Individuelles Schmerzkonzept

Einbecker Bürgerspital: Unterschiedliche Ansätze helfen dem Patienten

Die Zahl der Patienten hat zugenommen. Chronische Rückenschmerzen, Verschleißerkrankungen, Schmerzen am Bewegungsapparat – immer mehr Menschen leiden daran. Hilfe gibt es im Zentrum für ganzheitliche Schmerz- und Palliativmedizin im Einbecker Bürgerspital. Die Mediziner Dr. Josef Nelles und Thomas Rudolph erarbeiten hier für jeden Patienten ein individuelles Schmerzkonzept. Schulmedizinische Methoden kommen dabei ebenso zum Tragen wie Naturheilkunde und Traditionelle Chinesische Medizin (TCM).

Einbeck. Ob spezifische oder unspezifische Schmerzen, Bandscheibenvorfall, Fibromyalgie, Polyarthrose: Die Ursachen, weshalb Patienten von Schmerz gequält werden, sind vielfältig. Wenn sich der Schmerz dauerhaft im Körper festsetzt, wenn Hausarzt, Orthopäde oder Rheumatologe nicht mehr weiterwissen, können sich Ratsuchende an die Schmerzabteilung des Einbecker Bürgerspitals wenden. Patienten, die sich der multimodalen Schmerztherapie unterziehen, bleiben etwa zwei bis drei Wochen im Haus, aber auch eine ambulante Therapie ist möglich. Ziel ist es zunächst, sie möglichst schnell »schmerzärmer« zu machen beziehungsweise zu mobilisieren. Voraussetzungen für eine multimodale Schmerztherapie sind unter anderem drohende Beeinträchtigung der Lebensqualität und/oder der Arbeitsfähigkeit, der Fehlschlag einer vorherigen unimodalen Schmerztherapie, eines schmerzbedingten operativen Eingriffs oder einer Entzugsbehandlung, bestehender Fehlgebrauch oder Abhängigkeit von Medikamenten, eine schmerzunterhaltende psychische oder eine gravierende somatische Begleiterkrankung.

Schmerzfreiheit können Dr. Josef Nelles und Thomas Rudolph nicht versprechen, das wäre unrealistisch. Sie können aber mit dem Patienten gemeinsam daran arbeiten, dass er mit der Erkrankung umzugehen lernt. Die konzentrierte Therapie sieht unter anderem eine Verhaltensänderung vor. Im Akutfall bedeutet das, dafür zu sorgen, dass die Situation nicht chronisch wird. Medikamente können in verschiedenen Abstufungen gegeben werden, bis hin zu Opiaten.

Die Bandbreite therapeutischer Möglichkeiten daneben ist groß. Dazu zählen etwa therapeutische Lokalanästhesie wie Nervenblockaden, Psychotherapie, Schmerzedukation, Entspannungsverfahren, Biofeedback, sensomotorisches Training, manuelle Therapie, Meditaping, TCM wie Akupunktur, Tuina oder chinesische Arzneimittel/Therapie mit pflanzlichen Medikamenten, Neuraltherapie und Homöpathie; gerade mit pflanzlichen Medikamenten könne man erstaunliche Ergebnisse erzielen, So die Erfahrung der Einbecker Mediziner. Krankengymnastik und Bewegungstherapie sind im Bürgerspital ebenfalls wichtige Bestandteile der Schmerztherapie. »Der Patient muss selbst dazu beitragen, dass es ihm wieder besser geht«, betonen Dr. Josef Nelles und Thomas Rudolph. Sie wissen aber auch, dass es vielen schwer fällt, das durchzuhalten. Ein hilfreicher Baustein kann für die Patienten die tägliche Einheit Qi Gong sein, die »Arbeit mit der Lebensenergie«: Die Patienten werden angehalten, bei dieser Bewegungslehre mitzumachen.

Häufig werden verschiedene Möglichkeiten parallel genutzt: Schulmedizin etwa mit Verfahren aus der Naturheilkunde. Großer Wert wird im Rahmen des Behandlungsplanes auf Gesprächstherapie und die Vermittlung von Entspannungsverfahren gelegt. Das spiele, so Dr. Nelles, gerade bei chronischen Fällen eine Rolle. Der Patienten werde darüber aufgeklärt, wie Schmerz zustande komme und welche Faktoren eine Rolle spielten, um ihn zu bewältigen.

Chronischer Schmerz, das ist bekannt, wirkt sich nicht nur körperlich aus, sondern er hat auch Einfluss auf das Seelenleben. Damit können sozialer Rückzug, Schlafstörungen oder Appetitlosigkeit verbunden sein. Das Leben des Betroffenen kreist schließlich nur noch um den Schmerz; Familie, Partnerschaft, Beruf, Freundeskreis leiden darunter, berichtet Dr. Mario May, der seit März stundenweise als Neurologe, Psychologe und Psychotherapeut im Bürgerspital beschäftigt ist. Die Behandlung setzt in diesem Fall nicht bei der Schmerzbehandlung an, sondern versucht auch mit Gesprächen, dem Patienten deutlich zu machen, was er an eigenen Möglichkeiten hat, mit seinen Beschwerden umzugehen. Häufig bieten sich dafür eher ambulante Therapien mit breitgefächerten Möglichkeiten statt stationärer Aufnahme.

Es gibt aber auch im Krankenhausalltag Fälle, in denen Heilung nicht mehr möglich ist. Tumor-Schmerz-Patienten im fortgeschrittenen Stadium benötigen zum Beispiel eine Behandlung, die Schwindel und Übelkeit tolerabel machen. Lebensqualität sei eng verknüpft mit der Kontrolle der Symptome. »Schmerztherapie heißt in diesen Fällen oft auch Sterbebe­gleitung«, berichten Dr. Nelles und Thomas Rudolph - einige Patienten würden im Krankenhaus versterben. Es gehe aber auch darum, eine Betreuung zu Hause möglich zu machen, etwa in Zusammenarbeit mit Pflegebereich und Hospizangeboten.

Zum Schmerz-Team des Bürgerspitals gehören Ärzte, ein ärztlicher Psychotherapeut, ein Diplom-psychologe, ein Physiotherapeut, Tuina- und Qi-Gong-Therapeutinnen, eine Ernährungsassistentin, auch zuständig für chinesische Diätetik und Qi Gong, sowie die Mitarbeiter im Pflegebereich, außerdem Verwaltungskräfte. Die Station bietet Platz für bis zu 17 Betten; mehrere Räume für Einzelgespräche oder Vorträge stehen Verfügung.ek