Fachwerkstädte müssen sich Chancen und Problemen stellen

Fachwerktag in Einbeck mit Schwerpunkt städtebaulicher Denkmalschutz / Lob von Professor Gerner: Schöner als Rothenburg ob der Tauber

Fachwerk ist ein Schatz, mit dem die Städte der Region punkten können. Fachwerk bildet in Erhalt und Pflege jedoch auch eine besondere Herausforderung. Die Bandbreite des Themas wurde jetzt im Rahmen des dritten Fachwerktages im BBS-Forum in Einbeck beleuchtet. Das war zugleich der Beitrag Einbecks im Rahmen der Fachwerk Triennale 12.

Einbeck. Bei den bisherigen Fachwerktagen habe man Dornröschen zunächst wachgeküsst, danach habe es die Augen aufgeschlagen, jetzt sei es soweit, dass es laufen lerne, sagte Moderator Dirk Puche mit Blick auf die erreichten Erfolge. So seien zehn Thesen zur Fachwerkentwicklung in Südniedersachsen verabschiedet worden, ein Lehrpfad sei auferstanden, und Zukunftsaufgaben wurden definiert.

Rat und Verwaltung freuten sich über die Veranstaltung, versicherte Bürgermeister Ulrich Minkner den Zuhörern im gut besuchten BBS-Forum. Die Referate versprächen wieder viel Kompetenz. Besonders freute er sich über das Engagement von Baudirektor Gerald Strohmeier, den Motor der Fachwerk Triennale, für den das Thema eine Herzensangelegenheit sei. Fachwerk bringe Herausforderungen für die Städte, und jede Kommune könne alles selbst entwickeln. Da sei es gut, dass der Fachwerktag Ideen und Initiativen zusammenführe und dazu beitrage, ein gemeinsames Bewusstsein für Fachwerkstädte zu entwickeln. Der Sanierungsbedarf, räumte Minkner ein, sei ein gigantisches Problem, da sei viel Fantasie gefragt. Er sei aber zuversichtlich, dass man gemeinsam auf einen guten Weg komme.

Professor Manfred Gerner, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Fachwerkstädte, betonte, die Fachwerk Triennale habe Erfolgsgeschichte geschrieben. Einbeck, das »Ur-Holz der deutschen Fachwerk-Szene«, biete viele Themen. Aktuell sei die »Sanierung der Sanierung« mit dem Schwerpunkt Energieeffizienz. Ziel sei es, einen Katalog herauszugeben, der sich benutzen lasse wie ein Rezeptbuch. Nachdem in den 70er und 80er Jahren viel saniert wurde, sei die Arbeit – noch – nicht erledigt. Man brauche einen Plan auch für den Erhalt von Standards. Vieles, was in Stadtkernen an Wohnungen angeboten werde, sei nicht mehr passend; die Konkurrenz zu Neubauten sei groß. Moderne Häuser, so Gerners Kritik, seien heute fast Maschinen, da sei weniger der Architekt gefragt als vielmehr der Ingenieur. Zwischen einem sanierten Fachwerkhaus und dem Neubau Wege zu finden, mit denen man Häuser erhalten könne, sei eine wichtige Herausforderung.

Daneben, fuhr er fort, sei die Fachwerkstadt ein Wirtschaftsfaktor. Einbeck als Stadt, so sein Lob, sei beispielsweise viel schöner als Rothenburg ob der Tauber - dort habe man aber 100 Jahre früher angefangen, Fachwerk touristisch zu vermarkten. Tourismus müsse nicht das wichtigs-te Ziel sein, aber er sei ein Weg, durch den Bürger ihre Stadt wieder kennenlernen könnten.

Zum städtebaulichen Denkmalschutz referierte Dr. Thomas Kellmann vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege. Der Vortrag, beim Tag der Niedersächsischen Denkmal- pflege aus Zeitgründen gestrichen, erhielt hier den notwendigen Raum, und er gab viele Denkanstöße für den Umgang mit städtebaulichem Erbe. (Dr. Kellmann hatte Gelegenheit, vor dem  Einbecker Geschichtsverein zu referieren; dazu gibt es einen ausführlichen Bericht in der »EM«.)

Wie es konkret mit dem Förderprogramm in den drei südniedersächsischen Städten aussieht, darauf gingen Gerald Strohmeier für Einbeck, Thomas Christiansen für Osterode und Rudolf Wengerek für Duderstadt ein. Die Stadt Einbeck müsse mit einem Schwund von etwa 270 Einwohnern pro Jahr rechnen, das sei ein deutliches Zeichen. Sichtbar werde das schon jetzt unter anderem durch Leerstände in der Altstadt, und das sei die Herausforderung für die Stadtentwicklung der nächsten Jahre. Weniger Menschen müssten künftig die bestehende Infrastruktur, die für höhere Bevölkerungszahlen ausgelegt sei, unterhalten. Man sollte deshalb nichts Neues schaffen, was man morgen nicht mehr brauche, warnte er. Wenn es darum gehe, Geschichtliches zu bewahren, könnten das auch Bauwerke der 1950er Jahre sein. Wichtig sei eine Nutzung mit Qualität. Zu den Vorteilen einer kompakten Altstadt zähle es, Lebensraum zum Wohlfühlen zu bieten. Die Stadt sei der Raum für alle. Städtebaulicher Denkmalschutz biete ein geeignetes Mittel, um Investitionen zu fördern, wobei die Schwerpunkte auf privaten Projekten liegen sollten. Bei den vorbereitenden Untersuchungen sei man vom Ganzen zum Detail gegangen, um größtmöglichen Handlungsbedarf zu ermitteln. Es gelte, Schwächen aufzuzeigen, Kosten zu schätzen, eine Prioritätenliste zu entwickeln und finanzielle Möglichkeiten auszuloten. Das För-dergebiet von 9,26 Hektar umfasse 200 denkmalgeschützte Gebäude und Anlagen sowie 200 Keller. 2012 wurde der Förderrahmen auf insgesamt sieben Millionen Euro für die nächsten zehn Jahre gesteckt, hinzu kommt das Sechsfache an privaten Investitionen. Somit werden 45 Millionen Euro investiert, zum Wohl der Stadt, der Menschen und auch der Wirtschaft, denn die Aufträge fließen in der Regel ins heimische Handwerk. Wichtig für die Eigentümer sei, dass keine Ausgleichsbeträge erhoben würden. Nur mit Wir-Gefühl und allgemeiner Akzeptanz könne man die Zukunft gestalten.

Es lohne sich, die kulturell bedeutsamen Städte auf diese Weise in Wert zu setzen, ergänzte Thomas Christiansen. Ohne Sanierungsplan veröde und verfalle eine denkmalgeschützte Altstadt wie Osterode. Das Zentrum mit seinem hohen Bestand an Baudenkmalen müsse gestärkt werden. Neben den Städten sollte man aber auch die Dörfer nicht vergessen, so Rudolf Wengerek, auch  hier seien Herausforderungen zu meisten. Die Aufnahme ins Programm habe wichtige Signalwirkung in Südniedersachsen. In Duderstadt sei man ähnlich wie in Einbeck vorgegangen, etwa mit einer Umfrage unter den Bewohnern des künftigen Fördergebiets. Für die Zukunft gebe es hohe Erwartungen und Erfolgsdruck, »aber das schaffen wir«, zeigte er sich zuversichtlich. »Fachwerk im Fünfeck«, diese Idee zur Fachwerklandschaft Südniedersachsen stellte Bürgermeister Minkner vor: Einbeck, Northeim, Osterode, Duderstadt und Hann.Münden bildeten zusammen eine der vielfältigsten Fachwerklandschaften in Europa. Brände, stadtplanerische Sünden, handwerkliche oder überregionale politische Fehler hätten sich zu Ungunsten der Innenstädte ausgewirkt. Der Sanierungsstau sei größer, als man es den Fassaden ansehe. Fachwerk müsse man als kulturellen Schatz begreifen, die touristische Nutzung folge.

Kulturerbe-Überlegungen setzen ein kompliziertes Verfahren voraus, bringe aber auch große überregionale Aufmerksamkeit und Schub und Motivation. Fachwerk sei für keine der Städte ein Alleinstellungsmerkmal, deshalb sollte man sich zur Zusammenarbeit entschließen, zumal die EU künftig ihre Förderung stärker auf Regionen konzentriere. Weitere Vernetzung, regionale Koordination und Bündelung seien Aufgaben, in die viele Beteiligte eingebunden werden könnten. Die Alternative, warnte Minkner, seien Verfall und Verödung der Städte und der Baukultur. Regionsbildung sei ein Trend der Zukunft, auch wennreichlich dicke Bretter zu bohren seien.  Die Tagung beschäftigte sich weiter mit Fördermöglichkeiten, energieeffizienter Sanierung, Klimaschutz im Stadtquartier und praktischen Beispielen für Sanierung und Erhalt.ek