Freude steht neben Frust bei den Parteien

Stellungnahmen aus der Einbecker Lokalpolitik zum Ausgang der Europawahl vom Sonntag

Freude bei den einen, Enttäuschung bei den anderen nach der Europawahl: Die Wahlbeteiligung hat am Sonntag in Einbeck bei 56,97 Prozent gelegen, eine deutliche Steigerung. Die Volksparteien mussten Verluste hinnehmen: Die CDU wurde zur stärksten Kraft, sie bekam 28,96 Prozent, hat aber fast neun Prozent verloren. Die SPD, zuvor knapp vorn, musste sich mit 26,38 Prozent zufrieden geben. Damit hat sie nahezu zwölf Prozent verloren. Von 7,49 auf 18,94 Prozent konnten die Grünen ihren Stimmenanteil mehr als verdoppeln. Jetzt schließen sie als drittstärkste Kraft dicht zu den großen Parteien auf. Die AfD, 2014 von 4,58 Prozent gewählt, konnte ihren Stimmenanteil auf 8,25 Prozent ausbauen. Sie hat so die FDP hinter sich gelassen, die sich allerdings von 3,59 auf 5,34 Prozent verbessern konnte.

Einbeck. »Wir freuen uns sehr, dass die CDU stärkste Kraft geworden ist«, so der Vorsitzende der Einbecker CDU-Ratsfraktion, Dirk Ebrecht. »Unsere Gratulation gilt den Grünen. Die ganz klare Ausrichtung pro Europa, der Schutz unserer natürlichen Grundlagen und das Zuhören und Einbinden aller Generationen zeigen den richtigen politischen Weg. Hier müssen wir besser werden, und damit wollen wir vor Ort auch anfangen«, kündigte er in einer Stellungnahme am Montag an. Nationalistisches Klein-Klein löse nicht die Fragen der Zukunft – im Gegenteil, auch das habe die Wahl gezeigt.

»Ein gemeinsames Europa ist die Basis für Frieden und Stabilität. Und nur bei stabilen Bedingungen sind beispielsweise die Fragen der Umwelt und des Klimaschutzes lösbar. Man kann nur hoffen und wir alle müssen unseren Teil dazu beitragen, dass man in England oder Teilen Osteuropas wieder zur Vernunft kommt. Nationalstaaten haben politisch ausgedient. Einzig und allein ein vereintes und geeintes Europa bietet die Chance auf Fortschritt, Wohlstand, eine intakte Umwelt und stabile Lebensverhältnisse insgesamt.«

»Wir hatten am Sonntagabend keinen Grund zur Freude«, räumt der Einbecker SPD-Vorsitzende Marcus Seidel ein, das sei klar ersichtlich. Andererseits sei man aber von dem Ergebnis nicht überrascht: »Wir haben eine schwere Berliner Hypothek zu tragen.« Erfreulich sei allerdings die hohe Wahlbeteiligung, und er danke allen, so Seidel, die sich am Wahlkampf beteiligt hätten. Das Ergebnis zeige, dass das Thema Klima eine große Bedeutung habe. Da sehe er, dass die Bundes-SPD dazu mehr machen müsse. An die Grünen richtete Seidel seine Glückwünsche, aber auch den Hinweis, dass sie nun den Erwartungen gerecht werden müssten.

Erfreut über den hervorragenden Ausgang der Europawahl sind die Einbecker Grünen. »Es ist das beste Ergebnis, das Grüne je bei einer bundesweiten Wahl erreicht haben«, stellte der Fraktionsvorsitzende der Einbecker Grünen im Rat, Dietmar Bartels, fest. Dass man in Einbeck und im Landkreis im Bundestrend liege, sei schon eine Sensation. »Die Zeichen der Zeit wurden vom Wähler erkannt, und vorausschauende langfristig angelegte Politik zahlt sich aus.« Das seien nicht nur Wählerstimmen für die Grünen gewesen, sondern für den Klimaschutz und gegen den befürchteten Rechtsruck. Einen Teil des Erfolges verdanke man der hohen Wahlbeteiligung und dem Engagement der jugendlichen Wähler für die Umwelt.

»Es ist Zeit zur Gründung einer Grünen Jugend in Einbeck«, sagte er. In Verbindung mit der Grünen Jugend Göttingen plane man in den kommenden Monaten eine entsprechende Gründungsversammlung. »Weiterhin freut uns der Einzug unserer Kandidatin Viola von Cramon in das Europäische Parlament. Wir wünschen ihr viel Erfolg«, so Bartels.

»Erst einmal freuen wir uns natürlich über unser Ergebnis«, so AfD-Ratsherr Dirk Küpper zum Wahlausgang. Auf Bundes- wie auf kommunaler Ebene sehe man eine herbe Schlappe für die GroKo-Parteien: »Der Bürger hat die EU-Wahl als Warnzeichen gesehen. 21 Prozent Verlust für SPD und CDU sprechen eine klare Sprache.« Die SPD lebe in Niedersachsen noch auf einer rosaroten Wolke, werde aber auch hier bei den nächsten Wahlen ihre weiteren Quittungen bekommen.

Die Grünen profitierten, so Küpper weiter, von Protestwählern und der Klimadebatte, sie seien aber langfristig mit Ideologie-Politik und Panikmache seiner Ansicht nach eher unter zehn Prozent zu erwarten. In Einbeck habe die AfD ihre Stimmen gegenüber 2014 fast verdoppeln können, das sei ein großer Erfolg. Auch in Northeim und Uslar sei sie klar über acht Prozent gelandet. Erfreulich sei auch das Abschneiden mit 10,46 Prozent in Bodenfelde. »Wir sind zufrieden und bestätigt, dass wir im Landkreis angekommen sind und ein festen Wählerstamm haben. Natürlich ist es auch unser Ziel, weiter zu wachsen und bei den nächsten Wahlen auch flächendeckend die Zehn-Prozent-Marke zu übertreffen.«

Die FDP freue sich über einen Zugewinn von 2,5 Prozent gegenüber den Vergleichswahlen, betonte der Fraktionsvorsitzende Dr. Reinhard Binder. Es beruhige die FDP, dass die europafreundlichen Parteien eine Stärkung erfahren hätten. »Europa weiter zu entwickeln, ist auch eine unserer Kernforderungen.« Europafeindliche Stimmungen würden sich in Einbeck glücklicherweise geringer niederschlagen als befürchtet. Trotzdem müssten alle politischen Parteien Überzeugungsarbeit leisten. Die FDP hätte gehofft, dass mehr Mitbürgern der liberale Gedanke, Freiheit und Selbstständigkeit ohne staatliche Bevormundung wichtiger gewesen wären. Aber offensichtlich sei das Thema Umweltschutz in der mundgerechten Verpackung der Grünen besser angekommen.

Die FDP hoffe, dass unter anderem Svenja Hahn und Christoph Oetjen, die Einbeck kürzlich besucht hätten, die liberalen Interessen nach Brüssel tragen würden. Die gestiegene Wahlbeteiligung lobte die Vorsitzende des Ortsverbandes, Dr. Marion Villmar-Doebeling. Durch den Verlust der Mehrheit von Christ- und Sozialdemokraten im Europaparlament sei erstmalig ein Spurwechsel in der Europapolitik denkbar geworden. »Neben der Stärkung liberaler Positionen muss es hierbei Ziel sein, dass die demokratischen Parteien in Brüssel neue, klare und verlässliche Strategien entwickeln, um den Bedrohungen unserer demokratischen Grundwerte durch die Rechtspopulisten effektiv begegnen zu können.« Europa sei aus Sicht der Freien Demokraten der Garant für Freiheit, Frieden und Wohlstand, und dieser müsse, das habe die Wahl gezeigt, besser weiterentwickelt und gegen Angriffe verteidigt werden.ek