Gemeinsam Position ergreifen gegen rechte Übergriffe

Fortbildung für Sportvereine | Ständiger Prozess | Wachsamkeit gefordert | Szene kennen und reagieren

Einbeck. »Sport mit Courage - gegen Rechtsextremismus«, unter diesem Motto fand kürzlich im Forum der Berufsbildenden Schulen in Einbeck ein Regionalforum statt, zu dem die Kreissportbünde Northeim-Einbeck und Holzminden mit dem Lokalen Aktionsplan im Landkreis Northeim (LAP) eingeladen hatten. Zielgruppe waren Sportvereinsvorstände, Übungsleiter und Betreuer von Kindern und Jugendlichen. Die Schirmherrschaft hatten die Landräte von Northeim und Holzminden, Michael Wickmann und Angela Schürzeberg, übernommen.

In seinem Grußwort betonte Michael Wickmann, dass rechtsextremes Gedankengut keineswegs akzeptiert werden könne. Die Vereine mit Übungsleitern und Beteuern spielten hier eine wichtige Rolle, und der Einsatz gegen Rechts sei ein ständiger Prozess. Die Veranstaltung wolle klarmachen, wo rechts Gedankengut anfange, ab wann eine Inanspruchnahme der Jugendlichen eintrete – da gelte es, wiederholten Angriffen standzuhalten, das Bewusstsein zu schärfen und Netzwerke zu stärken. Ein solches Thema sei geeignet, zusammen etwas zu tun, würdigte Angela Schürzeberg das gemeinsame Engagement. Es brauche Menschen, die aufmerksam seien. Das Thema erledige sich nicht von selbst, sondern die Auseinandersetzung damit sei vielfältig. »Machen Sie sich klar, dass Sie als Sportler eine große Bürgerbewegung sind, seien Sie wachsam«, forderte sie die Seminarteilnehmer auf.

Für den Lokalen Aktionsplan im Landkreis Northeim rief Silke Doepner dazu auf, Position zu ergreifen: »Gemeinsames Engagement ist wichtig«, betonte auch sie, verbunden mit einem Dank an den Vorsitzenden des Kreissportbundes Northeim-Einbeck, Gerhard Renziehausen, das Thema aufzugreifen. Eine von drei Veranstaltungen des Landessportbundes habe man in die Region holen können, freute sich der Vorsitzenden, und die Schirmherrschaft von Wickmann und Schürzeberg gebe eine zusätzliche Wertigkeit. Sport, betonte er, sei ein Spiegelbild der Gesellschaft, und entsprechend müsse man sich gegen rechtsextreme Tendenzen wappnen. Die Vereine schafften dies allerdings nicht allein – die Workshops seien deshalb dazu da, ihnen Hilfestellung zu geben. »Toleranz fördern, Kompetenz stärken«, im Rahmen dieses Bundesprogramms werde Prävention durch Aufklärung gegen Rechtsextremismus und für Courage betrieben, führte Gerd Bücker vom Landespräventionsrat und der Deutschen Sportjugend aus. Er ging auf die aktuelle Situation des Rechtsextremismus in Niedersachsen und in der Region ein. Die NPD, erläuterte er, verliere kontinuierlich Mitglieder, derzeit seien es unter 500. Allerdings habe die Partei bei der Landtagswahl etwa 30.000 Stimmen erhalten. Zur rechtsextremen Szene seien weiter die DVU, rund 420 Neonazis, Skins und auch Rockbands zu rechnen, ebenso Kameradschaften und Aktionsgruppen. In dieser »geordneten Unübersichtlichkeit« hätten sich auch andere Formen der Aktivitäten entwickelt, etwa die »Exilregierungen der Bundesrepublik«, die den »Reichsgedanken vor 1933« pflegten. Besonders im Raum Bad Gandersheim, Salzgitter und Hannover würden sich »Reichsbürger« unters Volk mischen. Die Zahl der Aktiven der rechten Szene liege etwa bei 1.700, sagte Bücker.

Starke rechtsextreme Strukturen gebe es in der Lüneburger Heide, im Raum Braunschweig/Wolfenbüttel/Gifhorn/Wolfsburg, um Schaumburg, im Raum Harburg/Stade, in Hannover und im Bremer Umland sowie im Harz und im Harzvorland. »Häufig treten sie in gefühlt abgehängten Teilen des Landes auf«, fasste er zusammen. Die NPD verliere derzeit Mitglieder, es gebe Querelen im Landesvorstand, und das niedrige landesweite Wahlergebnis führe zu finanziellen Engpässen. Einen Einflussrückgang machte Bücker auch bei den Jungen Nationaldemokraten aus. Dagegen habe »Die Rechte« Zulauf. Dies sei eine neue identitäre Bewegung, die vor allem 16- bis 18-Jährige anspreche. Sie sei seit rund 15 Monaten aktiv. »Getanzter Rassismus«, so lasse sich das Programm umschreiben, eine Anknüpfung an Neonazi- und Volkstraditions-Kampagnen. Seit dem Frühjahr sei in Braunschweig eine aktive Gruppe bekannt, die für Nationalismus, Rassismus und Islamphobie stehe.

Angesprochen würden besonders Schüler und junge Studenten, gezielt gehobenes Bildungsniveau. Frauen seien im Ring Nationaler Frauen aktiv, und es gebe die Düütschen Deerns. Die Kameradschaft Northeim, unter anderem Anfang August beim Aufmarsch in Bad Nenndorf dabei, sei »als solche nicht mehr existent«, führte der Referent aus. Sie sei allerdings noch als »Marke« vorhanden, mit den dahinter stehenden Personen sei zu rechnen. Regional gebe es einige - bekannte - Protagonisten der rechten Szene.

Über »gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Einstellungsmuster in Niedersachsen« sprach Madlen Preuß vom Institut für interdisziplinare Konflikt- und Gewaltforschung in Bielefeld. Gruppenbezogene Klischees und Stereotype würden zu einer Generalisierung führen: »Gruppen wird etwas unterstellt«, führte sie aus. Wenn man beispielsweise im Verein beobachte, dass es gegen »die Ausländer« gehe, sollte man das Thema ansprechen und solche Aussagen permanent hinterfragen. Jugendliche entsprechend aufzuwecken beziehungsweise selbst aufzuwachen, dazu rief sie dazu auf. Man müsse Einstellungsmuster überprüfen.

In den Workshops wurden die in den Referaten angerissenen Schwerpunkte intensiviert. Verena Scherb und Eike Bredow von der Verfassungsschutzabteilung im Niedersächsischen Innenministerium gingen auf Erscheinungsformen, Symbolik und Musik in der rechtsextremistischen Lebenswelt ein. Patrick Neumann vom Landessportbund Niedersachsen erläuterte, welche Möglichkeiten es ganz konkret für Sportvereine gibt, sich vor rechtsextremer Einflussnahme im Sportverein zu schützen, und erfolgreiche Projekte und Methoden für Demokratie und Toleranz im Sport stellte Gerd Bücker vor. Unter www.landkreis-northeim.de gibt es ein Video über die Veranstaltung.ek