Heiteres Bild der erhofften Ewigkeit

Lied von der »Sommerzeit« zum Totensonntag / Johann Walter beschreibt »Paradeis«

Wenn man im Evangelischen Gesangbuch unter dem Abschnitt »Ende des Kirchenjahres« nachschaut – und dort finden sich viel weniger Lieder als etwa zur Weihnachtszeit oder zu Ostern –, so steht da neben dem »Wachet auf!, dem sogar Bachs berühmter vierstimmiger Satz beigegeben ist, oder neben dem Lied von der »hochgebauten Stadt Jerusalem« zunächst unerwartet ein Lied von der »lieben Sommerzeit«, die man in diesem Zusammenhang eigentlich nicht erwartet.

Einbeck. Eine ganz alte Zeit hatte oft mit dem Ende des Lebens und der Endzeit der Welt drohende Visionen von strengem Gericht und harten Strafen in Verbindung gebracht: Romanische Reliefs und alte Bilder  zeigen den Weltenrichter Christus am »jüngsten Tage« und auch grausliche Höllengestalten. Doch später richtete sich der Blick eher auf ein herrliches »himmlisches Jerusalem« mit paradiesischen Freuden: So auch in dem angeführten Lied. Wenn man sich aber hier zunächst über die »Sommerzeit« wundert, besagt eine »Vokabelhilfe« der Herausgeber, dass der Dichter des 16. Jahrhunderts dieses Wort als »Bild für die Ewigkeit« verwendet.

Von den acht Strophen des Liedes seien hier drei wiedergegeben:

Herzlich tut mich erfreuen / die liebe Sommerzeit, / wenn Gott wird schön erneuen / alles zur Ewigkeit. / Den Himmel und die Erden / wird Gott erschaffen gar, / all Kreatur soll werden / ganz herrlich schön und klar.Er wird uns fröhlich leiten / ins ewig Paradeis, / die Hochzeit zu bereiten / zu seinem Lob und Preis. / Da wird sein Freud und Wonne / in rechter Lieb und Treu / aus Gottes Schatz und Bronne / und täglich werden neu.Da wird man klingen hören / Die rechten Saitenspiel, / die Musikkunst wird bringen / in Gott der Freuden viel, / die Engel werden singen, / all Heilgen Gottes gleich / mit himmelischen Zungen / ewig in Gottes Reich.

Der Dichter Johann Walter (1496 bis 1570), Kantor und Kapellmeister in Torgau und Dresden, später Luthers musikalischer Berater, schildert in seinem Lied in schlichter Weise die zu erwartende Ewigkeit, ähnlich wie es auch alte Bilder des Paradieses tun. Dort werden, wie es in den hier nicht wiedergegebenen Strophen geschildert wird, Trübsal, Angst und Krankheiten schwinden, liebliche Musik wird erklingen, und Gott, Vater, Sohn und Geist werden im Gesang gepriesen. Als Abschluss ist an Walters Text etwas später noch ein Gebet angefügt. Bezeichnend mag auch noch sein, dass statt der wenig bekannten Melodie des 16. Jahrhunderts in der Regel die etwas jüngere des Frühlingsliedes »Wie lieblich ist der Maien« gewählt wird.

Als Ganzes ist es ein unbekümmert heiteres, frühlingshaftes Bild von einer erhofften Ewigkeit, von der auch schon ein Psalmdichter des Alten Testamentes spricht, wenn er die »lieblichen Wohnungen des Herrn« erwähnt (Psalm 84), die dann Brahms in seinem »Requiem« in Musik umsetzt.D.A.