Gott führt Scherben des Lebens wieder zusammen

Einbeck. Am Ewigkeitssonntag ist es für viele Personen ein Ritual, Verstorbener zu gedenken. Zahlreiche nehmen an Andachten – dieses Jahr unter Corona-Regelungen – wie auf dem Einbecker Zentralfriedhof teil. Musikalisch umrahmt wurde sie von der Bläsergemeinschaft Kuventhal-Einbeck unter Leitung von Ulrike Hastedt; die Ansprache hielt Pastorin Anne Schrader. Die beiden Bezeichnungen »Totensonntag« und »Ewigkeitssonntag« verdeutlichen, dass man Toten aus seiner Mitte gedenkt. »In aller Trauer lässt Gott uns nicht allein. Er verspricht uns ewiges Leben«, betonte Schrader.

Sie erinnerte sich an das edle Geschirr ihrer Oma, das nur zu besonderen Anlässen benutzt wurde. Einige Teile waren schon in die Jahre gekommen, der Goldrand wies Lädierungen auf; bei einer Suppentasse brach eine Ecke heraus. Ein Teller fiel besonders auf, er war zu Bruch gegangen. Ihr Opa klebte ihn wieder, so dass man kaum etwas vom Schaden mehr erkannte. Beim unkonzentrierten Transport fiel ihr einmal ein Teller herunter und zerbrach. Die Frage stellte sich, soll man ihn reparieren oder einen neuen kaufen. Oft heißt es: »Was neu ist, ist schick; was alt und kaputt ist, wird aussortiert.« In der Offenbarung des Johannes steht: »Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde.«

Gehofft wird oft auf neue Dinge, die alten sollte man aber nicht vergessen. Menschen waren früher oft fröhlich und stark – später hingegen schwach und zerbrechlich. Dass Leben auf Erden dauert nicht ewig an, so Schrader, man spüre die Bruchstellen, die stetig hinzukommen. Die Trauer um einen geliebten Menschen kann eine weitere Scherbe hinzuführen. Auf Bildern sind die Menschen in der Auferstehung jung und gesund dargestellt – so ganz anders wie es in der Erfahrung der Menschen tatsächlich ist, erklärte die Pastorin. Jeder habe Schwachheiten, Verletzungen, Blessuren, Schmerzen, einen nachlassenden Körper – immer mehr Scherben bilden sich. Einfach alles neu zu gestalten, das funktioniert nicht. Kintsugi ist eine Methode des Reparierens aus Japan. Sie lässt Bruchstellen nicht verschwinden, sondern hervortreten. Dem Klebstoff wird Gold beigemischt, um die Risse zu veredeln.

Damit kommen die Scherben besser zum Vorschein. Schwachstellen und Bruchstellen, die einen Menschen ausmachen, löscht man nicht aus. Sie werden von Gott zusammengeführt und geklebt. Die Bibel nennt diese Methode: »Versöhnung. Heiligung.« Ein zerbrochener Teller wie bei der Oma ist etwas Besonderes, man kann ihn nicht einfach austauschen. An ihm haftet nicht nur der Klebstoff, sondern auch wertvolle Erinnerungen. Die Versöhnung heilt Wunden, es kommt wieder zusammen, was getrennt war. Schmerzen werden gestillt und der Tod besiegt. »In der Versöhnung wird alles neu – das gilt nicht erst dann, wenn wir gestorben sind. Das gilt auch jetzt schon. Unsere Wunden können geheilt werden, unsere Tränen getrocknet. Und dann, in der Ewigkeit, wird Gott unsere Scherben ganz vorsichtig zusammenfügen – und mit Segen wie Gold veredeln«, sage Pastorin Anne Schrader zum Abschluss der Andacht. Er kennt die Scherben und Bruchstücke der Menschen, bei ihm werden sie wieder heil.mru