schlager aus den 1980ern, »Joscha’s Waltz«, einer traditionellen russischen Melodie, die bekannt durch das Lied »Those where the days« ist, oder dem einfühlsamen »Kalbslied« (»Dona Dona«), die Musiker schafften es immer wieder, ihre Spiellust und ihr Können auf das Publikum überspringen zu lassen. Selbst wenn Abschweifungen zu fernen Klängen oder Rhythmen führten, kehrten die Künstler immer wieder zum Klezmer zurück, so dass die verschiedenen Impulse gekonnt miteinander verbunden wurden.

Hätte Duke Ellington im »Cotton Club« früher schon Stefan Engelmann und Mi- chael Marx sowie deren künstlerische Vielfalt gekannt, scherzte Eisel, so hätte der Jazz-Künstler wohl sein Lied »East St. Louis Toodle-Oo« in »Steve, Mike & the Duke« umbenannt. Weiter hinterfragte der Frontmann, was friedfertiger sein könnte, als morgens eine Stunde zu musizieren, um anschließend ausgeruht und »gechillt« in den Tag zu »starten«, ohne Stress und Aggressionen.

Bei dem von Marx wie eine »besengte Sau« (Zitat Eisel) gesungenen »Minnie the Mocher« aus dem Film »Blues Brothers« wurde das Publikum mit einbezogen. Nach der Aufforderung des Gitarristen: »I sing vor und you sing after«, inspirierte Marx die Besucher zu immer wieder neuen Lauten, so dass selbst Rap-Gesänge für das Publikum kein Problem waren.

Mit viel Tempo, Inbrunst, Spielfreude, Improvisationsgeschick, Elan, Spaß und immenser Intensität begeisterten die Musiker ihre Zuhörer, so dass sie sich nicht ohne eine Zugabe verabschieden konnten.mru