Literaturfest

Gelungener Lese-Start

»Die Geschichte der Frau«: Ingeborg Cramm, Antigone, Mut

Ingeborg Cramm (rechts) hat im Museum den Auftakt gemacht in der Lesereihe zu »Die Geschichte der Frau« von Feridun Zaimoglu. Museumsleiterin Dr. Elke Heege (Mitte) gab dem Publikum eine Einführung zur Gestalt der Antigone, und die Leiterin der Stadtbibliothek, Antje Bach, erläuterte die kommenden Veranstaltungen des Literaturfestes Niedersachsen zum Thema Mut.

Einbeck. »Mut« lautet das Thema des Literaturfests Niedersachsen, das mit der ersten Folge von »Einbeck liest ein Buch« jetzt vor Ort angelaufen ist. Vom 5. bis 22. September wird es in ganz Niedersachsen besondere literarische Veranstaltungen an außergewöhnlichen Orten geben. In Einbeck werden an fünf Terminen einzelne Kapitel aus »Die Geschichte der Frau« von Feridun Zaimoglu gelesen. Den Auftakt machte die Vorsitzende des Kreisverbandes der Landfrauen, Ingeborg Cramm, im Stadtmuseum. Darüber hinaus sind die Bürger aufgerufen, an zahlreichen weiteren Stellen selbst in diesem Buch zu lesen.

Bei der Beschäftigung damit sei es am besten, sich nicht mit dem Klappentext zu beschäftigen, riet die Leiterin der Stadtbibliothek Einbeck, Antje Bach – das könnte in die Irre führen. Ebenso irritierend sei die Bezeichnung des Buchs als »Roman«. Vielmehr hat Zaimoglu zehn Geschichten über ganz unterschiedliche Frauen geschrieben, die sich, teils in schlaglichthaft beleuchteten Szenen ihres Lebens, durch Mut auszeichneten.

Vor einem großen Publikum trug Ingeborg das Kapitel über Antigone vor – etwas, das sie durchaus Mut koste, wie sie anschließend gestand. Aber auf eindrucksvolle Weise hat sie den Text den Zuhörern nahegebracht.

Eine Einführung ins Thema gab es zuvor von der Leiterin des Stadtmuseums, Dr. Elke Heege, denn nicht jedem, vermutete sie zu Recht, sei Antigone heute noch ein Begriff. Es handele sich dabei nicht um eine historische, sondern eine mythische Figur aus dem klassischen Griechenland. Sophokles (497/496 bis 406/405 vor Christus), sehr berühmt in der damaligen Welt, hat das Drama verfasst, das mit »König Ödipus« sein bekanntestes sei – es sei beeindruckend, dass man auch nach 2.500 Jahren noch davon spreche, so Dr. Heege.

Die Handlung führt nach Theben. Ödipus hat seinen Vater ermordet und – unwissentlich – seine Mutter geheiratet. Sie haben zwei Söhne und zwei Töchter, eine davon ist Antigone. Als sich die Brüder in einem Streit gegenseitig töten, wird nur einer begraben; der andere, Polyneikes, darf nicht bestattet werden, da er gegen Theben, seine Stadt, Krieg geführt hat. Antigone will ihn aber, gegen die Willen von König Kreon und der dafür drohenden Todesstrafe zum Trotz, ordentlich beerdigen. Sie geht das Wagnis ein, wird gefasst und lebendig eingemauert. In ihrem Kerker erhängt sie sich, bevor Kreon sie freilassen kann. Ihr Verlobter Haimon, Kreons Sohn, nimmt sich das Leben, seine Mutter tötet sich ebenfalls – alles wegen Kreons Starrsinn. Besonnenheit und Weitsicht seien, so die Moral, das höchste Gut.

Die Bilder einer fernen Vergangenheit, die Zaimoglu in diesem Kapitel zeichne, würden den Lesern zusetzen, stellte Ingeborg Cramm fest. Im Monolog der Antigone kommt es zunächst zum Streit mit dem Seher Teiresias, der sie abhalten möchte von ihrem Tun. Und auch Schwester Ismene hat eine andere Meinung als Antigone. Sie setzt sich aber durch – und das erzählt der Autor außerordentlich spannend.

Diejenigen, die das Kapitel kannten, berichteten, der Text sei ihnen beim eigenen Lesen sehr düster erschienen. Der lebendige Vortrag von Ingeborg Cramm habe ihm allerdings Tiefe gegeben und für besseres Verständnis gesorgt. Ungewöhnlich seien die besonderen Satzkonstruktionen, und zuweilen erscheine der Inhalt durch die Sprache komplizierter, als er ohnehin schon sei. Zudem setze das Kapitel voraus, dass man den Hintergrund der Handlung kenne. Da würden sich also, kündigte Ingeborg Cramm an, zahlreiche Fragen ergeben, wenn Feridun Zaimoglu am 19. September zur Lesung in die Stadtbibliothek komme.

Einig waren sich die bereits kundigen Leser darin: Bemerkenswert und ausgesprochen beeindruckend an »Die Geschichte der Frau« sei, dass der Autor für jedes der zehn Kapitel eine eigene Sprache finde.

Weitere Termine für die Lesungen mit Ein­becker Persönlichkeiten sind am Donnerstag, 29. August, ab 19.30 Uhr im Neuen Rathaus mit der Gleichstellungsbe­auftragten Simone Engelhardt, am Montag, 2. September, ab 19.30 Uhr in der Alten Synagoge mit dem Journalisten Frank Bertram, und am Donnerstag, 5. September, ab 19.30 Uhr mit dem Dasseler Buchhändler Heinrich Sprink in der Stadt­bibliothek, am Dienstag, 10. September, ab 19.30 Uhr ebenfalls in der Stadtbibliothek, dann laden der Förderverein und Buchhändlerin Julia Kloss ein, und schließlich am 19. September die Lesung mit Feridun Zaimoglu.

Zuvor gibt es am Freitag, 13. September, im Rahmen des Literaturfestes ab 20 Uhr eine Frauenpower-Slamrevue in der Bibliothek.ek