Gewalt in Beziehungen ist nicht privat, sondern Unrecht

Ausstellung »Echt fair!« in den BBS: Kinder, die Gewalt erleben, sind nicht Schuld, sondern haben ein Recht auf Hilfe

Mit der Ausstellung »Echt fair!«, die in den nächsten zwei Wochen in den BBS Einbeck zu sehen ist, wird Gewaltprävention in den Fokus genommen: Schüler können sich vielfältig dem Thema Gewalt nähern, sie werden in ihren Rechten gestärkt und in die Lage versetzt, Perspektiven für ein faires Miteinander zu entwickeln. Zusätzlich gibt es Hinweise zu Hilfsangeboten. Bei der Ausstellungseröffnung stellte Andrea Buskotte vom Landespräventionsrat Niedersachsen heraus, dass Gewalt in Beziehungen kein Einzelfall und keine Privatangelegenheit sei, sondern Unrecht. Kinder, die häusliche Gewalt erleben, seien nicht Schuld, sondern hätten ein Recht auf Hilfe.

Einbeck. »Echt fair!« ist eine interaktive Ausstellung für Kinder und Jugendliche zur Gewaltprävention der Berliner Interventionszentrale bei häuslicher Gewalt (BIG). An den sechs Stationen – Gewaltig, Strittig, mit Gefühl, Ich und Du, Hilfe und Mit Recht – werden Prinzipien der Gewaltprävention vermittelt. Die Ausstellung bietet Schülern ab der fünften Klasse Orientierungs-, Erlebnis- und Lernstationen, regt sie zu aktiven Auseinandersetzungen über partnerschaftliches  Verhalten an, informiert über häusliche Gewalt und andere Formen der Gewalt, denen Schüler ausgesetzt sind, informiert über ihre Rechte und ihren Anspruch auf Schutz und Hilfe, stärkt Mädchen und Jungen in ihrer sozialen Kompetenz und eröffnet Handlungsalternativen, zeigt Lehrern und Eltern, wie sie in ihrem Alltag präventiv wirken können, kann durch das Begleitmaterial im Unterricht vertiefend behandelt werden und schafft einen Rahmen für  Elternarbeit und Vernetzung.

Kreisrat Hartmut Heuer eröffnete die Ausstellung. Zuhause, in den Wohnungen müsse es Frieden geben, erklärte er, angelehnt an ein Zitat von Astrid Lindgren. Vernachlässigung oder Misshandlung im Elternhaus hätten massiven Einfluss auf den Schulerfolg, aber auch auf das eigene Gewalt-Verhalten. Und häusliche Gewalt sei keine Ausnahme, jede vierte Frau und jedes zehnte Kind müsse sie erleben. Wer Gewalt erfahre, der lebe nicht in Frieden, und dieser Bedrohung müsse man sich erwehren.

BBS-Schulleiter Renatus Döring erklärte, dass seine Schule die Ausstellung gerne zwei Wochen beherberge. Er stellte die These, dass Gewalt zum Alltag gehöre, zur Diskussion. Gewalt erlebe man in der Zeitung, im Fernsehen, bei Computerspielen. Streit gehöre zu den Menschen. Gewalt sei gegeben, wenn man an seiner Entfaltung gehindert werde, wenn man beispielsweise keine Arbeit, keine Wohnung habe. Für Gewaltlosigkeit einzutreten, gehöre zum Erziehungsauftrag der Schule. Und so sensibilisiere man für Gewalt, richte den Blick auch auf die Opfer.

Als stellvertretende Bürgermeisterin wünschte Dr. Ursula Beckendorf der Ausstellung viele Besucher. Sie betonte, dass in Einbeck großer Wert auf Prävention gelegt werde und erinnerte beispielsweise an das zehnjährige Bestehen des Präventionsvereins Fips.

Dass das Konzept der Ausstellung, die 2010 an den BBS Northeim gezeigt wurde, aufgehe, stellte Hans Walter Rusteberg, Polizeidirektor der Polizeiinspektion Northeim-Osterode, fest.Täglich erlebten die Polizeibeamte gewalttätige Übergriffe in den unterschiedlichsten Formen. Die Polizei setze auf präventive Arbeit, damit gerade auch Kinder und Jugendliche erkennen, dass Gewalt keine Option bei der Konfliktlösung sei. Jede vierte Frau werden mindestens einmal Opfer von Gewalt, in jeder Woche sterben drei Kinder durch Verbrechen. Heute gebe es bessere Möglichkeiten der Gefahrenabwehr. Wege aus der Gewalt gebe es.

Andrea Buskotte vom Landespräventionsrat Niedersachsen ging in ihrem Referat auf Gewaltrisiken und -folgen ein, nannte Rahmenbedingungen für Prävention. Jeder Mensch habe das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Viele Opfer würden sich eine Mitschuld geben, verantwortlich aber sei nur die Person, die Gewalt ausübt. Manchmal sei es schwer, sich anderen anzuvertrauen, aber es sei richtig, sich Hilfe zu holen. »Niemand muss mit Problemen alleine bleiben.« 

Gewalt in der Familie, fuhr Buskotte fort, sei die am weitesten verbreitete Form von Gewalt, gleichzeitig werde sie in ihrer Häufigkeit und Schwere am stärksten unterschätzt. Die größte Gruppe von Opfern seien Frauen und Kinder.

Gesetzliche Regelungen würden helfen: 1997 wurde die Vergewaltigung in der Ehe zum Straftatbestand, seit 2000 haben Kinder eine Recht auf gewaltfreie Erziehung und seit 2002 greift das Gewaltschutzgesetz. Gewalt gegen Kinder oder Frauen sei mittlerweile ein öffentliches Thema geworden. Der rechtliche Schutz wurde ausgebaut, professionelle Unterstützungsangebote entwickelt. Heute gebe es eine Verdichtung des Hilfsangebots. 10.000 mal gebe es pro Jahr polizeiliche Einsätze gegen häusliche Gewalt, in gleicher Höhe erfolgten Beratungen. »Aber die Dunkelziffer ist immer noch hoch.«

 Jede vierte Frau werde Opfer von Gewalt, oftmals seien Kinder Augen- und/oder Ohrenzeugen. Und das schade ihnen, wenn sie allein gelassen werden. Kinder litten dann unter ambivalenten Gefühlen, könnten ein »schwer ramponiertes Selbstwertgefühl« entwickeln, was wiederum eine »schlechte Basis für Alles« sei. Sie bräuchten Informationen über Gewalt in der Familie und ihre Rechte sowie eine erwachsene Vertrauensperson, die mit der Dynamik der häuslichen Gewalt und den Hilfsangeboten vertraut ist.

 Buskotte machte deutlich, dass Gewalt in Beziehungen kein Einzelfall  und keine Privatangelegenheit sei, sondern Unrecht. Kinder, die häusliche Gewalt erlebten, sei nicht Schuld, sondern hätten ein Recht auf Hilfe. Organisiert wird die Ausstellung durch den Landkreis Northeim mit der Gleichstellungsstelle, der Beratungs- und Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt und den Fachbereich Kinder-, Jugend und Familien, dem Präventionsteam der Polizei Northeim-Osterode, dem Kinderschutzbund und den BBS. Moderiert wurde die Ausstellungseröffnung durch Heike Oppermann von der Beratungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt.

Interessierte Schulklassen ab Jahrgang 5 sind eingeladen, die Ausstellung zu besuchen. Um Anmeldungen beim Landkreis – Telefon 05551/708222 – oder an den BBS – 05561/949350 – wird gebeten. Ein Durchgang der Ausstellung dauert rund 90 Minuten und erfolgt in Begleitung. Maximal 36 Schüler fasst die Ausstellung.sts