In verrückten Rennsport-Zeiten schwelgen

Bei PS.Förderfreunden: Talk verrät, wie man ohne Quali Formel 1 fährt, Journalisten foppt und Psycho-Krieg führt Moderator Rainer Braun, Hans Heyer und Harald Grohs (von rechts) berichtete beim Rennsport-Talk im PS.SPEICHER schier Unglaubliches aus ihrer Karriere – nicht immer ungefährlich, im Nachhinein vor allem aber amüsant.

Einbeck. Der eine rettet seinen Tirolerhut noch aus seinem Unglücksfahrzeug, der andere wird oft mit Fernseh-Detektiv Matula verwechselt, und der Dritte hat Rennsportgeschichte über Jahrzehnte hautnah als Journalist und Hobby-Pilot mitverfolgt. Alle drei verbindet ein großes Talent zum Erzählen von spannenden und komischen und eigentlich unglaublichen Geschichten.

Zum Auftaktabend der Einbecker Oldtimertage waren jetzt Hans Heyer, Harald Grohs und Rainer Braun zu Gast bei den PS.Förderfreunden. »Das glaubt uns kein Mensch«, unter diesem Motto hatte Rainer Braun im vergangenen Jahr bereits wilde Stories zum Besten gegeben – nun war er, wie versprochen, wiedergekommen, und er hatte zwei Rennsportkollegen dabei, mit denen er munter in Erinnerungen schwelgen konnte. Das Publikum folgte höchst amüsiert.

Er freue sich, dass die Förderfreunde in die Einbecker Oldtimertage und den PS.SPEICHER-Geburtstag so eingebettet seien, sagte deren Geschäftsführer Dr. Günter Diener. Die Förderfreunde seien kurz vor der 500-Mitglieder-Marke. Schon für einen kleinen monatlichen Beitrag könne man Teil des Ganzen sein – auch das eine unglaubliche Geschichte. Zuvor hat PS-Geschäftsführer Lothar Meyer-Mertel allen gedankt, die sich am Veranstaltungswochenende so engagierten, und um weitere Mithilfe gebeten: »Je größer wir werden, desto mehr Ehrenamtler brauchen wir.«

Zwei Rennfahrer, die ihren Fans stets viel Freude gemacht hätten, hatte Rainer Braun mitgebracht. Hans Heyer hat 33 Jahre lang Freund und Feind im deutschen Rennsport mit Ideenreichtum überrumpelt, im Kart, im Tourenwagen, im GT- und im Sportwagen. 999 Rennen ist er gefahren, rund die Hälfte hat er gewonnen.

Das Rennsportreglement habe er manchmal etwas großzügig ausgelegt, plauderte er aus, etwa, als es um einen gestohlenen Motor ging oder um einen Start, obwohl der noch gar nicht freigegeben war. Nach rüden Runden hatte er auch schon mal »sämtliche Farben von irgendwelchen Leuten« am eigenen Sportwagen. Ausgezeichnet haben ihn Glück und Chuzpe, und mit einem »Weiter so« oder »Du bist ein ganzes Jahr engagiert« gab es unverhoffte Anerkennung. Legendär war Heyers »rote Sau«, ein roter 6,9-Liter-Mercedes von AMG, mit dem er 1971 Zweiter in Spa wurde. Als Werksfahrer war er für Ford im Capri unterwegs, sehr schwierig zu fahren, doch er machte es sich leichter, indem er ein Lkw-Lenkrad einbaute.

Mit vielen Fahrern, die später Formel-1-Geschichte geschrieben haben, ist er an den Start gegangen, und die jungen Männer hatten immer Blödsinn im Kopf. Einmal wurde Rainer Braun Opfer einer solchen Aktion: Sie hatten ihm in einem Rennen die Pole Position zuerkannt, was ihm fürchterliche Angst einjagte. Die Fahrt mit einem hochkarätigen Verfolgerfeld im Nacken endete schnell auf dem nächsten Acker, und er schickt noch heute ein »Ihr Schweinepriester!« hinterher.

Heyer-Dauer-Konkurrenten Klaus Ludwig, der sich an seiner Spoilerhöhe orientieren wollte, überlistete er mit einem zwei Zentimeter zu kurzen Spezialzollstock: »Psychologische Kriegsführung« sei das gewesen. Die Entscheidung, ob man sich lieber um die Mädels im Fahrerlager oder um die Autos kümmern sollte, ist sowohl Heyer als auch Grohs nicht schwer gefallen: Meistens siegten die Mädchen.

Legendär war der Start 1977 auf dem Norisring. »Ziemlich hart« sei da gefahren worden: Fotos des zerfetzten Autos zeigen, dass das eine leichte Untertreibung war. Das laut Braun »frechste Gaunerstück der Formel-1-Geschichte« lieferte Hans Heyer 1977 auf dem Hockenheimring. Er war einer von drei Fahrern, die sich nicht qualifiziert hatten, wollte aber dabei sein. Die überredeten Streckenposten hoben Absperrungen zur Seite, und so war er im Feld dabei. »Und das hat ehrlich niemand gemerkt«, wundert sich der damalige Streckensprecher Rainer Braun noch heute. Die Sportkommissare saßen nämlich bei Kaffee und Kuchen. Vor diesem Husarenstück ziehe er heute noch den Hut. Die Strafe? Heyer wurde für den Rest der Saison von »Bernie« gesperrt, »aber ich wäre sowieso nicht mehr gefahren.

Feuerzungen an der Seite, »da kriegt man heute noch eine Gänsehaut«: Der Ford Capri Turbo mit bis zu 600 PS war eine Klasse für sich, dicht dran an der Formal 1. »Man durfte den nicht aus den Augen lassen«, damit hat Harald Grohs Hans Heyer begleitet. »Wenn man erfolgreich sein will, muss man auch mal am Limit operieren – das habe ich gemacht«, gesteht er. Der Erfolg gab ihm dabei oft Recht.

Seinen spektakulärsten Unfall erlebte Heyer 1980 im Lancia am Norisring, als eine Bremsscheibe brach. Der Wagen überschlug sich mehrfach, Heyer ist kaum etwas passiert – er stiefelte sogar noch zurück zum Wrack, um den liegengelassenen Hut zu holen. »Heute lachen wir darüber, aber damals rutschte einem das Herz in die Hose.« Die Tempo-Gene hat Heyer weitergegeben: Sohn Kenneth ist ebenfalls Rennfahrer.

Vollgas-Held Harald Grohs ist Touren-, GT- und Sportwagen gefahren, auf BMW und Porsche. Haarsträubende Unfälle hat auch er ohne nennenswerte Verletzungen überstanden. Viel trainiert habe er, aber die Physik dabei ausgeblendet. Unvergessen und ein Leckerbissen für Fotojournalisten waren seine Sprünge auf dem Nürburgring, die er sogar »ankündigen« konnte. Spektakulärer als er schaffte das keiner. Erstaunt war der Vollblut-Rennfahrer, als man ihm »Gentleman-Fahrer« an die Seite stellte: »Die wussten gar nicht, wie man das schreibt.«

Die manchmal rüpelhafte Fahrweise konnte sie ihm auch nicht austreiben; vielmehr sind sie selbst unangenehm aufgefallen, als sie Herbert von Karajan in einem Berliner Nobelhotel mit Böllern und Feuerlöschern erschreckten. Mehrjähriges Hausverbot und 6.500 Mark Strafe und die kleinlaute Bitte, bei Harald Grohs übernachten zu dürfen, waren die Folge – das erzählt er heute noch mit viel Genuss.

Mit einem BMW 635 csi wurde Grohs erster Sieger bei der DTM, mit dem BMW M3 hat er ebenfalls Rennsporthistorie geschrieben, und mit 51 hat er als ältester Teilnehmer den Carrera-Cup gewonnen.

»Es waren andere Zeiten damals – und wir haben sie sehr genossen«, stellten alle drei Experten abschließend fest, und sie gaben dem Publikum ein Versprechen: Gern würden sie mal wiederkommen. Ein großes Lob gab es von den beiden Talkpartnern Brauns für den PS.SPEICHER. Er habe dafür eine Einladung zur DTM nach Moskau abgesagt: »Das ist so toll hier, ich wollte Sie nicht enttäuschen«, sagte Harald Grohs.

»Ich bin ganz erschlagen davon, mit wieviel Liebe zum Detail hier alles zu sehen ist«, ergänzte Harald Heyer. »Karl-Heinz Rehkopf ist mir schon ans Herz gewachsen.«ek