»Gehirn« zwischen Leistungsangebot und Bedarf

Ernst Biskup bei PS.Förderfreunden über das Getriebe als »Gehirn« des Autos | Weg von der Handschaltung

Anhand vieler Fotos und Zeichnungen sowie eines Modells auf der Bühne erläuterte Ernst Biskup – hier im Gespräch in der Vortragspause – den Einsatz des Getriebes in modernen Autos, aber auch in anderen Maschinen.

Einbeck. »Keine bunten Bilder« diesmal, wie sonst von den Reisevorträgen, aber man wolle sich auch einmal an andere Themen wagen: Damit hieß Dr. Günter Diener, geschäftsführender Vorstand der Förderfreunde PS.SPEICHER, die Gäste zum Vortrag über das Getriebe willkommen. Wenn der Motor das Herz sei, sei das Getriebe das Gehirn – und der Schaltknüppel sei nicht dazu da, um das Benzin umzurühren, das werde Referent Ernst Biskup im Detail erklären, kündigte Diener augenzwinkernd an.

»Vom Getriebe sehen Sie am Auto wenig«, stellte der Referent fest, schon gar nicht bei den Typenschildern. Der Experte im Bereich Automobil- und Getriebetechnik hat mehr als 30 Jahre bei namhaften deutschen Automobilherstellern als Ingenieur geforscht und gearbeitet. »Wissen Sie, was Sie in Ihrem Fahrzeug für ein Getriebe haben?«, fragte er in die für dieses Thema große Runde der Zuhörer. Der Bad Gandersheimer hat sein ganzes Berufsleben dem Automobil-Getriebe gewidmet. Wer Räder bewegen wolle, brauche ein Getriebe. Das Getriebe als Gehirn des Fahrzeugs verteile die Leistung auf die Räder. Es gebe unzählige Arten von Getrieben, nicht nur am Auto, und sie hätten eine lange Geschichte, seit die Mesopotamier um 5000 vor Christus das Rad erfunden hätten: Das Speichenrad war um 2000 vor Christus eine Erfindung der Sumerer, im vierten bis dritten Jahrhundert vor Christus gab es erste Zahnräder, und im dritten Jahrhundert nach Christus entwickelten die Chinesen einen Kompasswagen.

Ein Getriebe, so definierte er es, sei eine Einrichtung zum Umformen einer gegebenen in eine gewünschte Bewegung mittels eines Maschinenelements. Mechanisch, Strömungs-, Schrauben-, Sperr-, Reibradgetriebe, gleichmäßige oder ungleichmäßige Übersetzungen – die Technik zeigt da viele Variationen. Am Beispiel des Benz-Motorwagens aus der PS.Sammlung schmunzelte er, dass da »mehr Getriebe als Motor drin« sei.

Ein Kfz-Antriebsstrang besteht aus einem Haupt- und einem Schaltgetriebe. Zur Verfügung stehen fünf bis sieben Gänge beziehungsweise fünf bis zehn beim Automatikgetriebe. Der Unterschied zwischen Schalt- und Automatikgetriebe sei die Zugkraftunter­brechung. Während in Deutschland Schaltfahrzeuge noch einen Anteil von etwa 42 Prozent am Markt hätten, seien die USA und Japan inzwischen nahezu komplett auf Automatikgetriebe umgestiegen. Die Handschalter würden in Deutschland mehr und mehr verschwinden, prognostizierte er, zumal mehr Fahrzeugassistenz nur mit Automatik funktioniere. Die Art des Getriebes sei abhängig von Fahrzeugart und -größe, vom Kundenwunsch, aber auch von Wettbewerb und Gesetzgebung. Letztlich orientiere sich die Modellpolitik am Markt, und der Kunde sei König. Die Kundenwünsche variierten dabei: preiswert, sportlich, komfortabel, umweltfreundlich. Aus Sicht der Hersteller sollten Getriebe klein, leicht und profitabel sein. Der Gesetzgeber bringe sich mit Abgas- und Akustikwerten ein.

Kostengünstig, geringer Verbrauch, hoher Wirkungsgrad, niedriges Gewicht, einsatzgerechte Lebensdauer, bedienungsfreundlich, geräuscharm – die Anforderungen seien hoch. Die Erprobung, berichtete Biskup, erfolge im »Reich der Erlkönige«, auf Strecken bei München und bei Marseille, am Polarkreis in Schweden und in Hitze und Staub im Death Valley in den USA.

Das Getriebe stehe zwischen dem Leistungsangebot des Motors und dem Leistungsbedarf des Fahrzeugs, führte Ernst Biskup aus. Auf das Fahrzeug wirken verschiedenste Kräfte: Rollwiderstand, Steigungswiderstand oder Luftwiderstandskraft. Die Zugkraft müsse gegen diese Widerstandskräfte anarbeiten. Die Gänge seien dabei so ausgelegt, dass der erste Gang maximale Steigfähigkeit biete. Konstant müsse beim Fahren eine Leistungsanpassung und -übertragung ermöglicht werden – das zu steuern, sei eben die Aufgabe des »Gehirns«, des Getriebes. Wichtig sei es, einen Gang zugkraftneutral einzulegen.

Beim Handschaltgetriebe sei nach sieben Gängen Schluss. Ein modernes Automatikgetriebe ermögliche eine fahrzustandsoptimale Gangwahl
Anhand vieler weiterer Beispiele erläuterte Biskup schließlich, welche unterschiedlichen Getriebe es in der Fahrzeugtechnik gibt, für den E-Antrieb, für den Traktor oder für den Rennsport, und wo sich ein Getriebe noch findet: beim Uhrwerk ebenso wie großen Maschinen – zwischen Leistungsangebot und Bedarf steckt auch da immer ein Getriebe.ek