Jean Nectoux: »Ob ich in Einbeck oder Thiais bin, ich bin immer zu Hause«

Festakt zum 50. Jubiläum der Städtefreundschaft im Wilhelm-Bendow-Theater / Festrede von Wilhelm Dörge zu den Anfängen der gelebten und vielfältigen Partnerschaft

»Von Euch zu uns der Weg ist weit, doch ihn zu gehen sind wir bereit; wir wollen mit Euch sprechen, die Grenze niederbrechen«, wie in dem Partnerschaftslied von Dr. Helmut Ahlborn und Dr. Rosemarie Busse wollen die Bürger aus Thiais und Einbeck auch in Zukunft Brückenbauer der europäischen Verständigung und Vereinigung sein. Im Wilhelm-Bendow-Theater feierten die Anwesenden das 50. Jubiläum der Städtefreundschaft mit einem Festakt, bei dem der ehemalige Einbecker Bürgermeister Wilhelm Dörge die Festrede hielt.

Einbeck. Im Wilhelm-Bendow-Theater kamen viele Bürger aus Einbeck und Thiais zusammen, um gemeinsam das 50-jährige Bestehen der Städtefreundschaft mit einem Festakt zu begehen. Durch das Programm gekonnt Alexander Kloss, Mitglied der Austausch-Arbeitsgruppe, der von den Dolmetschern Olivine Mottin, Eva Damm und Alexander Meuschke unterstützt wurde. Kloss erinnerte, dass es ohne die vielen engagierten Akteure in beiden Städten nicht so viele Ereignisse in der 50-jährigen Geschichte der Städtefreundschaft gegeben hätte, da die Beteiligten einen großen Anteil daran haben, dass aus der Partnerschaft eine gelebte Freundschaft entstanden sei.

Einbecks Bürgermeister Ulrich Minker begrüßte zahlreiche Gäste, die sich intensiv um die Partnerschaft gekümmert hätten. Zwar könnte er nicht jeden einzelnen namentlich nennen, da so viele Bürger den Brückenschlag zwischen Einbeck und Thiais vorangetrieben haben, doch freute es ihn, dass Wilhelm Dörge die Festansprache halte, der als Pionier der Städtefreundschaft 1962 und 1963 die Partnerschaftsurkunden mit unterschrieben habe.

Minkner erinnerte, dass nach dem Zweiten Weltkrieg keiner voraussehen konnte, wie sich Europa und die freundschaftlichen Beziehungen der Länder untereinander entwickeln würden. Da der Friede, der seit 67 Jahre herrsche, nicht selbstverständlich sei, sollte seine Bedeutung den Nachkommen erklärt und die freundschaftlichen Bande zwischen Thiais und Einbeck kontinuierlich weiter voran getrieben werden. Es sei wichtig, Schüler und Jugendliche für den Austausch zu mobilisieren, so Minkner, damit auch in Zukunft die Freundschaft vielfältig funktioniere. Einbecks Bürgermeister erklärte, dass er stolz auf das 50-jährige Bestehen der Städtefreundschaft sei, die sich durch viele Erinnerungen und Ermutigungen immer wieder neu erfinde und dadurch sehr lebendig sei.

Einen Blick auf die Anfänge der Städtepartnerschaft gewährte Thiais’ Bürgermeister Richard Dell’Agnola. Er betonte, dass die Partnerschaft wie eine schöne Geschichte sei, da der Beginn von vielen zufälligen Ereignissen geprägt gewesen sei. Im Juni 1958 seien einige Einbecker mit Mitgliedern des Volksbunds Deutscher Kriegsgräberfürsorge aus Hann. Münden in Choisy-le-Roi gewesen, und sie hätten dort Thiaiser kennengelernt wie den späteren Ratsherrn und Bürgermeister Albert Glardon. Nach der Rückkehr nach Einbeck hatten sie den Wunsch gehabt, eine Partnerstadt mit einer französischen Stadt zur realisieren. Daraufhin fanden sie mit Thiais einen guten Partner, so dass schon am 23. Juni 1962 in Einbeck und am 22. Juni 1963 in Thiais die Partnerschaftsurkunden unterschrieben werden konnten.

Dell’Agnola lobt die Pioniere, die sich für das Wagnis in der damaligen Zeit eingesetzt hätten, und er betonte, dass die Partnerschaft nicht von dem politischen Willen geprägt sei, sondern von einer Freundschaft, die eine interessante Geschichte innehabe. Die Verbundenheit zwischen Einbeck und Thiais sei zwar nicht einmalig in Europa, aber einzigartig, so Dell’Agnola, da sie reich an Personen sei, die sich engagiert und intensiv für die Partnerschaft einsetzen würden. Durch den Abbau von Vorurteilen sei der Grundstein für eine Kooperation entstanden, aus dem sich etwas Lebendiges erschaffen habe, das sich ständig weiterentwickele. Er betonte, dass viele Ereignisse und Treffen einen gemeinsamen Stammbaum hätten wachsen lassen, dessen Äste viele verschiedene und sehr schmackhafte Früchte tragen. Der Bürgermeister von Thiais hoffte, dass in Zukunft die Kinder in die Fußstapfen ihrer Eltern treten würden, um den langen Weg nach Europa, den die Pioniere wie Wilhelm Dörge angekurbelt hätten, sukzessive weiter zu gehen, denn »die Zukunft gehört uns«, den Einbeckern und Thiaisern.

Die Verbundenheit zwischen Einbeck und Thiais habe in den vergangenen 50 Jahren nichts an ihrer Intensität verloren, lobte der stellvertretende Landrat Jens Hampe die Beziehung zwischen den beiden Städten. Nicht nur die zahlreichen Partnerschaftsmedallien bewiesen, wie intensiv die Einwohner die Partnerschaft lebten, so Hampe. Auf vielen Ebenen seien Menschen zusammengekommen worden, die die Freundschaft immer weiter vorangetrieben hätten. Er erklärte, dass es in Zukunft wichtig sei, vermehrt wieder die Jugend einzubinden, da dieses unmittelbar und unverfälscht aufeinander zugehe und dem Austausch immer wieder neue Impulse geben könnte. Ihm imponierten Einsatz und  Begeisterung der Bürger für Friede, Einigkeit, Verständigkeit und Freundschaft, die die Beziehung zwischen Einbeck und Thiais so hervorhebe.

Dass es gelungen sei, einen der Pioniere und langjährigen Wegbegleiter der Partnerschaft als Festredner zu gewinne, freute Alexander Kloss. Er hätte nie gedacht, dass er im Rahmen des Jubiläums die Chance hätte, einen so verdienten Zeitzeugen wie den ehemaligen Bürgermeister Wilhelm Dörge ankündigen zu dürfen, der 1962 und 1963 die Partnerschaftsurkunden mit unterzeichnet habe.

Da er die einzig noch lebende Person sei, die beim Vertragsabschluss dabei gewesen sei, fühle er sich geehrt, die Rede beim Jubiläumsfest halten zu dürfen, sagte Dörge. Als Pionier der Städtefreundschaft habe er die bisherigen 50 Jahre des Austauschs stets wohlwollend begleitet, und er sei stolz, wie sich die gelebte Freundschaft entwickelt habe. Seit den Anfängen Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre gebe es immer wieder positive Anreize, die die »jumelage« gewinnbringend beeinflusst hätten.

Dörge erklärte, dass es in Frankreich keine Gebilde wie Landkreise gebe, so dass damals die Städte untereinander die Verträge geschlossen hätten. An die Unterzeichnung in Thiais erinnerte er sich gern, da daran mehr als 600 Personen teilgenommen hätten, so der ehemalige Bürgermeister, und den Abschluss bildeten die Nationalhymnen, die von einem Kinderchor gesungen wurden. Sollte er über alle Ereignisse und Anekdoten berichten, würde dies den Rahmen sprengen, da jedes Jahr mehr als 700 Personen am Austausch teilnehmen würden, die dabei vieles erlebten. Als markante Punkte der Historie gab er das Konzert »la amitié« 1976 in Einbeck, dass viel Beifall erhielt, den Erhalt der Europafahne 1977, die Verleihung des Prix France-Allemagne 1978 sowie die Feier des 20-jährigen Jubiläums 1982, bei der er als Botschafter der Partnerstadt geehrt wurde, an.

Seinen Nachfolgern in Einbeck und Thiais attestierte er gute Arbeit bei der Fortführung und Weiterentwicklung der Städtepartnerschaft, und er wünschte sich für die Zukunft, dass die gegenseitige Verständigung weiter inspirierend funktioniere und die gelebte Freundschaft stetig vorangetrieben werde. Ihm sei aber im Hinblick auf die kommenden Jahre nicht bange, so Dörge, da viele Einbecker und Thiaiser wie Jean Nectoux denken würden, der den markanten Satz gesagt hatte: »Ob ich in Einbeck oder Thiais bin, ich bin immer zu Hause.«mru