»Gute Bildung« ist eine gemeinschaftliche Aufgabe

Kultusministerin Frauke Heiligenstadt hält Festvortrag beim Gildentag | Landeregierung schnürt umfangreiches Paket

»Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen« – dieses afrikanische Sprichwort war der Ausgangspunkt von Frauke Heiligenstadts Festvortrag beim Gildentag der Kreishand­werkerschaft Northeim-Einbeck im BBS-Forum. Niedersachsens Kultusministerin beschäftigte sich mit guter Bildung als gesamtgesellschaftliche ­A­ufgabe. Sie skizzierte, welche Maßnahmen die Landesregierung dafür ergriffen habe.

Einbeck. In Deutschland sei Erfolg in der Bildung immer noch abhängig von der Herkunft der Eltern, stellte sie fest. Es sei beschämend für die Gesellschaft, dass die soziale Herkunft über den Aufstieg entscheide. Jedes Kind verdiene es, gefördert zu werden. Die Bildungspolitik, die allen Kindern und Jugendlichen Teilhabe ermögliche, sei die beste. Sie selbst, so Frauke Heiligenstadt, komme ebenfalls aus einer Arbeiterfamilie. Es sei schwer gewesen für ihre Eltern, das Gymnasium zu finanzieren. Deshalb sei es ihr wichtig, dass Kinder die Schulform ihrer Wahl besuchen könnten. Die Gesamtschule gehöre dazu, und so habe die Landesregierung es ermöglicht, kleinere Gesamtschulen einzurichten. Insgesamt sei ein großes Bildungspaket geschnürt worden. 420 Millionen Euro mehr seien für den Kultus-Etat eingeplant. Ein Schwerpunkt sei der Ausbau der Krippenangebote um 5.000 Plätze mit Landesmitteln. 260 Millionen Euro gebe es für den Ganztagsschulbereich. Dabei müssten auch die Arbeitsverträge auf ordentliche Beine gestellt werden. Inklusion sei ein weiterer wichtiger Punkt, dabei müsse man die Lehrer begleiten. Entsprechend habe man den Betrag für Fort- und Weiterbildung verdreifacht. Unterstützt werde der Einsatz von Schulpsychologen.Insgesamt 300 Millionen Euro lasse man sich kleinere Klassen und Inklusion kosten – dafür würden 1.655 zusätzliche Lehrer eingestellt. In den nächsten vier Jahren werde eine Milliarde Euro ausgegeben. Das sei eine gewaltige Kraftanstrengung, aber Bildung habe für die Landesregierung Priorität. Gute Schulen seien wichtig für eine gute wirtschaftliche Entwicklung, und eine gute Zukunft gebe es nur, wenn alle Kinder die gleichen Chancen hätten. Daran wirkten viele unterschiedliche Beteiligte mit. Schulqualität sei ein dyna­mischer Begriff. Es müssten immer wieder Änderungsprozesse vorgenommen werden, und die gesamte Gesellschaft sei dabei gefragt.

Bei sinkenden Schülerzahlen werde man über wohnortnahe Schulen diskutieren müssen. Die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung sei für Fachkräftesicherung wichtig. Gute Bildung und Qualifizierung, betonte sie, hätten bessere Aussichten zur Folge, auf Beruf und Karriere und eventuell ein eigenes Unternehmen. Bei der Suche nach klugen Köpfen hätten Jugendliche heute die Chance, den für sie besten Ausbildungsbetrieb zu wählen, und attraktive Unternehmen hätten Vorteile. Duale Ausbildung bleibe das Herzstück der beruflichen Bildung, 60 Prozent der Auszubildenden würden sie durchlaufen. Im Betrieb lernten Jugendliche anders als in der Schule, und wenn der Altgeselle einmal Tacheles mit dem Jugendlichen rede, sei das nützlich für ganzheitliches Lernen. Qualitative Mindeststandards könne man erreichen durch die Einbindung der Tarifpartner in die Ausbildung. Stärker sollte man werben für das Studium ohne Abitur sowie für Durchlässigkeit der beruflichen und akademischen Bildung.

»Fachkräfte werden rar«, betonte die Ministerin, bis 2015 werde es in Niedersachsen rund 355.000 Einwohner weniger geben. Bei den Arbeitskräften liege das Minus bei zehn Prozent, bei den jungen Erwachsenen sogar bei 20 Prozent. Fast nirgendwo sei die Wirtschaft so ausbildungsfreundlich wie in Niedersachsen, und das Handwerk gehöre dazu. Dafür sprach sie ihren herzlichen Dank aus. Weniger Auszubildende bedeute für den Einzelnen weniger Konkurrenz, aber von der demografischen Entspannung könnten nur wenige profitieren. Zu wenigen gelinge der zügige Übergang nach Klasse 9 oder 10 in die Ausbildung. Viele würden abbrechen oder keinen Ausbildungsplatz finden. Wenn immer mehr Jugendliche mit Förderbedarf in die Duale Ausbildung strebten, dürfe man die Betriebe nicht allein lassen. Der Übergang in den Beruf sei eine wichtige Nahtstelle, falsche Vorstellungen hätten große Konsequenzen. Entsprechend sollte man die Berufswahlkompetenz stärken. Besserer Berufsbezug durch betriebliche Praxis habe sich als erfolgreicher Weg erwiesen. Auch sozial­pädagogische Fachkräfte seien wichtig für berufsorientierende Maßnehmen – dafür gebe es ebenso Haushaltsmittel in Millionenhöhe, und es sei das Ziel, Sozialarbeit an allen Schulen Schritt für Schritt aus­zubauen. Für den Ausbau der Bildungsregion mit Akteuren vor Ort fließen 1,9 Millionen Euro vom Land.

Die Ministerin gratulierte den Kammersiegern, die beim Gildentag geehrt wurden: Sie stünden für Vielfalt und Qualität der Ausbildung, und sie könnten stolz sein auf ihre Leistung. Es gelte aber nach wie vor die Forderung nach lebenslangem Lernen: Mit dem Ablegen einer Prüfung sollte man schon das nächste Ziel ins Auge fassen, denn die Halbwertzeit von Wissen nehme ab. »Aber Ihnen steht vieles offen«, wandte sie sich an den Nachwuchs. Der Ausgabe »gute Bildung« müsse man sich gemeinschaftlich und mit hohem Engagement stellen, betonte die Ministerin, jeder an seiner ­Stelle. Viele seien daran beteiligt, »und ich werde das gern weiter mit Ihnen gestalten.«ek