Es bleibt: Ladendiebstahl mit gefährlicher Waffe

Amtsgericht Einbeck: 42-Jähriger in zahlreichen weiteren Anklagepunkte schuldunfähig

Einbeck. Eine sechsmonatige Haftstrafe, ausgesetzt zur Bewährung, und die Auflage, sich einer Therapie zu unterziehen: So hat das Amtsgericht Einbeck gestern über einen 42-Jährigen geurteilt. Ihm waren diverse Straftaten zur Last gelegt worden. Die meisten, so das Gericht, habe er unter dem Einfluss einer psychischen Erkrankung begangen, da sei er nicht schuldfähig. Anzulasten sei ihm allerdings ein Ladendiebstahl mit einer gefährlichen Waffe - der Warenwert betrug gut 15 Euro.

Mit weiteren Zeugenaussagen setzte das Gericht die Beweisaufnahme fort: Eine ehemalige Nachbarin des Angeklagten berichtete von einem Hausfriedensbruch mit Einschüchterungsversuch wegen zu lauter Musik, aber eigentlich sei das »nicht so kritisch« gewesen. Gefährlicher hätte es schon werden können für einen 22-jährigen Handwerker, der vom Angeklagten auf einer Baustelle bedroht wurde. Der 42-Jährige sei dort auf der Suche nach jemandem gewesen.

Dabei habe er mit einem ausgefahrenen Cuttermesser vor dem Zeugen gestanden. Das hat er »als nicht so nett« empfunden und die Polizei gerufen. Später wurde festgestellt, dass aus dem Firmenfahrzeug des Zeugen Rohrzangen entwendet und durch die Scheiben ins Auto des eigentlich Gesuchten geworfen worden waren.

Diese Vorfälle ereigneten sich innerhalb weniger Tage. Zuvor, berichtete ein Gutachter, sei der 42-Jährige wegen einer paranoiden Psychose stationär behandelt und mit einer Medikamentierung entlassen worden. Die habe er selbsttätig abgebrochen, danach seien die Symptome wieder da gewesen.

Er habe sich verfolgt gefühlt und befürchtete, er werde vergiftet. Damit begründete er unter anderem einen Ladendiebstahl, bei dem er alte gegen neue Schuhe »tauschte«, ohne sie zu bezahlen. Der Vorfall auf der Baustelle führte dazu, dass eine Ärztin hinzugezogen wurde, die die Einweisung in einer Fachklinik verfügt habe. Dort sei er auffällig gewesen, er habe unangemessenes Verhalten gezeigt und keine zusammenhängenden Gedanken äußern können. Nach einigen Wochen sei er entlassen worden.

Er gehe davon aus, so der Gutachter, dass die dem Angeklagten zur Last gelegten Taten unter mindestens geminderter Schuldfähigkeit begangen wurden, eventuell unter Schuldunfähigkeit. Zur Frage der Gefährlichkeit beziehungsweise zu einer Unterbringung sagte der Gutachter, dass der Angeklagte immer wieder erkranken könne, wenn er nicht adäquat behandelt werde.

Wenn er sich massiv bedroht fühle, seien aggressive Handlungen denkbar. Der Angeklagte habe aber eingesehen, dass die Behandlung ihm gut tue. Eine Unterbringung, das bestätigte auch Amtsgerichtsdirektor Thomas Döhrel, müsse mehrfach geprüft werden, und es müssten schwerwiegendste Straftaten vorliegen. Daran habe das Gericht »eher Zweifel«. Die juristischen Vorbelastungen des 42-Jährigen beginnen im Jahr 2000. Immer wieder tauchen Diebstahl, Körperverletzung oder Leistungserschleichung auf, auch Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. Seit 2012 sind keine neuen Vorfälle hinzugekommen.

Auf verminderte Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit bei vielen Vorwürfen verwies die Staatsanwältin. Das gelte möglicherweise auch für den Parfümdiebstahl in einem Warenhaus, der Arbeitsstätte; allerdings sei der Mann einschlägig vorbestraft, sie sehe hohe Rückfallgeschwindigkeit und großes Aggressionspotenzial. Für den Diebstahl mit einem gefährlichen Werkzeug, einem knapp 20 Zentimeter langen Messer, beantragte sie eine sechsmonatige Haft ohne Bewährung. Sie sehe keine günstige Sozialprognose, mehrfache Bewährungschancen wurden nicht genutzt.

Verminderte Schuldfähigkeit für diesen Diebstahl machte Verteidiger Sile Akinci geltend; die andere Vorwürfe seien unter dem Einfluss der Psychose verübt worden. In diesem Zusammenhang seien die Geruchswahrnehmungen möglich, die den Angeklagten dazu gebracht hätten, das Parfüm einzustecken, um es im Aufenthaltsraum der Firma zu versprühen. Das sei eine straflose Gebrauchsanmaßung - dafür forderte er Freispruch.

So etwas passiere nicht wieder, und er versuche, ein neues Leben anzufangen, sagte der Angeklagte in seinem Schlusswort. Wegen Diebstahl mit Waffen verurteilte das Schöffengericht den Mann zu einer sechsmonatigen Haftstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Er hat auch die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Für die weiteren Anklagepunkte gab es Freisprüche. 2016/17 habe es Phasen gegeben, in denen der Angeklagte ungewöhnliche Dinge getan habe, führte Amtsrichter Döhrel in der Urteilsbegründung aus. Zwar seien räuberischer Diebstahl, Sachbeschädigung, Bedrohung und Beschimpfung keine ungewöhnlichen Verhaltensweisen, aber das machten nur Menschen, die »böse« seien. 2015 war der Angeklagte an einer Psychose erkrankt.

Nach Absetzen der Medikamente sei sie wieder aufgeflackert. Das Verhalten vom Spätsommer 2017 komme bei Nicht-Erkrankten nicht vor, etwa vergiftetet Luft aus Kirchen zu lüften oder Kochplatten wegzuwerfen, auf denen Giftsuppe gekocht werde. Nach einer Haftentlassung Ende 2017 habe er, mit Medikamenten gut eingestellt, eine Arbeit gefunden. Er habe das Parfüm eingesteckt, die Zueignungsabsicht sei erkennbar.

Das Gericht gehe von eingeschränkter Schuldfähigkeit aus: Der Angeklagte sei in Behandlung gewesen, er hatte einen geordneten Tagesablauf, konnte Alltag und Verhalten steuern. Der rechtswidrige Tatbestand werde bestärkt durch das Vorhandensein des Springmessers, das sei eine gefährliche Waffe. Das Strafmaß dafür liege zwischen einem Monat und sieben Jahren. Gegen den Angeklagten würden die zahlreichen Vorbelastungen sprechen.

Für ihn spreche, dass er diese Tat eigentlich gestanden habe, wenn auch nicht in allen Einzelheiten. Eine Waffe sei umso gefährlicher, je einfacher man sie einsetzen könne, und es sei nicht festzustellen, wo sie sich während der Tat befunden habe. Das Strafmaß sei deshalb im unteren Bereich anzusetzen, und da halte das Gericht sechs Monate für tat- und schuldangemessen. Hinsichtlich der Bewährung habe die Staatsanwaltschaft Recht mit ihren Bedenken.

Aber die hohe Rückfallgeschwindigkeit gab es nur bis 2012 in Drogenabhängigkeit des Angeklagten. Davon sei er weg. Er habe eine neue Chance verdient, er könne sich beweisen, indem er nicht mehr straffällig werde. Die Bewährungszeit laufe über drei Jahre, und es werde ihm ein Bewährungshelfer an die Seite gestellt, denn es gebe viel zu regeln: So sei ein Umzug geplant, und die damit zusammenhängenden Aufgaben könnten ihn beeinträchtigen - das wolle man vermeiden. Den Kontakt sollte der 42-Jährige möglichst schnell selbst herstellen.

Außerdem erging die Weisung, eine ambulante Psychotherapie anzutreten, die nicht eigenmächtig beendet werden dürfe. Nach einen halben Jahr werde mit Attest darüber berichtet, und dann werde entschieden, wie es weitergehe. Wenn ein Urteil auch ein Ausgleich für Unrecht sei, könne es so aussehen, als erhalte der Angeklagte keine Strafe, so Döhrel. Er habe jedoch schon in Untersuchungshaft gesessen, und so verhänge man keine weitere strafenden Auflagen - mit der Therapie solle dieser Aspekt sein Bewenden haben. Rechtsmittel sind möglich.ek