Gute Wünsche - und die Zeit des neuen Jahres mit Weisheit einteilen

Neujahrsempfang bei der Einbecker Freimaurerloge / Publizist Jens Oberheide: Gutes wollen, das Beste tun / Junge Künstler geben wieder ein außergewöhnliches Konzert

Über Denkbares und Machbares hat Jens Oberheide bei der Einbecker Freimaurerloge »Georg zu den drei Säulen« nachgedacht. Der Festredner des Neujahrsempfangs ermunterte dazu, bei den guten Vorsätzen zum neuen Jahr weiter zu denken: Die Freimaurerei biete eine Grundlage dafür, wolle sie doch den Menschen mit Geist, Gemüt, Herz und Hand erfassen und zum vorurteilsfreien Nachdenken über die Welt anhalten: besser denken, besser leben. Traditionell konnten sich die Gäste an einem besonderen Konzert mit jungen Mitwirkenden erfreuen.

Einbeck. »Zeiten schwinden, Jahre kreisen, und so wechseln Wieg’ und Grab« – mit einem Gedicht hieß Rainer Koch, Meister vom Stuhl der Einbecker Freimaurerloge, die Besucher willkommen, verbunden mit dem Wunsch nach einer guten Jahresbilanz. Schon wieder sei ein Jahr herum, für das man sich womöglich vieles vorgenommen und vieles nicht geschafft habe. Zeitmanagement werde immer wichtiger, aber es werde nicht als Planung oder Organisation verstanden, sondern in dem Sinne, dass man möglichst viel Inhalt in die vorhandene Zeit presse. Der 24-zöllige Maßstab der Freimaurer halte dazu an, die Zeit mit Weisheit einzuteilen – das sei es, was er den Gästen für das neue Jahr wünsche.

Viele Menschen starteten mit guten Vorsätzen wie »nicht mehr rauchen«, »abnehmen« oder »gesünder leben« ins neue Jahr, vermutete Jens Oberheide, zweiter Vorsitzender des Deutschen Freimaurer-Museums Bayreuth und früherer Bundesvorsitzender der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland. Man könne sich allerdings auch etwas vornehmen wie der Aufklärungs-Philosoph Moses Mendelssohn: nach Wahrheit forschen, Schönheit lieben, Gutes wollen, Bestes tun. Dieser Anspruch wende sich an den Tatmenschen, den Schöngeist und alle dazwischen, eben an die Bandbreite, die auch zur Freimaurerei gehöre. Sinn zu suchen, anständig zu leben, nach Harmonie zu streben, diese Weisheit wollten viele Menschen. Aber nur wenige würden es umsetzen, »die Wirklichkeit sieht anders aus«, bedauerte Oberheide.

Dabei sei die Frage, wie man leben soll, »zu groß für Silvester«. Mendelssohn biete eine geniale Vereinfachung menschlichen Strebens. Edel, hilfreich und gut solle der Mensch sein. »Was machen wir aus uns?«, diese Frage ermuntere zu weiterem Denken, zu einem menschlichen, klaren, gelassenen, vernünftigen, freien, Leben. Etwas aus sich selbst zu machen, sei ein guter Vorsatz. Freimaurerei knüpfe da an: Sie suche Sinn, tue Gutes, wolle Bestes und fördere toleranten Umgang miteinander. Wenn die Wirklichkeit aber am Ideal versage, sollte man nicht den Kopf in den Sand stecken und resignieren, sondern sich weiter daran orientieren – »jeder, wie er möchte und es vermag.« Dummheit, Dogma, Fanatismus und Intoleranz seien der Ausgang aller Konflikte in der Welt. Man müsse Angst haben vor einer Welt ohne Werte und Empfindsamkeit, in der Böses überhand nehme. Man dürfe sich nicht mutlos machen lassen, und soziale Gerechtigkeit dürfe keine Floskel bleiben.

»Alles fängt bei uns an«, ermunterte Oberheide zur Selbstbesinnung, »im Kleinen, denn sonst hat das Große keine Chance.« Freimaurerei verbessere nicht die Welt, aber sie könne aus redlichen Menschen bessere machen. Über freimaurerische Idealvorstellungen lasse sich ein ethisches Fundament finden von Gewaltlosigkeit, Friedfertigkeit und Brüderlichkeit sowie Ehrfurcht vor dem Leben. Diese Vorstellungen seien Grundlage freiheitlicher Verfassungen sowie der UN-Charta. »Alle Menschen werden Brüder«, dieser Schillersche Satz sei leider Fiktion, er werde aber immer wieder thematisiert. Freimaurerei wolle offen sein für alle, überparteilich, überkonfessionell, überstaatlich. Andere Meinungen als gleichwertig zu erkennen, sei Ausdruck von Toleranz. Das Symbol der Wasserwaage stehe für einen ebenen Baugrund, auf dem sich alle begegnen könnten – alles habe auf dieser Ebene Platz. Freimaurer verständigten sich weltweit über solche Symbolik, und wie sie im Mittelalter Räume gebaut hätten, sei das im übertragenen Sinne noch immer der Fall.

Besser denken, besser leben – Freimaurer versuchten das. Während viele Menschen verlernt hätten, in sich zu horchen und Herz, Verstand und Seele zu beachten, wolle die Freimaurerei sie mit Geist, Gemüt, Herz und Hand erfassen und zu vorurteilsfreiem Nachdenken über die Welt ermutigen. Machbare Forderungen müssten im Kleinen beginnen und im Großen fortgesetzt werden. Freimaurerei lebe von Netzwerken und Begegnungen und davon, Gutes zu wollen, das Beste zu tun, und andere damit anzustecken und dazu anzustiften. Mit menschlichen Begegnungen könne man den Boden bereiten für Schönes – darum sollte man bemüht bleiben.

Den zweiten Teil des Empfangs bildete wieder ein hochkarätiges Konzert. Dabei gab es ein Wiedersehen mit der jungen Pianistin Meng Sun, die die Besucher zum dritten Mal »verzauberte«, wie Rainer Koch lobte. Die Künstlerin, 1996 in China geboren und seit sechs Jahren in Deutschland, hat zahlreiche Wettbewerbe gewonnen und Stipendien errungen. Alexander Haupt aus Hannover ist in der Einbecker Loge ebenfalls kein Unbekannter, er hat, genau wie Meng Sun, das Institut für Frühförderung Musikalisch Hochbegabter in Hannover besucht; inzwischen hat er in England seine Schulausbildung abgeschlossen, und er studiert Mathematik in Cambridge. Der Jüngste in der Künstlerrunde war Knabensopran Marcel Durka. Der zehnjährige Schüler aus Hannover spielt Klavier, er singt aber auch – in Einbeck unter anderem Schuberts »Forelle« und ein mitreißend-jugendliches »Funiculi-Funicula«. Auf dem Programm standen Werke von Mozart, Schubert, Denza, Menotti, Scarlatti, Rossini und Chopin. Sowohl die Pianisten als auch Marcel Durka erhielten begeisterten Applaus – und die Einbecker werden sicher ein interessiertes Auge auf ihre weitere musikalische Karriere werfen.ek