Gesellschaft bedeutet Solidarität

Seebrücke mit angemeldeter Kundgebung gegen »Spaziergänger«

Protest gegen die inzwischen regelmäßigen »Spaziergänge« in Einbeck wurde bei der ordnungsgemäß angemeldeten Kundgebung der Seebrücke auf dem Marktplatz deutlich.

Einbeck. Die meisten Protestzüge seien nicht angemeldet beziehungsweise könne die Polizei keine Anmelder auftreiben, das Schwurblergemenge werde nicht behelligt und schöpfe daraus das Gefühl großer Wirksamkeit: Gegen die »Spaziergänger«, die sich über Messengerkanäle für eine weiteres Treffen in Einbeck verabredet hatten, hat die Seebrücke Einbeck am Dienstagabend eine organisierte und angemeldete Kundgebung auf dem Marktplatz gestellt. Hier gab es einen Blick auf die aktuelle Flüchtlingssituation, aber auch auf den nach Ansicht der Seebrücke zu laxen Umgang mit den »Spaziergängern«.

Als Seebrücke wolle man natürlich auf das Elend an den Außengrenzen aufmerksam machen, hieß es zu Beginn der Versammlung. Seit August würden Menschen auf dem Weg nach Europa im Grenzgebiet zwischen dem EU-Staat Polen und Belarus gefangen gehalten. Von europäischen Staaten gebe es keine Bereitschaft zur Aufnahme.

Statt in der EU das Grundrecht auf ein rechtsstaatliches Asylverfahren ausüben zu können, würden die Geflüchteten von polnischen Grenzsoldaten nach Belarus zurückgeschoben, in illegalen sogenannten Pushbacks. Viele seien bereits ge storben. Und wie die Schutzsuchenden dort ignoriert würden, gelte das an anderen europäischen Grenzen. Dass die EU Menschenrechte breche, werde häufig gar nicht mehr hinterfragt. Man beobachte ein Verdrängen und eine Berichterstattung, die Flüchtenden mit Bezeichnungen wie »Flut«, »Welle« oder »Krise« die Menschlichkeit abspreche. An der Grenze Polen-Belarus würden sie als »Waffe« bezeichnet, als »Druckmittel« gegen die EU. Dabei gehe es doch um Menschen mit ihren Wünschen und Bedürfnissen und dass Regierungen sie wissentlich sterben ließen, müsse alle angehen. Scheinbar habe man aus der Geschichte nichts gelernt, denn schon 1938 schien das Boot voll zu sein, kaum ein Land wollte sich als Einwanderungsland sehen. Die grausamen Folgen seien bekannt.

»Ignoranz tötet Leben, Impfstoff tötet Viren«, war auf einem Banner der Seebrücke zu lesen. Nichts gelernt hätten Politiker und Exekutive auch aktuell. Sie »dackelten« dem Mix aus Corona-Leugnern, Verschwörungstheoretikern und Vertretern des rechtsextremen Milieus hinterher. Dass Regeln durchgesetzt würden, sehe man »eher nur vereinzelt«. In Einbeck hätten die Teilnehmer in der vergangenen Woche »erstmal ihr Becherchen Tee austrinken« können, bevor sich die Polizei daran gemacht habe, die Personalien aufzunehmen.

40 Teilnehmer, zum größten Teil ohne Masken, ohne Abstand, ohne versammlungsrechtliche Legitimierung, hätten ungeniert durch die Stadt flanieren können, während zehn vermeintlich linke Gegendemonstranten gezwungen gewesen seien, eine Kundgebung anzumelden. Die Linke scheine bekämpfenswerter als die angebliche Mitte der Gesellschaft. Corona-Leugner und Schwurbler seien nur ein Bruchteil der Bevölkerung, allerdings seien sie laut und drängten in den Mittelpunkt. Es scheine, als würde sich die Gesellschaft daran spalten. »Wollen wir wirklich zulassen, dass fünf Prozent der Bevölkerung die anderen 95 Prozent spalten?« Oder wolle man klare Kante zeigen und klarmachen, dass Teil der Gesellschaft zu sein auch Solidarität bedeuten müsse? Impfgegner würden das Gut der Gemeinschaft mit Füßen treten und eigene Bedürfnisse über die anderer stellen: »Ich will mich nicht impfen lassen, ich fühle mich eingeschränkt, ich, ich, ich ... . Wie wäre es zur Abwechslung mal mit ›wir‹?«, hieß es.

Zusammenhalt sei wichtig. Die Seebrücke kündigte an, sie werde nicht zulassen, dass Schwurbler und Corona-Leugner weiter so unbehelligt durch Einbeck spazierten. Behörden und Polizei seien aufgerufen, illegale Versammlungen zu unterbinden und auf angemeldeten Versammlungen für das Einhalten aller Auflagen zu sorgen. Wer sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit einfordere, habe sich auch in der Ausübung an die Spielregeln zu halten.

Unterstützt wurde die Seebrücke von »Einbeck ist bunt«. Begleitet wurde der Abend von starker Polizeipräsenz.ek