1. Mai bleibt Kampftag und Zeichen für Solidarität

Maikundgebung der Gewerkschaften auf Möncheplatz mit gutem Besuch / Nicht Sozialstaat, sondern Finanzmärkte unter Druck setzen

»Gute Arbeit, sichere Rente, soziales Europa«, unter diesem Motto stand die Maikundgebung, zu der die Gewerkschaften auf den Möncheplatz eingeladen hatten. Der ver.di-Ortsvereinsvorsit-zende Peter Zarske, Mairedner Wolfram Schöttle von der IG Metall Niedersachsen, und Achim Wenzig, Betriebsratsvorsitzender der Firma Re­nold, griffen diese Forderungen auf, sie nahmen aber auch Bezug auf die Zerschlagung der Gewerkschaften in Deutschland vor 80 Jahren durch die Nationalsozialisten, verbunden mit dem Ruf nach einem NPD-Verbot.

Einbeck. Jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland sei inzwischen gekennzeichnet von prekären Verhältnissen, stellte Peter Zarske fest. Die Beschäftigten müssten auf diese Weise die Folgen einer verfehlten Finanzpolitik tragen. Sie sei für Neoliberale und Konservative der Deckmantel für Veränderungen, die die Gewerkschaften so nicht hinnehmen wollten. Die Beschäftigten verlangten Arbeit, die nicht krank mache, und eine Politik, die das Soziale umsetze und die wisse, dass Starke mehr Lasten tragen könnten.

Vor 80 Jahren, blickte Zarske zurück, sei ebenfalls der Tag der Arbeit gefeiert worden. Am 2. Mai 1933 hätten die Nazis die Gewerkschaftsbewegung zerschlagen, die Organisationen verboten. Nazis, betonte er, hätten in der Gesellschaft heute nichts zu suchen. Er unterstützte deshalb das NPD-Verbotsverfahren. Der 1. Mai sei der Tag der Arbeit und der Gewerkschaften – man sollte ihn genießen als Tag der Solidarität.

»Das ist unser Feiertag«, knüpfte Wolfram Schöttle an. Es gelte, die Erfolge der arbeitenden Menschen zu feiern, die sie Kapital und Politik abgerungen hätten. In diesem Sinne bleibe der 1. Mai ein Kampftag, an dem Millionen Teilnehmer überall auf der Welt für die gleichen Ziele eintreten würden, für Frieden, Freiheit, Demokratie und Respekt. »Wir sind Millionen, und wir sind stärker als Millionäre«, sagte er. Klassenkampf laufe in Deutschland und Europa von oben nach unten. »Arm trotz Arbeit«, das sei für viele leider die Realität. Am 1. Mai für Ziele wie gute Arbeit, sichere Rente und soziales Europa einzutreten, sei kein leeres Ritual. Die Arbeitnehmer müssten kämpfen, damit Arbeitgeber Verantwortung übernehmen würden. Der Tag sei auch der eigenen Geschichte gewidmet, denn Arbeiterbewegung und Gewerkschaften seien die Geburtshelfer der Demokratie. Sie hätten allgemeine Wahlen, Acht-Stunden-Tag und Mitbestimmung durchgesetzt. Auch Schöttle erinnerte an 1933 und das Ende der Gewerkschaften, das die Nationalsozialisten, unterstützt von Kohle- und Stahlbaronen, herbeiführten. Aber aus dieser vernichtenden Niederlage habe man gelernt, die Einheitsgewerkschaft sei entstanden. Einig sei man sich in der Forderung: »Nie wieder Krieg und Faschismus«. Die Aufkündigung des sozialen Friedens sei eine Ursache für viele Probleme in Europa, fuhr er fort. Es gebe Staatsfeinde in Wirtschaft und Politik. Besonders schamlos verhalte sich da die FDP, die Partei der Sozialschmarotzer, deren Steuergeschenke zu chronischer Unterfinanzierung der öffentlichen Hand führten. Marktradikalismus statt sozialer Marktwirtschaft habe Einzug gehalten. Die Agenda 2010 habe die soziale Landschaft ebenfalls verändert, leider nicht zum Guten. Hartz IV bedeute Armut per Gesetz. Geld gebe es in Deutschland mehr als genug, aber es werde immer ungerechter verteilt. Der Reichtum an der Spitze habe zugenommen. Das scheue Reh der Steuerhinterzieher habe mit Uli Hoeneß ein Gesicht bekommen. Mit eigener Arbeit, so Schöttle, lasse sich nie ein so riesiges Vermögen anhäufen – verbunden mit der Unverforenheit, es nicht zu versteuern. Das sei Diebstahl an der Gesellschaft, den man nicht hinnehmen werde, sagte er unter Beifall.

In Europa sei die Banken- zu einer sozialen Krise geworden. Den gegenwärtigen Umgang hätten die Schuldnerländer nicht verdient. Die Gewerkschaften wollten Europa sozialer und demokratischer machen, für die Menschen, nicht für die Banken. Schöttle forderte ein Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit,  die junge Generation brauche eine faire Chance. Er sprach sich gegen die Ausplünderung des Gemeinwesens aus, denn im Grundgesetz heiße es nicht: Alle Macht geht von den Märkten aus. Die Finanzmärkte müsse man unter Druck setzen, nicht den Sozialstaat. Ein soziales Europa brauche einen radikalen Politikwechsel, kein Diktat der Finanzmärkte. Wer die Welt in Ordnung bringen wolle, müsse zu Hause beginnen, und so bezeichnete er das Verhandlungsangebot in der Metall- und Elektroindustrie als »dreifache Nullnummer«: »Wir haben die Faxen dicke.« Reallohnzuwächse seien finanzierbar, gerecht und ökonomisch notwendig. Ein Plus für die Beschäftigten sei ein Plus für alle, wirke gegen prekäre Arbeit und für Verteilungsgerechtigkeit Er sei sicher, dass in der nächsten Legislaturperiode ein Gesetz für Mindestlohn verabschiedet werde und dass auch Leiharbeit aus der Billig-Ecke herauskomme. Der »Geiz ist geil«-Mentalität müsse die Politik einen Riegel vorschieben. Die Rente mit 67 bezeichnete er als »grandiose  Fehlentscheidung«. Richtig wären flexible Ausstiegsmodelle. Wer dabei nur auf die Politik vertraue, werde nichts erreichen. Die Zeit sei reif für einen Politikwechsel, für Frieden, Demokratie und soziale Gerechtigkeit.

Der 1. Mai sei für eine kleine Stadt wie Einbeck noch immer eine »große Nummer«, lobte Achim Wenzig die gute Beteiligung. Auch er ging auf Fremdenhass und rechten Terror ein: Spätestens die NSU-Morde zeigten, dass man die Neonazi-Szene in Deutschland nicht ignorieren dürfe, sondern massiv mit demokratischen Mitteln bekämpfen müsse. Das sei eine Angelegenheit der Zivilgesellschaft. Die Politik tue sich schwer mit einem NPD-Verbot. Wer die Partei auf Dummheit begrenze, trage aber zur Verdummung bei. Wichtig sei ein Verbot auch deshalb, um der NPD die finanzielle Grundlage zu entziehen: »Dem Spuk müssen wir endlich ein Ende bereiten.« ek