Johannespassion: eindrucksvolle Leistung aller Beteiligten

In der Münsterkirche: Kantorei St. Alexandri und Göttinger Barockorchester / Ein in sich geschlossenes, dramatisch aufgebautes Ganzes

Die großen kirchenmusikalischen Werke für Solisten, Chor und Orchester, die Oratorien, verkünden weihnachtliches Jauchzen und Frohlocken und österlichen Jubel, oder sie sind in den Werken zur Leidensgeschichte Jesu, den »Passionen«, zur Musik gewordene, verinnerlichte Trauer. Von schlichten Textlesungen mit eingefügten Chorälen aus alten Zeiten bis zu den beiden Passionen Bachs, empfindsamen Deutungen des 19. Jahrhunderts und zu zeitgenössischen Kompositionen reicht die Bandbreite. Doch Bachs Werke, die 1724 erstmalig aufgeführte Johannespassion und die fünf Jahre später entstandene Matthäuspassion, sind die Höhepunkte – nicht nur im Werke Bachs. In den Text des Johannesevangeliums fügt Bach Choräle und Teile einer für uns heute wohl etwas sentimentalen Dichtung des Hamburger Ratsherrn und Dichters Brockes ein und schafft aus diesen drei Komponenten ein in sich geschlossenes, dramatisch aufgebautes Ganzes. »Passionen« waren zu Bachs Zeiten aber nicht als Konzerte gedacht, sondern zur Ausgestaltung von Gottesdiensten.

Einbeck. Am vergangenen Sonnabend erklang die Johannespassion in der Münsterkirche, die Aufführung war sehr gut besucht. Die Ausführenden waren: Heidrun Luchterhand (Sopran), Christine Wehler (Alt), Henning Kaiser (Tenor), David Ristau (Bass), Sebastian Noack (Bass) und die Kantorei St. Alexandri. Die orchestrale Stütze war das »Göttinger Barockorchester«, ein seit 1995 bestehendes Ensemble aus »miteinander befreundeten Musikern namhafter Barockensemble«, das sich »auf die Interpretation geistlicher Werke konzentriert« und auf alten oder alten nachempfundenen Instrumenten spielt – so ein älteres Programmblatt. Die Leitung hatte Kantorin Hastedt.Die tragende und alles verbindende Stimme ist die des Evangelisten, dem die verbindenden Texte zwischen den Chorsätzen, den Rezitativen und den Arien zufällt. Mit großer dramatischer Gestaltungskraft und hell tragender, deutlich artikulierender und gut verständlicher Stimme bot Henning Kaiser diesen anspruchsvollen Part.Nach einer kurzen, dunkel getönten Einleitung des Orchesters, die die Zuhörer auf das Passionsgeschehen einstimmen konnte, führte das ruhige Wogen des Eingangschores »Herr, unser Herrscher, dessen Ruhm in allen Landen herrlich ist« in das Werk ein. Ein dramatischer Dialog zwischen dem Evangelisten und dem ruhigen Jesus-Bass, der als ein Gegenpol zu der expressiven Rolle des Evangelisten gesehen werden kann, dazu Einwürfe des Chores bilden den ersten Teil des Geschehens.

Aus der Reihe der Arien sei die von Flötentongirlanden umwehte, mit glockenheller Sopranstimme erklingende »Ich folge dir gleichfalls mit freudigen Schritten« genannt. Dazu noch die in  ruhiger Verhaltenheit gebotene Alt-Arie »Es ist vollbracht«. Die in schöner Reinheit erklingenden Choräle, die in den Ablauf eingefügt sind, brachten meditative Ruhepunkte in die Aufführung. Mit kürzeren und längeren Partien ist der intonationssicher agierende Chor dann auch in die expressive Dramatik des Geschehens eingebunden – genannt seien das »Gegrüßet seist du, König der Juden«, das »Kreuzige« oder das »Nicht diesen, sondern Barrabam«. Die Bass-Arie »Mein treuer Heiland«, die im Wechsel mit Einwürfen des Chores erklang, sei noch erwähnt, und das von Flöte, Oboe und Fagott mit dezentem Hintergrund versehene Arioso des Tenors »Mein Herz leidet«. Ein dramatischer Höhepunkt war wohl das Gespräch zwischen dem »Richter« Pilatus und dem »Angeklagten« Jesus. Die beiden volltönenden Chorsätze am Anfang und Ende, das »Herr unser Herrscher« und das sanfte »Ruhet wohl, ihr heiligen Gebeine« seien noch genannt.

Lange, ergriffene Ruhe herrschte nach dem Schlusschoral »Ach Herr, laß dein lieb Engelein« und dem anschließenden Glockenklang – eine gelungene, eindrucksvolle Leistung aller Beteiligten.D.A.