Eltern müssen Kinder medienkompetent machen

Fachstelle Mediensucht »return« an der Goetheschule: Selbstbestimmter Umgang mit Medien

Von der Fachstelle Mediensucht »return« in Hannover referierten Dietrich Riesen (vorne) und Lucas Döbel über Medienkompetenz bei Jugendlichen und die Rolle der Eltern dabei.

Einbeck. Eltern kennen die Diskussionen um Medienzeiten, erlaubte und unerlaubte Spiele, das Drängen nach dem eigenen Handy und nach dem eigenen PC im Kinderzimmer. Wie können sie Heranwachsende im Umgang mit Medien begleiten und gute Grenzen setzen, darüber informierten jetzt die Suchttherapeuten Dietrich Riesen und Lucas Döbel von der Fachstelle Mediensucht »return« im Rahmen der Reihe »Goethe lädt ein«.

Elektronische Medien können süchtig machen. Das Maß an Bildschirmmedien, das Kindern und Jugendliche zur Verfügung haben, müsse deshalb zu ihrem Alter und zu ihrer Reife passen, erklärten die Referenten. Kinder sollten einen selbstbestimmten Umgang mit Medien erlernen, um sie dosiert, kreativ und zielbewusst nutzen zu können. Der Weg dorthin sei allerdings nicht einfach für Eltern.

»Erziehung ist manchmal ein Minenfeld.« Es gibt Freizeitspieler, die das Spielen als Hobby sehen, und es gibt ambitionierte Spieler im Sinne von E-Sport. Gefährlich werde es, wenn das Spielen kompensatorischen Nutzen habe. Das heißt, der Spieler finde das im Spiel, was er im realen Leben vermisst. »Er füllt eine Lücke in seinem Gefühlsleben.« Das eigentliche Problem aber werde damit nicht gelöst.

Attraktiv sind die Spiele, weil sie klassische Bedürfnisse bedienen, sie funktionieren als Belohnungssystem: beispielsweise Wettbewerb und Ranking bei Jungen, Pflegen und Stylen bei Mädchen. Die Spielen biete Teamerfahrung, lassen einen Abenteuer erleben, sorge für Selbstwirksamkeit und ermöglichen Rollentausch. »Keiner meldet sich in der Beratungsstelle wegen exzessiven Spielens von Lernspielen«, scherzte Döbel.

77 Prozent der Jungen spielen täglich, dabei gibt es Computerspiele der unterschiedlichsten Art. Damit sei auch die Wirkung variabel. In nahezu jedem Haushalt existieren internetfähige Geräte, alles werde damit möglicherweise einfacher, schneller und bequemer, so die Referenten. Die Medienverfügbarkeit sei »extrem hoch«. Durchschnittlich 5,5 Stunden am Tag nutzen Jugendliche Medien.

Problematisch werde es, wenn die Verfügbarkeit die psychosoziale Reife übersteige. Eltern hätten also die Aufgabe, die Kinder medienkompetent zu machen. Während Jungen in Spiele abtauchen, nutzen Mädchen verstärkt Social Media - als »Illusion der Gemeinschaft ohne Pflichten der Freundschaft«. Würden die Medien ergänzend zum analogen Leben genutzt, sei das ok. Werde damit allerdings das Bedürfnis nach einem realen guten Umfeld ersetzt, werde es gefährlich. Weit verbreitet scheint auch die Pornografie im Internet zu sein - teilweise mit »heftigsten Inhalten«.

Der Blick auf die Sexualität verändere sich damit, stellte Riesen fest. Denn Pornos reduzierten Sexualität auf den Körper. Wie gute Sexualität langfristig gelingen könne, machte Riesen deutlich, der dabei die körperliche, die psychische und die Beziehungsebene einrechnete. Vom Genuss über Missbrauch und Gewohnheit könne der Weg in die Sucht führen. Dafür aber müssten innerhalb eines Jahres bestimmte Kriterien erfüllt sein.

Dazu zählen die gedankliche Vereinnamung, Entzugssymptome, eine Toleranzentwicklung, der Kontrollverlust, die Fortsetzung trotz negativer Folgen, der Interessenverlust an realen Aktivitäten, die dysfunktionale Stressbewältigung und Gefährdung beziehungsweise Verlust. »return« riet den Eltern, mit den Jugendlichen im Gespräch zu bleiben, zu fragen, was sie spielen. Als Sparringspartner sollten sich die Eltern sehen, ergänzte Riesen, und dabei Orientierung und Halt bieten. Bis zum Alter von etwas zwölf Jahren sollte man die Computerzeit begrenzen, bis 15 Jahre begleiten und ab 18 Jahre loslassen: Zeitbegrenzung, das Aufstellen des PCs in einem öffentlichen Raum oder die Nutzung auf Probe seien möglich.

Die Mediennutzung der Kinder können Eltern begleiten auch durch medienfreie Räume. Irgendwann aber müsse man dem Heranwachsenden die Verantwortung übertragen, die Beziehung neu definieren und die Serviceleistungen einstellen. Tragfähige Lösungen, wie man Eltern und ihre begeisterten, bisweilen auch exzessiv PC-spielenden Kinder dazu bringt, gemeinsam konstruktiv und wertschätzend über Computerspiele zu sprechen, finden sich in der Broschüre »Battelfield home«.

Wie man mit Porno-Konsum, der nachhaltig schaden kann, umgeht, darüber informiert das Buch »Fit for love?«. Die Goetheschule hat das Projekt »Medienumgang auf höherem Level« seit einigen Jahren in ihr Präventionskonzept aufgenommen. Schüler des zehnten und elften Jahrgangs werden von zwei Mitarbeitern der Fachstelle zu Medienscouts ausgebildet. Im Frühjahr wird das Medienpräventionsteam unter der Leitung von Waltraud Hammermeister Präventionsveranstaltungen für den siebten Jahrgang organisieren. Der Vortrag war der Abschluss der diesjährigen Medienscoutausbildung an der Goetheschule Einbeck.sts