Im August 1549 wurde die neue Stadt in Brand gesetzt

Perfider Plan einer Räuberbande: Bewohner fortgelockt, geplündert und gezündelt / Fast 600 Häuser zerstört / Langsamer Wiederaufbau

Vor einigen Wochen erschien an dieser Stelle ein Aufsatz über die schwärzesten Tage in der Geschichte der Stadt Einbeck. Unter anderem wurde der Großbrand von 1826 beschrieben, der in der Altendorfer Straße ausbrach und die halbe Stadt in Schutt und Asche legte. Niemand konnte ahnen, dass es nur wenige Tage später in der Altendorfer Straße erneut zu einem Feuer kommen sollte. Bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Einbecker Bürger einer solchen Katastrophe hilflos ausgeliefert. Heute ist es den gut ausgebildeten und mit neuester Technik ausgestatteten Feuerwehrleuten zu verdanken, dass ein solches Feuer schnell und wirkungsvoll bekämpft werden kann.

Einbeck. Mehr als 300 Feuerwehrleute waren in der Nacht vom 16. auf den 17. August dieses Jahres zur Stelle, um das Schlimmste erfolgreich zu verhindern. Die hervorragende Leistung der Brandbekämpfer ist immer noch Stadtgespräch in Einbeck.

Erfolgreiche Brandbekämpfung ist eine Errungenschaft des späten 19. Jahrhunderts. Im Mittelalter und in der Neuzeit waren die technischen Mittel und Kenntnisse zur Brandbekämpfung noch sehr begrenzt. Im Jahr 1549 sollte das für die Stadt Einbeck bittere Auswirkungen haben. Erst neun Jahre zuvor war die Stadt durch einen Großbrand vollständig zerstört worden. Doch unbeirrt machten sich die Einbecker Bürger an den Wiederaufbau, und nur wenige Jahre später erstrahlte die »neue« Stadt Einbeck im Glanz der stattlichen Fachwerkhäuser, von denen viele noch heute der Stadt ihr spätmittelalterliches Gepräge geben.In einer August-Nacht des Jahres 1549 wurde die Stadt Einbeck von der Räuberbande des Sebastian Meppe (oder auch Meppen), zu der unter anderem sein Schwager Heinrich Hesse und seine Vettern Hans und Tönnies Meppe(n) gehörten, überfallen. Der Plan des Räuberhauptmannes war äußerst perfide: Mit einer List lockte Sebastian Meppe die Bürger aus der Stadt heraus, damit er mit seinen Spießgesellen ungestört plündern konnte. Die Bande steckte alle Einbecker Landwehrtürme, bis auf den roten Turm, in Brand. Der Plan gelang – die Einbecker eilten zur Landwehr, um die Brände zu löschen, damit war der Weg für die Räuber frei. In der Stadt angekommen, hatten sie leichtes Spiel. Haus um Haus wurde nach Wertsachen durchsucht. Nachdem sie ihre Beute gemacht hatten, setzten sie die geplünderten Häuser in Brand. Die Auswirkungen waren verheerend.424 brauberechtigte Häuser und 164 sogenannte Buden mit Scheunen und Hintergebäuden fielen dem Brandanschlag zum Opfer.

Betroffen war vor allem die Neustadt. Die Häger-, Bau-, Hullerser-, Backofen-, Altendorfer-, Benser-, und Papenstraße brannten nieder. Das Feuer breitete sich noch weiter aus und befiel auch Teile der Altstadt. Die Markt- und Knochenhauerstraße, die Heiligegeist-Gasse (heute Geiststraße) brannten ebenfalls. Ein Teil der Maschenstraße und einige Häuser auf dem Marktplatz wurden Opfer der Flammen.Der Chronist Letzner schrieb in seiner wenige Jahrzehnte später erschienenen Chronik: »Anno Christ 1549. als nun etliche vermügende Leute zu Einbeck zu bauen angefangen/ und sich darüber in grosse/ beschwerliche Schulden gestecket/ hat diese Stadt einen bösen Buben/ seines Namens Meppe zugenandt/ zum Feinde bekommen. Derselbige dencket und trachtet auff Gelegenheit/ biß so lange er mit List in die Stadt kömpt/ und Feuer einlegt/ daher sich eine grosse Feuersnot erhaben/ also daß 1500 Häuser in kurtzer Frist und Zeit im Rauch auffgangen«.

Der Konrektor und Prediger Johann Schottelius hat die zweite große Brandkatastrophe der Stadt im Bäckergilden-Buch in einem Gedicht festgehalten: »Nach tausend und fünfhundert Jarn. Als Christus war ein Mensch geborn, auch weiter neun und vierzig Jahr, Ist Einbeck noch einmal fürwahr, von Meppen, der war ihr bös Feind, Angesteckt, dass verbrannt seind. An die anderthalb tausend Haus. Und hat derselbig Unfall troffen die Benserstraßen, auch der Pfaffen. Die Hegerstraßen ist auch sammt der Baustraßen gar ausgebrannt. Die Backofenstraße musste auch mit, die Hulderstraßen kundt bleiben nicht. Die Altendorferstraß auch war Sammt der heiligen Geistgasse gar, auch mit der Knochenheuerstraß ganz ausgebranndt ohn alle Maß. Die Maschenstraße mußt auch mit aus bis an der Nonnenschwestern Haus, und Rege über die andere Seit Ist auch abgebrannt mit großem Leid, bis an Hermann Holtegel Haus, da dann das Feuer ist gelöscht aus. Die Marktstraß kundt nicht bleiben stahn, bis an der Adensche Haus hinan, und ist garauf dem Markt gebrannt bis an Jobst Bensen Haus bekannt. Auch bis an Thiele Deckens Haus, Da es gottlob ist gedämpfet aus«.Wie beim ersten großen Brand von 1540 wurden von befreundeten Städten sofort Hilfslieferungen nach Einbeck geschickt. Die Stadt Braunschweig sandte am 14. August 1549 ein Rundschreiben an alle Hansestädte des sächsischen Bezirks, in dem Einbeck lag:

»…dat uth sunderliger Verhecknisse des Almechtigen de Ersamen und wisen Borgemester und Rath der Stadt Einbeck mit orer gemeinen Borgerschop sunth Anno 40, negist vergangen, nu tho twen Malen in groten merckligen unoverwintlichen Brantschaden gerade sin…mehr dan der Deil dersulven Stadt so temlich weder erbuwet gewesen, avermals, dat erbarmlich und schrecklich tho horen, im Fure tho nichte geworden sin…. So bidden wy einen jedern so mit dusser Schrift angelanget und ersocht wert, gar deinstlich und sitlich, Iuw Erbaren Wisheit willen sick solck erbarmlig Wesen laten bewegen, und densulven armen Vorbranten mit ohren milden Forderingen gunsiglen tho Sture komen, darmedevorbevorte Stadt wedder erbuwet und in borgerliche Zucht und Sede gebrocht werden moge…«.

Die Zuwendung und Unterstützung, die Einbeck aus nah und fern erhielt, reichte natürlich nicht aus, um einen solch immensen Schaden wieder auszugleichen. Die Stadt war so geschwächt, dass sie ihren immer noch wegen der großen Brandkatastrophe von 1540 währenden Kampf gegen Herzog Heinrich den Jüngeren aufgeben musste und kapitulierte. Auch die Situation der Einbecker Gewerbetreibenden war mehr als schlecht, denn der Handel innerhalb der Hanse nahm immer mehr ab. Es dauerte Jahrzehnte, bis die Stadt sich einigermaßen erholt hatte. Erst Anfang des 17. Jahrhundert waren die letzten Schäden beseitigt, doch die Stadt Einbeck kam nicht zur Ruhe: Einige Jahre später sollte der Schrecken des Dreißigjährigen Krieges auch hier Einzug halten. Nie wieder sollte Einbeck seine einstige Blüte und seinen Reichtum wieder erlangen…wk