Geister regieren nach Einbruch der Dunkelheit

Heidnische Sagen: Der wilde Jäger Hackelberg | Meute nahm ungetaufte Babies mit

Feuerwerk gibt es in Deutschland seit mehr als 500 Jahren, zum ­Silvesterbrauch wurde es, als ­Feuerwerkskörper zu Beginn des letzten Jahrhunderts im Handel ­erhältlich waren. In diesem Jahr wird es aus bekannten Gründen kein ­Feuerwerk geben – das Foto zeigt Impressionen aus den letzten Jahren.

Einbeck. Silvester war ein christlicher Priester, der Anfang des vierten Jahrhunderts im damals noch vom Götterglauben geprägten Rom predigte. Zu seiner Zeit endeten die Christenverfolgungen und der römische Kaiser garantierte die freie Glaubensausübung. Silvester wurde Papst und amtierte bis zu seinem Tod am 31. Dezember 335.

Kalendarisch gesehen war es Julius Cäsar, der einige Jahrhunderte zuvor den 31. Dezember etablierte. Im Jahr 45 vor Christus legte der Kaiser dieses Datum als Jahresende fest. Allerding gab es in seinem Kalendersystem kleine Abweichungen, denn jedes Jahr war elf Minuten zu lang. Das machte in den nächsten Jahrhunderten nicht so sehr viel aus, aber im 16. Jahrhundert belief sich die Überlänge auf zehn Tage. Papst Gregor setzte den nach ihm benannten Kalender ein und ersetzte den Julianischen Kalender mit der Konsequenz, dass auf den 4. Oktober 1582 der 15. Oktober 1582 folgte.

Hier hatten sich bis dahin zahlreiche ursprünglich heidnische Sagen erhalten. Ein Beispiel sind die in der gestrigen Ausgabe kurz erwähnten Raunächte, in denen nach Einbruch der Dunkelheit die Geister regieren. Allen voran der wilde Wode oder auch der wilde Jäger Hackelberg (als Synonym für den germanischen Gott Wodan). Über ihn gibt es Sagen im gesamten norddeutschen Raum, aber einige auch für das Einbecker Gebiet. Man sah den wilden Jäger nach Einbruch der Dämmerung mit lautem Brausen oft über die Krummewassermühle fliegen. Die Bauern hatten gehörigen Respekt, allerdings, wie das oft so ist, einer musste aus der Reihe tanzen und forderte den wilden Jäger mit lautem Rufen heraus. Die Folge war eine schallende Ohrfeige aus dem Nichts und am nächsten Morgen verwüstete Felder. Auf der Feuerstelle lag ein Pferdeschinken.

In den Einbecker Dörfern war er als »der wilde Hackelberg mit seinen Hunden« bekannt. Überall, wo sie vorbeikamen, stürzten die Zäune ein und flogen die Ziegel von den Dächern – am nächsten Morgen war alles wie von Zauberhand wieder hergestellt. Die Türen mussten immer fest verschlossen werden, weil sonst die Gefahr bestand, dass die wilde Meute mitten durch die Stube hetzte. Tobend und kreischend rafften sie alles Essbare auf und verschwanden damit so schnell wie sie gekommen waren. Hatte man Pech, blieb einer der Hunde im Haus zurück und spukte bis zu den nächsten Raunächten herum.
In Dassensen gab es einen wilden Hund. Alle Menschen, die zwischen elf und zwölf Uhr geboren sind, können nachts auf dem Weg zwischen Dassensen und Wellersen seine glühenden Augen sehen. In Iber soll Hackelberg Hexen in den Wald gejagt haben und in Markoldendorf spielte wieder der geheimnisvolle Pferdeschinken eine Rolle, der auch hier wegen einiger Übermütigen ins Feuer krachte.

Ein frecher Schäfer aus Rotenkirchen rief dem wilden Jäger üble Beschimpfungen nach und kam nur knapp mit dem Leben davon. Um ihn zu besänftigen, stellten die Bauern aus der Einbecker Umgebung Tische mit Essen auf ihren Feldern auf. Für eine gute Wegzehrung waren die Dämonen immer zu haben. Doch auch hier war große Vorsicht geboten. Niemand durfte sie essen sehen. Wer dabei erwischt wurde, konnte sein Augenlicht verlieren.

In den Raunächten mussten alle Neugeborenen sofort getauft werden, denn Hackelbergs Meute nahm alle ungetauften Babys mit. Während dieser Zeit sollte man nicht arbeiten. Man durfte kein Heu einfahren und vor allem keine Wäsche waschen. Das Allerschlimmste war, wenn man die Wäsche auch noch an der Leine aufhängte.

Dann nämlich konnte es passieren, dass man von den wilden Hunden zerrissen wurde. Und wo blieb das viele Essen, das die wilde Meute geraubt hatte? Die Antwort gibt eine weitere Einbecker Sage: Hier nannte man den Teufel »Stöpke« oder »Stepke«. Er flog durch die Luft und beschenkte Menschen, die mit ihm in Verbindung standen mit Eiern, Butter, Speck und Geld.

Im »Flechsenhaus« (Abdeckerei) soll der Teufel auch aus Aas Würste für seine Verehrer gemacht haben. Um Haus, Hof und sich selbst zu schützen, kamen Caspar, Melchior und Balthasar ins Spiel. Zwar würde der Spuk am 6. Januar vorbei sein, aber es konnte nicht schaden, wenn man sich ihre Anfangsbuchstaben CMB auf die Tür schreiben ließ. Diese boten sogar doppelten Schutz, denn sie bedeuteten auch »Christus mansionem benedicat« – Christus möge dieses Haus segnen (und schützen). Die Menschen glaubten, jetzt könne ihnen Wodans wilde Jagd nichts mehr anhaben.wk